Die Bedeutung der Neutralität für die Schweiz

Um es vorwegzunehmen: Wir wollen nicht, Wir müssen nicht, Wir dürfen nicht, Wir werden nicht unsere Neutralität auf dem Altar einer vermeintlichen Gutmenschen-Politik aufgeben oder schwächen.

Franz Grüter
Franz Grüter
Nationalrat Eich (LU)

Die Neutralität ist eine der wichtigsten Stützpfeiler der Aussenpolitik der Schweiz. Sie bedeutet, dass sich die Schweiz nicht an bewaffneten Konflikten zwischen anderen Staaten beteiligt.

Die schweizerische Neutralität ist selbstgewählt
Die schweizerische Neutralität ist dauernd
Die schweizerische Neutralität ist bewaffnet

Neutralität bedeutet Nichteinmischung.

Am 20. November 1815 wurde die «immerwährende» Neutralität der Schweiz garantiert.

Damit wird die Neutralität der Schweiz erstmals völkerrechtlich anerkannt. Und damit unterscheidet sich unsere Neutralität auch deutlich von vielen anderen Ländern, die sich neutral nennen.

Die Neutralität ist zudem in unserer Bundesverfassung ausdrücklich verankert. Und zwar in zwei Artikeln. Darin steht: Bundesrat und Bundesversammlung treffen Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz.

Der Verfassungsauftrag ist eigentlich klar: Bundesrat und Bundesversammlung haben die Neutralität der Schweiz zu wahren!

Auf die Verfassung, meine Damen und Herren, haben sowohl die Bundesräte wie die Parlamentarier ihren Eid oder ihr Gelübde abgelegt. Aber was erleben wir zurzeit? Der Bundesrat und die Mehrheit im Parlament nimmt Partei! Sie übernehmen eins zu eins die Sanktionen der EU. Man kann es drehen und wenden wie man will – Sanktionen sind und bleiben wirtschaftliche Kriegsmassnahmen.

Dieser Neutralitätsbruch, geschätzte Delegierte der SVP, ist auch ein Verfassungsbruch. Man muss es so deutlich sagen.

Jetzt hört man überall: Man kann doch gegenüber diesem Aggressionskrieg nicht neutral bleiben. Um hier eines klarzustellen: Neutralität heisst nicht, dass wir Bürgerinnen und Bürger keine Meinung haben dürfen. Jeder von uns verurteilt Putins völkerrechtswidrige Invasion in die Ukraine. Und niemand von uns heisst diesen traurigen Krieg gut. Ich habe das Leiden der flüchtenden Menschen selber gesehen bei meinem persönlichen Besuch an der ukrainischen Grenze in Polen und Moldawien. Aber die offizielle Schweiz hat eine andere Aufgabe: Sie hat die Neutralität der Schweiz zu wahren. Sie muss sich zurückhalten.

Und wir reden hier nicht von irgendeinem nebensächlichen Thema. Die immerwährende, bewaffnete Neutralität gehört neben der direkten Demokratie, dem Föderalismus und der Unabhängigkeit zu den vier Säulen der Schweiz!

Die Neutralität hat unser Land seit über 200 Jahren vor blutigen Konflikten bewahrt. Sie hat den Menschen ein Leben in Sicherheit ermöglicht. Die Schweiz mischt sich nicht in fremde Händel ein. Schon Bruder Klaus hat diesen Grundsatz verkündet!

Die Neutralität ist Selbstschutz für den Kleinstaat Schweiz. Die Neutralität hilft der Schweiz, glaubwürdig ihre guten Dienste für ALLE Konfliktparteien anzubieten.

Was nun aber seit dem Ausbruch des Ukraine Krieges passiert ist, ist ein krasser Bruch der Neutralität.

Der Bundesrat wird nicht müde zu betonen, dass die Neutralität mit seinen Entscheidungen, alle Sanktionen aus der EU zu übernehmen, nicht verletzt worden sei. Hier gibt es aber eine grosse Differenz zwischen Eigenwahrnehmung und Aussenwahrnehmung. Das zeigt ein Blick in die internationale Presse. Ich zitiere stellvertretend die New York Times. Diese schreibt am 8. Februar 2022: Die Schweiz legt ihre Neutralität auf die Seite! Die Schweiz hat mit ihrem Vorgehen ihre guten Dienste verspielt! Gerade jetzt könnte die Schweiz als neutraler Kleinstaat eine sehr wichtige Rolle spielen und sich als Vermittlerin und Mediator einbringen. Damit könnte die Schweiz einen wichtigen Beitrag zum Frieden in Europa leisten.

Ich hatte in den vergangenen Wochen sehr viele Gespräche mit Botschaftern aus verschiedenen Ländern. Mehrfach wurde mir dabei klar gemacht, dass die Schweiz kein Ort mehr sein könne für Friedensverhandlungen. Russland lehnt die Schweiz als Verhandlungsort für Friedensverhandlungen ab. Israel beispielsweise hat keine Sanktionen übernommen, spricht zurzeit sowohl mit Putin als auch den USA und der Ukraine, und tritt nun plötzlich in die Fusstapfen der Schweiz

Als ob dies nicht schon genug wäre: Nun will die Schweiz auch noch Mitglied des UNO- Sicherheitsrates werden. Nicht «die» Schweiz will das, nicht wir wollen das: Sondern die Mehrheit des Bundesrates und des Parlaments.

Im UNO-Sicherheitsrat wird über Krieg und Frieden und Sanktionen entschieden. Damit wird die Schweiz ihre Neutralität noch weiter schwächen.

Leider gibt es zu viele Politiker, die sich gerne an den Rednerpulten in New York sehen. Sie erachten die Mitgliedschaft als persönliches Prestigeprojekt und stellen damit die Interessen der Schweiz hintenan. Sie sprechen heuchlerisch von einem Friedensprojekt. Eines ist klar: Im UNO Sicherheitsrat haben die Grossmächte USA, China, Russland, Grossbritannien und Frankreich das Sagen. Wir werden also zum Spielball der Grossmächte und werden gezwungen Partei zu ergreifen.

Damit verstossen wir nicht nur gegen unsere Verfassung. Nein, wir schwächen damit die Glaubwürdigkeit der Schweiz noch weiter. Liebe Delegierte – neutral zu sein, ist nicht einfach! Es kostet viel Kraft, weil man wird immer von beiden Seiten aufgefordert, Position zu beziehen. Das war auch in diesem Konflikt nicht anders. Seid ihr für uns oder seid ihr gegen uns.

Leider ist der Bundesrat letztlich unter diesem Druck eingebrochen. Was die Konsequenzen sein werden, ist bereits ersichtlich. Deshalb sage ich klar: Wir lehnen jegliche Aufweichungen unserer Neutralität klar ab! Die SVP ist die einzige Partei, die sich ohne Kompromisse für die immerwährende bewaffnete Neutralität einsetzt.

Auch dann, wenn es heiss wird und der internationale Druck auf die Schweiz gross ist. Um es in einem Satz zu sagen, geschätzte Delegierte der SVP: Die Neutralität der Schweiz ist nicht verhandelbar!

Franz Grüter
Franz Grüter
Nationalrat Eich (LU)
 
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