Die SVP lehnt die Vorlage ab. Es besteht weder Anlass noch Notwendigkeit für diese Regulierungsausweitung. Die Vorlage ist konzeptionell falsch, weil sie ein faktischer Nachvollzug von EU-Regelungen vor-nimmt, ohne dass eine generelle Abwägung über ihre Geeignetheit oder Verhältnismässigkeit gemacht wird und ohne dass der globale Kontext berücksichtigt wird. Die Vorlage generiert enorme Regulierungskosten.
Grundlegendes
Diese Vorlage wird seitens SVP abgelehnt, weil sie schwerwiegende Mängel hat:
Der Handlungsbedarf ist nicht gegeben: Mit der vorliegenden Vorlage werden Regulierung zur sogenannten Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte eingeführt respektive erweitert. Formal ist die Vorlage am indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative aufgehängt. Doch dieser Gegenvorschlag nimmt abschliessend Regelungen in den Artikeln 964a – 964c OR vor; weitere sind weder vorgesehen noch erwünscht. Mit der damaligen Gesetzesänderung ist das Anliegen der Transparenz in nichtfinanziellen Belangen also erfüllt. Entsprechend besteht kein zusätzlicher Regulierungsbedarf für die Schweiz.
Namentlich ist dieser Bedarf nicht gegeben, wenn die Europäische Union EU ihre Regeln ändert. Die in den erläuternden Materialien referenzierten Regulierungen der EU haben nichts mit der Schweiz zu tun. Weder gehören sie zu den Marktzugangs- noch zu anderen Verträgen, welche die Schweiz mit der EU hat. Dass einige Unternehmen in der Schweiz von der EU-Regulierung betroffen sind, weil sie mit Entitäten in der EU verkehren, ist richtig. Doch daraus folgert nicht, dass die Schweiz die EU-Regulierung übernehmen muss. Es folgert nicht einmal, dass diese Übernahme von Vorteil für die Schweiz ist.
Der indirekte Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative sah / sieht keine Verknüpfung zu EU-Regelungen vor. Also ist die Zusammenführung von Schweizer Gesetzgebung und Nachvollzug von EU-Regelungen, die in dieser Vorlage vorgenommen werden, falsch. Im Übrigen bezeichnen die Schweizer Gesetzesgrundlagen ausdrücklich die «Transparenz über nichtfinanzielle Belange.» Auch bei der Benennung der Regulierung bedarf es keiner Anpassung.
Einseitiger Nachvollzug von EU-Regelungen: Die vorgeschlagene Änderung stellt einen faktischen Nachvollzug von EU-Regelungen dar, ohne dass eine generelle Abwägung über deren Geeignetheit und Verhältnismässigkeit in der Schweiz vorgenommen wurde. Die Schweiz sollte keine externen Regelungen blind übernehmen, sondern ihre eigenen Prioritäten und Rahmenbedingungen berücksichtigen. Eine Anpassung an das verschärfte EU-Recht untergräbt die schweizerische Souveränität und führt zu einem unreflektierten, unnötigen Regelwerk.
Insbesondere ist zu bemängeln, dass kein internationaler Vergleich gemacht wurde. Beispielsweise sind die Entwicklungen in den USA oder im Vereinigten Königreich weder beschrieben noch evaluiert worden. Die unterstützenden Materialien nehmen auch keine Bewertung der Konsequenzen des Nachvollzugs von EU-Regulierungen für die Positionierung der Schweiz im internationalen Wettbewerb vor.
Die erläuternden Unterlagen unterlassen es auch, die verschiedenen Änderungen und Inkonsistenzen der EU-Regelungen einzubeziehen und abzuschätzen, was sie für die Schweizer Rechtssicherheit bedeuten.
Hohe Kosten für die Umsetzung: Die Umsetzung der neuen Vorschriften, insbesondere die erweiterten Berichtspflichten und die verpflichtende externe Prüfung, würde erhebliche zusätzliche Kosten verursachen. Diese Belastungen würden vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) treffen, die ohnehin bereits unter den bestehenden Regulierungen leiden. Die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie sie nun vorgesehen ist, bringt keinen adäquaten Nutzen, steht aber in keinem Verhältnis zu den entstehenden Kosten für die Unternehmen.
Gemäss erläuterndem Bericht würden um die 3500 Unternehmen unter die Regulierungen fallen (S. 44). In der Debatte um die Konzernverantwortungsinitiative machte das Parlament deutlich, dass es die KMU aus dem indirekten Vorschlag ausnehmen will. Gemäss der Statistik der Unternehmensstruktur gibt es in der Schweiz 1256 Grossunternehmen. Die anderen sind KMU. Wenn um die 3500 Firmen von der Regulierungsvorlage betroffen wären, würden über 2000 KMU darunterfallen. Das verstösst gegen den Willen des Parlaments. Auch die enormen Regulierungskosten sind unter keinen Umständen der Schweiz zuzumuten.
Gemäss erläuterndem Bericht versursacht die Vorlage volkswirtschaftlich relevante Kosten von 620 Millionen Franken pro Jahr (S. 44), wobei in dieser Zahl die indirekten Kosten noch nicht einmal enthalten sind. Diese Kosten sind inakzeptabel hoch und belasten nicht nur die regulierten Unternehmen, sondern auch ihre Kunden und Lieferanten, denn diese Mehrkosten werden entlang den Wert-schöpfungsketten verteilt.
Eventualiter
Die SVP lehnt die Vorlage grundsätzlich ab. Sollte sie trotzdem weiterverfolgt werden, besteht wesentlicher Korrekturbedarf. Die wichtigsten Punkte sind:
Art. 964a EntwOR
Die aktuell im OR vorgesehenen Schwellenwerte für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sind beizubehalten. Sollte trotz der von uns ausgeführten Bedenken an einer Ausweitung des unmittelbaren Anwendungsbereiches festgehalten werden, sollten KMU in der Schweiz nicht zwingend einem ähnlich detaillierten, strikten und mit bürokratischem Aufwand verbundenen schweizerischen Regelwerk nach EU-Vorbild unterliegen. Es ist zu prüfen, inwiefern die Arbeiten von Swiss GAAP FER im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung gegebenenfalls als alternative Berichtsnormen für die KMU in Betracht gezogen werden könnten.
Art. 964c EntwOR
Der Entwurf des neuen Artikels 964c OR bricht mit der prinzipienbasierten Schweizer Regulierung uns setzt auf einen Totalansatz. Dabei ist dieser Ansatz nicht verhältnismässig. Entsprechend sollte der Wortlaut des neuen Artikels so angepasst werden, dass die wesentlichen (und nicht alle) Aspekte in einem Reporting wiedergegeben werden:
Absatz 1: Der Bericht über Nachhaltigkeitsaspekte muss Rechenschaft geben über die für das Unternehmen wesentlichen folgenden Nachhaltigkeitsaspekte |
Absatz 2: Zu nennen sind diejenigen Angaben, die für das Verständnis der wesentlichen
Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte sowie das Verständnis der wesentlichen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage des Unternehmens erforderlich sind. |
Absatz 3: Der Bericht umfasst insbesondere:
1. eine Beschreibung des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens; 2. eine Beschreibung der zeitgebundenen Nachhaltigkeitsziele, die sich das Unternehmen gesetzt hat; 3. eine Beschreibung der Rolle des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans was Nachhaltigkeitsaspekte betrifft; 4. eine Beschreibung der Unternehmenspolitik hinsichtlich der Nachhaltigkeit; 5. Angaben über allfällige Anreizsysteme, die mit Nachhaltigkeitsaspekten verknüpft sind und den Mitgliedern des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans angeboten werden; 6. eine Beschreibung der in Bezug auf die Nachhaltigkeitsaspekte angewandten Sorgfaltsprüfung, sofern einschlägig; 7. eine Beschreibung der wesentlichen tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsaspekte beziehungsweise von Nachhaltigkeitsaspekten, die mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens und mit seiner Wertschöpfungskette verbunden sind sowie eine Beschreibung der Massnahmen zur Ermittlung und Überwachung dieser Auswirkungen; 8. eine Beschreibung der wichtigsten Massnahmen des Unternehmens zur Verhinderung, Minderung, Behebung oder Beendigung tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen nach Ziffer 7, und des Erfolgs sowie die Bewertung der Wirksamkeit dieser Massnahmen; 9. eine Beschreibung der wesentlichen Risiken, denen das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten ausgesetzt ist, und der Handhabung dieser Risiken durch das Unternehmen; 10. die relevanten angewandten Indikatoren in Bezug auf die Angaben gemäss Ziffern 1-9, wo relevant. |
Absatz 4: Die in den Absätzen 1 und 3 genannten Angaben umfassen wesentliche Informationen zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens und zu seiner Wertschöpfungskette, einschliesslich Angaben zu seinen Produkten und Dienstleistungen, seinen Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette. |
Absatz 6: Kontrolliert im Sinne von Artikel 963 Absatz 2 ein Unternehmen allein oder zusammen mit anderen Unternehmen im In- oder Ausland eines oder mehrere Unternehmen, so muss der Bericht alle wesentlichen Angaben zu diesen Unternehmen umfassen. |
Art. 964c Absatz 5 und 964b EntwOR
Wie unter den grundsätzlichen Erwägungen bereits erwähnt, bestehen neben den Regulierungen der EU auch internationale Standards. Viele Schweizer «Global Player» haben bereits diese Standards umgesetzt. Entsprechend gilt es, sie als gleichwertig zu akzeptieren. Dafür müssen Änderungen an zwei Stellen vorgenommen werden:
Art. 964c, Absatz 5:
Für Unternehmen, deren Die Angaben müssen die in der Europäischen Union verwendeten Standards oder einen anerkannten gleichwertigen vergleichbaren Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfüllen, gelten die Vorschriften in Art. 964c als erfüllt. Der gewählte Standard muss in seiner Gesamtheit für alle Vorgaben dieses Artikels übernommen und im Bericht über Nachhaltigkeitsaspekte genannt werden. Der Bundesrat bezeichnet die anerkannten Standards.
Art. 964b, Absatz 1
Von der Pflicht nach Artikel 964a befreit sind Unternehmen: 1. die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden: a. das nach Artikel 964a einen Bericht über Nachhaltigkeitsaspekte erstellen muss; oder b. das einen gleichwertigen vergleichbaren Bericht nach ausländischem Recht einem anerkannten Standard erstellt; |
Dabei ist die Vergleichsbarkeit offen auszulegen.
Art. 728a und 964c bis EntwOR
Die Einführung einer generellen Prüfpflicht für die Nachhaltigkeitsberichte führt zu hohen Kosten für die betroffenen Firmen. Dies bestätigt auch die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) des Bundes. Die RFA rechnet mit Prüfkosten von etwa 20 bis 30 Prozent der durchschnittlichen Kosten für die Prüfung der Finanzberichterstattung. Zudem würde eine generelle Prüfpflicht zu einem signifikanten Anstieg der Nachfrage nach Prüfleistungen führen. Ohne eine entsprechende Ausweitung des Angebots an Prüfungen könnten sich höhere Marktpreise ergeben – sowohl für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte als auch für die Finanzberichte im Allgemeinen. Angesichts dieser Kostenfolgen wird die Einführung einer Prüfpflicht als unverhältnismässig abgelehnt.
Sollte dennoch an der Prüfpflicht festgehalten werden, sollte diese schrittweise eingeführt werden und nicht auf Unternehmen angewendet werden, die (a) nicht der EU-Direktive CSRD unterliegen, (b) basierend auf einem Mehrheitsbeschluss ihrer Aktionäre auf die Prüfung verzichten (opting out), oder (c) bei nicht kotierten Unternehmen nur dann gefordert werden, wenn die Aktionäre dies beschliessen (opting in).
Des Weiteren sind die neuen Anforderungen an die externe Prüfung sind nicht konsistent und gehen über die internationalen Entwicklungen hinaus. Dies beispielsweise durch den vorgeschriebenen zwingenden Abgleich zwischen Finanz- und Nachhaltigkeitsberichten. Dadurch schränken die Regeln den Spielraum der Unternehmen bei der freien Wahl der Revisionsgesellschaft über Gebühr ein.
Die Anforderungen an die externe Revision müssen verhältnismässig sein und der Tatsache Rechnung tragen, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Vergleich zur Finanzberichterstattung weniger quantifizierbar ist und sich das Gebiet noch stark entwickelt, was zu erheblicher Unsicherheit führt.
Die neuen Vorschriften zur externen Revision, wie in Art. 728a OR spezifiziert, verlangen, dass geprüft wird, ob „zwischen der Jahres- und gegebenenfalls Konzernrechnung und dem Bericht über die Nachhaltigkeitsaspekte Unstimmigkeiten bestehen.“ Dies macht es in der Praxis nahezu unmöglich, eine andere Revisionsgesellschaft für die Nachhaltigkeitsprüfung zu wählen als für das Finanzreporting. Zudem ist unklar, wie umfassend ein solcher Vergleich sein soll, was einen sehr hohen zeitlichen Aufwand verursachen könnte, bei unklarem Nutzen. Diese Regelung scheint auch nicht mit der Vorgabe vereinbar, dass der Bundesrat die Prüftiefe in einer Verordnung festlegt. Art. 728a OR ist daher wie folgt anzupassen:
Art. 728a
1 Die Revisionsstelle prüft, ob: 5. zwischen der Jahres- und gegebenenfalls Konzernrechnung und dem Bericht über die Nachhaltigkeitsaspekte Unstimmigkeiten bestehen. den Bericht über die Nachhaltigkeitsaspekte gemäss der in Art. 964cbis festgelegten Prüftiefe. |
Gemäss Vorentwurf hat der Bundesrat die Möglichkeit, die Prüftiefe per Verordnung festzulegen und zwischen «limited» und «reasonable assurance» zu wählen. Das ist ein deutlicher «Swiss Finish», da die EU-Regulierung selber die «limited assurance» bis 2028 für alle Unternehmen als ausreichend erachtet. Artikel 964c bis OR sollte daher wie folgt angepasst werden:
Art. 964cbis
2 Die Prüfung der Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte erfolgt mit begrenzter Sicherheit, sofern der Bundesrat nichts anderes festlegt. Der Bundesrat regelt, mit welcher Prüftiefe die Prüfung durchgeführt werden muss, insbesondere ob geprüft wird, ob Sachverhalte vorliegen, aus denen zu schliessen ist, dass die Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte im Bericht unvollständig oder falsch sind, oder ob geprüft wird, ob die Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte im Bericht vollständig und richtig sind. Er Der Bundesrat orientiert sich dabei dabei an den internationalen Entwicklungen und gewährt angemessene Übergangsfristen.
Art. 964cter Absatz 2 EntwOR
Die Genehmigung des Nachhaltigkeitsberichts “des für die Genehmigung der Jahresrechnung zuständigen Organs” (bei der Aktiengesellschaft die Generalversammlung) soll – anders als im Erläuterungsbericht derzeit vorgeschlagen – wie beim Vergütungsbericht in Form einer Konsultativabstimmung erfolgen.
Weitere Anmerkungen: Strafbarkeitsklausel (Art. 325ter StGB)
Die (heute schon vorgesehene) Unterstrafestellung der fahrlässigen Verletzung der Berichterstattungspflichten sollte ersatzlos gestrichen werden. Falls an dieser Strafbestimmung festgehalten wird, soll zumindest mehr Klarheit betreffend die Anwendung dieser Bestimmung geschaffen werden. Für den Begriff der „fahrlässigen Begehung“ ist eine Konkretisierung (zumindest auf Verordnungsstufe) vorzunehmen, damit die Rechtssicherheit gewährt ist. Eine allfällig falsche Aussage muss subjektiv schuldhaft und objektiv in qualitativer und/oder quantitativer Sicht derartig falsch sein, dass sie einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtbeurteilung der aktuellen Situation des Unternehmens in Bezug auf das berichtete Element ausübt (Grundsatz der Materialität).