Am 2. Februar 2024, also vor knapp einem Jahr konnte man in den Medien lesen, dass 24 Kantone das bundesrätliche Verhandlungsmandat für ein neues Abkommen mit der EU befürwortet haben. Diese Verhandlungen wurden nun ja bekanntlich Ende Dezember vorläufig abgeschlossen. Einzig der Kanton Schwyz hatte sich erlaubt, dieses Verhandlungsmandat abzulehnen, Nidwalden hat sich der Stimme enthalten. Dabei haben wir uns als Schwyzer Regierungsrat insbesondere gegen die dynamische Rechtsübernahme, den Streitbeilegungsmechanismus unter Beteiligung des Europäischen Gerichtshofs, das System der Ausgleichsmassnahmen sowie neue Kohäsionsbeiträge ausgesprochen.
Das ist wohl ein Grund dafür, warum heute ausgerechnet ein Regierungsrat aus dem Kanton Schwyz zu Ihnen spricht. Ein anderer liegt darin, dass immer noch offen ist, ob bei den Volksabstimmungen zu den neuen EU-Verträgen auch das Ständemehr gelten wird. Diese Frage ist für uns kleinere Kantone von besonderer Bedeutung.
Und so freut es mich, heute hier sein zu dürfen und Ihnen die besten Grüsse aus der Urschweiz, der Suisse Primitive, überbringen zu können.
Der Kanton Schwyz hat als einer der Gründerkantone unseres Landes immer etwas eine Vorreiterrolle einnehmen dürfen, ja einnehmen müssen. Das unbändige Streben nach Freiheit und Eigenständigkeit, gekoppelt mit einem gesunden Mass an Selbstbewusstsein und Widerstandsbereitschaft, haben wesentlich dazu beigetragen, dass unsere Eidgenossenschaft entstanden ist. Dass wir über Jahrhunderte die Freiheit errungen und bewahrt haben, und dass auch die Kantone ihre souveräne Stellung halten konnten.
Die genannten Tugenden haben aber auch die jüngere Entwicklung unseres Landes massgeblich mitgeprägt, indem Schwyz und weitere konservative Kantone mit ihrer Standesstimme schon manchen Unfug an der Urne bachab geschickt haben.
Und ohne jetzt in ein übertriebenes Pathos verfallen zu wollen, ist es vielleicht kein Zufall, dass sich einzig der Kanton Schwyz von Anfang an klar gegen das neue Abkommen ausgesprochen hat. Wohlwissend, dass dieses unweigerlich zu einem massgeblichen Souveränitätsverlust unseres Landes und seiner Bürger führen würde, was wir in unserem direktdemokratischen und föderalistischen Staatssystem nie und nimmer hinnehmen dürfen!
Manchmal braucht es im Leben, aber auch in der Politik etwas Rückgrat, seine Haltung zu vertreten, selbst wenn man damit zunächst in einer Minderheit steht. Wobei – das kann ich Ihnen aus meiner bald dreizehnjährigen Regierungstätigkeit berichten – die Mehrheiten auf der anderen Seite resultieren oft aus persönlicher Bequemlichkeit oder fehlender Kraft. Man schliesst sich kleinlaut lieber der Mehrheit an – gezimmert von irgendwelchen Strippenziehern, die nicht selten auch persönliche Interessen mitverfolgen. Und so kann man dann jeweils auch zügig und in allem Frieden zum gemeinsamen «Stehlunch» übergehen.
Bei der angesprochenen Stellungnahme zum EU-Verhandlungsmandat liess sich der Regierungsrat des Kantons Schwyz nicht davon einschüchtern, mit seiner Haltung in einer Minderheit zu sein. Das war auch für unsere Partei, die SVP, noch nie ein Problem. Vergessen wir nicht, meine lieben Parteikollegen und Landsleute, bei unserer politischen Arbeit geht es nicht darum, einen Beliebtheitspreis zu gewinnen, in der Presse gut dazustehen oder an möglichst viele Apéros eingeladen zu werden. Es geht darum, aus persönlicher Überzeugung und Liebe zu unserem Land das Richtige zu tun. Und dafür Mehrheiten zu gewinnen!
Ich bin optimistisch, dass aus der anfänglichen Minderheitsposition des Kantons Schwyz und von uns SVP’lern letztlich eine klare Mehrheitsmeinung der Schweizer Bevölkerung resultieren wird, welche diesen Kolonialverträgen einen Riegel schieben und dem inzwischen jahrelangen Trauerspiel mit der EU endlich ein Ende setzen wird: Wir wollen keinen Souveränitätsverlust, kein fremdes Recht, keine fremden Richter und keine weiteren und höheren Gnadenzahlungen an die EU! Wir bleiben ein eigenständiges, unabhängiges und freies Land, das selber und nach eigenem Gutdünken über seine Gesetze, Politik und Geschicke entscheidet.
Ehrlicherweise müssen wir ja eingestehen – und das sowohl auf unserer ablehnenden Seite als auch bei den euphorischen Befürwortern des neuen Vertragswerks –, dass seine genauen und letztlich geltenden Inhalte noch gar nicht bekannt sind. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann ich Ihnen aber prophezeien, dass die finalen Regelungen nicht besser bzw. zum Vorteil der Schweiz sein werden als das, was bis jetzt so durchgesickert bzw. interpretiert worden ist.
Und so ist auch davon auszugehen, dass unter dem Titel der staatlichen Beihilferegelungen auch die Kantone bzw. ihre Kantonalbanken, Energieversorgungsunternehmen und Gebäudeversicherungen im Fokus der EU-Verträge bleiben werden. Auch an diesen bewährten Institutionen und Errungenschaften der Kantone wollen wir aber festhalten und sie nicht als Opfergabe nach Brüssel tragen.
Insgesamt geht es also um sehr viel. Es stehen hohe Interessen unseres Landes auf dem Spiel: sein Wesen, sein Wohlergehen, seine Freiheiten, seine Eigenständigkeit. Und damit ist letztlich auch jeder Einzelne von uns ganz wesentlich von diesen Verträgen betroffen.
Deshalb scheint nach gesundem Menschenverstand eigentlich klar, dass dieses Vertragswerk zwingend dem Volk zum Entscheid vorgelegt werden muss, und das unter zusätzlicher Geltung des Ständemehrs. Für mich als Rechtsanwalt spricht aber auch die juristische Auslegung der einschlägigen Art. 140 und 141a unserer Bundesverfassung für die Anwendbarkeit des Volks- und des Ständemehrs. Denn der Inhalt und die Bedeutung bzw. die materielle Wirkung dieser Verträge bewegen sich ganz klar auf Niveau der Verfassung und des Beitritts zu supranationalen Gemeinschaften. Und so mutet es geradezu grotesk an, wenn dies die Befürworter der neuen EU-Verträge zur Umgehung des Ständemehrs bestreiten wollen, aber gleichzeitig so tun, dass davon das Schicksal der Schweiz abhänge.
Dass darüber sinniert wird, das neue Vertragswerk nur oder gar höchstens dem Volksmehr zu unterstellen, ist ein Affront gegenüber unserer Demokratie und belegt, mit welchen «Buebätrickli» sie von gewissen politischen Eliten in Frage gestellt wird. Und ganz simpel kann man sich fragen: Wenn diese Verträge für die Schweiz doch so gut sein sollen, warum hat man denn Angst, Volk und Stände darüber abstimmen zu lassen?
Genau das würde den bisherigen politischen und demokratischen Gepflogenheiten in diesem Land entsprechen. Unser föderalistisches System beruht eben darauf, dass grundlegende Fragen nicht nur durch das Gewicht der grossen Kantone entschieden werden, sondern mit ihrer Standesstimme auch die kleineren Kantone effektiv mitreden können.
Dass das Volks- und das Ständemehr eine eigenständige Aussagekraft haben, zeigte sich eindrücklich etwa bei der Abstimmung zum EWR-Beitritt 1992. Während sich nur eine knappe Bevölkerungsmehrheit von 50.3 % dagegen aussprach, war das Verdikt der Stände mit 16:7 sehr deutlich. Solche Signale und Befindlichkeiten aus den Regionen dürfen im immerwährenden Interesse der Kohäsion, des Zusammenhalts und des friedlichen Zusammenlebens in unserem Land nicht einfach übergangen werden, meine Damen und Herren!
Ich habe keine Angst, dass eine Ablehnung dieser Verträge unserem Land nachhaltig schaden wird, denn unsere politischen und wirtschaftlichen Beziehungen beschränken sich nicht nur auf die EU, vielmehr sind wir ein global vernetztes Land und wollen das auch bleiben. Im Übrigen wird die EU weder die Stärke, noch die innere Einigkeit haben, die wirtschaftlichen Beziehungen mit ihrem viertgrössten Handelspartner ernsthaft zu gefährden. Wir als Schweiz dürfen bei diesem Kampf der Interessen nicht immer wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren und uns kleiner machen, als wir es sind!
Und so rufe ich alle auf, sich weiterhin in einem friedlichen, überzeugenden und konsequenten Widerstandsmodus gegen diese EU-Verträge zu wehren. Wir geben unsere Souveränität, Unabhängigkeit und Freiheit nicht preis, und zusammen werden wir diesen Kampf gewinnen; im Interesse unseres schönen Landes, im Respekt für das, was unsere Vorfahren hart erarbeitet haben und in Liebe zu unseren Nachkommen, die ebenfalls in einer freien und souveränen Schweiz leben wollen.