Die eidgenössischen Räte haben in der Herbstsession 2009 entschieden, dass die nachgewiesenen Kosten, jedoch höchstens 10’000 Franken pro Jahr, für die Drittbetreuung von Kindern vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können (Art. 33. Abs. 3 bzw. Art. 212 Abs. 2bis DBG). Die Kantone werden mit diesem Bundesbeschluss (Steuerharmonisierungsgesetz) ebenfalls verpflichtet, einen entsprechenden Fremdbetreuungszug auch im kantonalen Recht einzuführen. Die Obergrenze können sie jedoch frei festlegen. Die SVP ist in den eidgenössischen Räten mit ihrem Antrag, den Betreuungsabzug allen Familien zugute kommen zu lassen, gescheitert. Damit trotzdem alle Familien von diesem Betreuungsabzug profitieren können, lanciert die SVP die Volksinitiative „Familieninitiative: Steuerabzüge auch für Eltern, die ihre Kinder selber betreuen“ mit folgendem Wortlaut:
Art. 129 Steuerharmonisierung Abs. 4 neu
4 Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, muss für die Kinderbetreuung mindestens ein gleich hoher Steuerabzug gewährt werden wie Eltern, die ihre Kinder fremd betreuen lassen.
Die in der Herbstsession vom Parlament verabschiedete Vorlage weist einen gravierenden Mangel auf: Die Betreuungsabzüge und damit Steuererleichterungen kommen nur jenen Familien zugute, die ihre Kinder fremd betreuen lassen. Mit diesem Vorgehen diskriminiert das Parlament jene Familien, von welchen wir nach wie vor Hunderttausende in der Schweiz haben, bei denen die Betreuung und Erziehung der Kinder weitgehend durch die Eltern selber wahrgenommen wird.
Eine derartige Benachteiligung der Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen, lehnt die SVP ab und hat darum die Familieninitiative lanciert. Für die SVP ist es ein familienpolitisches Grundgebot, dass die Form oder Art der Kinderbetreuung nicht auf Grund steuerlicher Vor- oder Nachteile getroffen werden soll.
Die vom Parlament in der Herbstsession 2009 vorgeschlagenen Steuererleichterungen für den Fremdbetreuungsabzug bis max. Fr. 10’000.- pro Jahr führt zu Steuererleichterungen von rund 360 Millionen Franken, davon entfallen 17% auf die Kantone. Die steuerlichen Erleichterungen, die mit dieser Vorlage beschlossen werden sollen, betreffen ausschliesslich jene Familien mit Kindern, die überhaupt direkte Bundessteuer bezahlen. Das heisst: Über 10 Prozent der Familien mit Kindern, und zwar eben jene mit tiefen Einkommen, profitieren von dieser Vorlage nicht. Im Fokus stehen bei dieser Vorlage denn auch die Familien des Mittelstandes, jene Familien also, in denen über die Hälfte aller Kinder leben.
Jedoch profitieren nur einseitig jene Familien von diesen Massnahmen, die ihre Kinder gegen Entgelt fremd betreuen lassen. Natürlich kann man mit ausgeklügelten mathematischen Modellen eine fiskalrechtliche Begründung aus dem Hut zaubern und versuchen, damit plausibel zu machen, dass doppeltverdienende Eltern wegen der Steuerprogression benachteiligt sind und mehr Abzugsmöglichkeiten für die externe Kinderbetreuung erhalten sollten. Doch der Grundsatz, dass selbsterziehende Eltern fiskalisch in Bezug auf den Betreuungsabzug nicht benachteiligt werden, wird damit nicht erfüllt.
Die SVP sträubt sich dagegen, dass steuerlich zwei Kategorien von Eltern geschaffen werden, nämlich solche, die vom Umstand profitieren, dass sie ihre Kinder fremd gegen Entgelt betreuen lassen, und solche, die von diesem Steuervorteil ausgeschlossen bleiben, weil sie der Aufgabe der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder selber nachkommen. Für die SVP steht die "Stärkung der Eigenverantwortung" im Mittelpunkt. Das heisst keineswegs, dass nicht beide Elternteile – ganz oder im Regelfall mindestens teilweise – einer beruflichen Beschäftigung nachgehen sollen bzw. können. Aber die SVP warnt davor, jene Tendenz – einseitig und unter Benachteiligung des traditionellen Familienbildes – zu stärken, die die elterlichen Pflichten je länger, je mehr an Dritte und insbesondere an den Staat delegieren will.
Auch in der Bundesverfassung wurde die Bedeutung von Ehe und Familie verankert. Doch was geschieht in Wirklichkeit? Die funktionierende, traditionelle Familie verliert ihren Stellenwert in unserer Gesellschaft mehr und mehr. Die Anerkennung der Familienfrau (oder des Familienmannes), welche sich der Betreuung der Familie sowie dem Wohlergehen und der Erziehung der Kinder widmet, schwindet zunehmend. Im Trend liegt, wer seine gute Ausbildung, seine Fähigkeiten und seine Schaffenskraft möglichst umfassend der Wirtschaft – auch der Staatswirtschaft – zur Verfügung stellt. Nicht nur die Linken, sondern auch die Arbeitgeberverbände und die FDP rufen dazu auf, die Kinder möglichst rasch in Kinderkrippen zu geben und möglichst bald an den Arbeitsplatz zurückzukehren.
Die SVP geht in der Familienpolitik einen anderen Weg: Für sie bilden Ehe und Familie nach wie vor die Grundlage und den Kern unserer Gemeinschaft. Daher kämpft sie für die Erhaltung und Anerkennung der Familien. Familien mit ihren Kindern verdienen nämlich den besonderen Schutz und die Achtung der Gesellschaft. Und für die SVP ist auch klar, dass gerade Kleinkinder für ihre spätere Stabilität und Entwicklung Bezugspersonen brauchen, welche ihnen Wärme und Geborgenheit vermitteln. Daher soll die Erziehung der Kinder grundsätzlich in der Verantwortung und Pflicht der eigenen Eltern liegen. Das bedeutet auch, dass die Eltern sich entscheiden können, gegen Bezahlung ihre Kinder fremd und/oder durch Grosseltern oder sonstige Verwandte und Bekannte betreuen zu lassen. Dies steht jeder Familie frei. Die SVP lehnt jedoch eine staatlich geförderte Betreuungsindustrie strikte ab.
Immer mehr Vorlagen in unserem Staat sind jedoch von diesem einseitigen Geist – Delegation an den Staat – geprägt. Auf Seite des Bundes handelt es sich zum Beispiel um Versuche zur Bewerkstelligung der Finanzierung der familienexternen Kinderbetreuung durch Anschubfinanzierungen und sog. „Krippeninnovationen“ – die jetzt auch noch verlängert werden sollen -, über den Bildungsrahmenartikel, das HarmoS-Konkordat bis hin zu der in die Vernehmlassung gegebene Betreuungsverordnung.
Familienpolitik ist Sache der Kantone und Gemeinden. Gemäss Art. 3 der Bundesverfassung sind die Kantone souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist. Die Kantone üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind. Im Bereich der Familienpolitik werden die Kompetenzen der Kantone lediglich durch Art. 116 der Bundesverfassung eingeschränkt. Dieser gewährt dem Bund die Kompetenz zum Erlass einer Mutterschaftsversicherung sowie zur Regelung der Familienzulagen. Der Bund verfügt aber über keine weiteren Kompetenzen im Bereich der Familienpolitik. Familienpolitik ist somit gemäss Kompetenzordnung in der Bundesverfassung Sache der Kantone.
Sie beschränkt die Rechte und Pflichten der Eltern und greift unverhältnismässig in deren Verantwortungsbereiche ein. Verwandten und Nachbarn wird die Fähigkeit zur Betreuung von Kindern grundsätzlich abgesprochen. Sie brauchen neu eine obligatorische Ausbildung und eine amtliche Bewilligung. Bewilligungsbehörden urteilen zuerst darüber, ob jemand fähig ist, eine Betreuungsaufgabe zu übernehmen oder nicht. Wer so in den ureigensten Verantwortungsbereich der Eltern eingreift und sie damit für inkompetent erklärt, hat jede Achtung vor einer familienbezogenen Betreuung der Kinder verloren. Er liefert die Kinder einem Heer von familienfeindlichen Betreuungsbürokraten aus. Die SVP lehnt eine solche Verordnung sowie weitere staatlich erzwungene Massnahmen wie etwa vom Bund subventionierte Kinderkrippenplätze oder eine zu frühe Einschulung von Kleinkindern entschieden ab.
Der Erziehungs- und Bildungsbereich wird in den letzten Jahren immer mehr theoretisiert und verschult. Für jeden normalen Beruf gibt es heute unzählige Weiterbildungsmöglichkeiten. Diese Akademisierung und Verschulung führt sehr oft weg von der Praxis und hat namentlich in der Pädagogenbranche eine Fülle von Bildungs- und Erziehungstheoretiker hervorgebracht, die nun nach einer Beschäftigung suchen. Auf der Suche nach weiteren Betätigungsfeldern scheinen sie mehr und mehr im Bereich der ausserschulischen Betreuung und Kindererziehung fündig zu werden. Genau diese Kreise sind federführend an der Ausarbeitung einer nationalen Kinderbetreuungsverordnung beteiligt gewesen, die nach dem Willen des Bundesrates massiv in die familiäre Eigenverantwortung eingreifen soll – dies freilich immer im unverdächtigen Namen einer «Professionalisierung» der Kinderbetreuung.
Unter dem Vorwand des «Kindeswohls» verlangte die von der Justizministerin im Sommer 2009 vorgelegte Vernehmlassung zur Betreuungsverordnung ausnahmslos von allen Eltern die Einholung einer staatlichen Bewilligung für sämtliche Personen – auch Tanten und Gotten –, die ihre Kinder wiederholt und auch einmal an den Wochenenden betreuen. Ausgenommen von dieser Bewilligungspflicht wären nur gerade die Grosseltern. Wie die Kindermädchen und Tagesmütter müssen aber auch sie den Behörden regelmässig Bericht über das Betreuungsverhältnis erstatten. In der Vernehmlassung wurde diese Betreuungsverordnung nicht nur von der SVP in der Luft zerrissen, der Geist, der jedoch darin zum Ausdruck kommt, stimmt mehr als bedenklich. In der Zwischenzeit wurde der erste Entwurf dieser Betreuungsverordnung vom Bundesrat an das Justizdepartement zurückgewiesen mit dem Auftrag einen neuen Entwurf auszuarbeiten.
In diesem 1. Entwurf und in vielen anderen Gesetzesvorlagen kommt zum Ausdruck, dass der Staat einen eigentlichen Kontrollapparat aufbaut, der von einem pauschalen Misstrauen gegenüber den Eltern zeugt. Es wird ihnen nicht mehr zugetraut, dass sie für ihre Kinder eine geeignete Tagesmutter einstellen können, was gleichzeitig Grundlage für einen entsprechenden Auftrag an eine staatlich besoldete Pädagogenindustrie ist. Der Entwurf beinhaltete, dass die Tagesmutter ihre Tätigkeit nur aufnehmen kann, wenn sie zunächst einen obligatorischen Einführungskurs besucht. Auch Verwandte müssten das tun, und zwar unabhängig davon, ob sie selbst Eltern sind oder nicht. Dieser bürokratische Moloch bewirkt eine eigentliche Aufblähung der staatlichen Pädagogenzunft unter gleichzeitiger Entmündigung der Eltern. Der Staat schreckt auch vor dem urprivaten Bereich der Familie nicht mehr zurück; er ist gefrässig geworden. Die SVP will im Gegensatz dazu die traditionelle Familie unterstützen und der staatlichen Einmischung Gegensteuer geben.
Allzu oft und leichtfertig wird die Kritik hervorgebracht, die SVP würde mit ihren Forderungen ein „rückwärtsgewandtes“ Familienmodell fördern. Die Forderung nach einem allgemeinen und umfassenden Kinderbetreuungsabzug hat jedoch nichts mit einer „Frau-an-den-Herd“ Ideologie zu tun. Auch Eltern, die sich beiderseits für eine Reduktion des Arbeitspensums entscheiden, oder Familien, welche die wertvolle und für Kinder nachhaltig Geborgenheit vermittelnde Betreuung durch Grosseltern nutzen, würden mit der vom Bund vorgesehenen Regelung massiv benachteiligt.
Betreuungskonzepte, die ohne zusätzliches Entgelt selbstverantwortlich gelebt werden – dürfen nicht zu Gunsten einer staatlich verordneten Betreuungsindustrie diskriminiert werden. Der mit der Initiative gewählte Ansatz ist damit auch sozialpolitisch modern und fördert den Stellenwert von Eigenverantwortung, Solidarität und Dienst an der Gemeinschaft.
Wenn Eltern ihre Kinder selbst erziehen, so ist dies ebenfalls als Dienst an der Allgemeinheit zu betrachten und konsequenterweise zu honorieren. Selbstverantwortliche Familien verzichten oftmals auf die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen in Form subventionierter Betreuungsangebote, sie erbringen die Erziehungsleistung selbst. Sie verzichten hierfür auf ein zusätzliches Erwerbseinkommen. Dafür steht ihnen im Minimum dieselbe Steuererleichterung wie Familien mit Fremdbetreuung zu.
Die SVP-Initiative regelt nur den Grundsatz in der Verfassung, dass wenn ein Fremdbetreuungsabzug gewährt wird, ein mindestens gleich hoher Eigenbetreuungsabzug gewährt wird. Auf Bundesebene bedeutet dies, dass der vom Parlament in der Herbstsession eingeführte Fremdbetreuungsabzug bei der direkten Bundessteuer in mindestens gleicher Höhe auch für die Selbstbetreuung gewährt wird. Die vorgeschlagenen Steuererleichterungen für den Fremdbetreuungsabzug bis max. Fr. 10’000.- pro Jahr führten zu Steuersenkungen von rund 360 Millionen Franken, davon entfallen 17% auf die Kantone. Gemäss Hochrechnungen würde ein Betreuungsabzug von rund Fr. 8’000.- bei den direkten Bundessteuern für alle Familien, unabhängig ob die Kinder fremd bzw. selber betreut werden, eine Steuersenkung von rund Fr. 400 Millionen zu Folge haben, auch davon entfallen 17% auf die Kantone. Damit ist klar, dass ein Betreuungsabzug für alle gut verkraftbar ist.
Die Familieninitiative überlässt es den Kantonen, ob sie überhaupt einen Steuerabzug gewähren wollen und wenn ja, wie hoch dieser sein soll. Die Kantone können auch gestaffelte Abzüge, d.h. beispielsweise für jedes weitere Kind pro Familie abnehmend, einführen. Einzige Bedingung der SVP-Initiative ist, dass, wenn Fremdbetreuungsabzüge gewährt werden, auch jenen Familien Abzüge ermöglicht werden, die ihre Kinder selber betreuen – unabhängig davon, wie sie sich in der Betreuung organisieren.
Die Erfinder der neuen Regelung – dass nur Fremdbetreuung steuerlich abzugsfähig sein soll – begründen dies damit, dass die Selbsterziehung von Kindern eine Leistung darstellt, welche eigentlich auch einem Einkommen entspricht (wenn es jemand Fremdes täte, würde dieser Geld bekommen und Steuern zahlen), welches aber nicht besteuert wird. Anders ausgedrückt: Es sei ungerecht, dass ein Doppelverdienerpaar mit Kindern für sein Doppeleinkommen mehr Steuern bezahlen muss, als eine Familie, in welcher nur ein Elternteil steuerliches Einkommen erzielt.
Wenn man diese Argumentation jedoch zulässt, wäre jede unbezahlte Tätigkeit (Kochen, Putzen, Rasenmähen, Einkaufen, Bügeln, Freiwilligenarbeit, soziale und karitative Tätigkeiten, Engagement in Vereinen usw.) automatisch ein fiktives Einkommen, welches eigentlich besteuert werden müsste. Dies stellt die Perversion des Steuergedankens dar: unser ganzes Leben wäre damit eine steuerbare Leistung.
Wenn die Ungerechtigkeit zu hoher Steuern beseitigt werden soll, dann sollte als erstes die Progressionsstrafe (Heiratsstrafe) konsequent aufgehoben werden (Vollsplitting). Es ist keine Lösung, eine bestehende Ungerechtigkeit (Progression bei Ehepaarbesteuerung) durch eine weitere, neue Ungerechtigkeit (Steuerabzug nur für Fremdbetreuung) ausgleichen zu wollen.