Die SVP hat heute anlässlich einer Medienkonferenz ihr neues gesundheitspolitisches Grundlagenpapier unter dem Titel „Krankes Gesundheitswesen in der Schweiz?“ vorgestellt. Unser Gesundheitswesen krankt in verschiedener Hinsicht. Insbesondere eine Vielzahl von Regulierungen und Fehlanreizen haben in den letzten Jahren zu einer enormen Kostenexplosion und damit zu massiv steigenden Prämien geführt. Die SVP macht konkrete Vorschläge, wie Wettbewerb und Eigenverantwortung im Gesundheitswesen gestärkt werden können. Die Mengenausweitung sowie Quersubventionierungen und ineffiziente Umverteilungen sind zu stoppen. Zudem ist die Rolle der Kantone im Gesundheitswesen zu klären.
Seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) mit dem Versicherungszwang im Jahre 1996 haben sich die Gesamtkosten für die Gesundheit in der Schweiz von 37 Mia. CHF auf rund 62 Mia. CHF, d.h. um +67%, erhöht. Die Prämien haben sich in diesem Zeitraum für Erwachsene über 26 Jahren mehr als verdoppelt (+120%), jene für junge Erwachsene zwischen 19 und 25 Jahren verdreifacht. Die SVP akzeptiert diese Entwicklung nicht und bringt deshalb erneut konkrete Vorschläge in die politische Diskussion ein.
Politische Diskussion ohne Tabu
Da Gesundheit für jeden etwas Persönliches und Wichtiges ist, gehen die Emotionen auch bei der Diskussion über die politischen Rahmenbedingungen hoch. Die SVP scheut eine ehrliche Debatte und neue Lösungsansätze nicht. Wer sich einer solchen verweigert und ehrliche Fragen oder Analysen der Probleme tabuisiert, der muss auch weiter steigende Kosten und Prämien hinnehmen, wenn nicht gar mitverantworten. Für die SVP stehen folgende fünf Ansatzpunkte für Verbesserungen und eine verstärkte Kotenkontrolle in unserem Gesundheitswesen im Vordergrund:
- Wettbewerb und Vertragsfreiheit müssen auch im Gesundheitswesen als Grundprinzipien wirken und daher gestärkt werden;
- Die Eigenverantwortung der Versicherten, d.h. auch deren Kostenbeteiligung muss erhöht und eine übertriebene Anspruchshaltung unterbunden werden;
- Die Mengenausweitung bei den versicherungsgedeckten Leistungen muss gestoppt werden;
- Quersubventionierungen und Umverteilungen innerhalb des Systems müssen aufgehoben werden;
- Die Rolle der Kantone ist neu zu definieren und auf wesentliche Aufgaben der Aufsicht und Kontrolle zu beschränken.
Ziel muss sein, die hohe Qualität der Gesundheitsversorgung in der Schweiz zu erhalten und zu verbessern sowie gleichzeitig wirksame Massnahmen zur Kontrolle der Kosten zu schaffen. Es muss verhindert werden, dass die unter dem aktuellen System sich unaufhaltsam drehende Kostenspirale die gesamte Gesundheitsversorgung dereinst unbezahlbar macht und zum Kollaps führt. Auch Scheinlösungen mit noch mehr Regulierungen und Zwängen bis hin zur Verstaatlichung des ganzen Gesundheitswesens (z.B. Forderung nach einer Einheitskasse), wie sie von linker Seite propagiert werden, können diese Kostenspirale nicht durchbrechen. Die SVP wird sich an der Suche nach einer tauglichen Medizin für unser Gesundheitswesen beteiligen, selbst wenn diese hin und wieder ein bisschen bitter schmecken sollte.
Für die SVP stehen derzeit folgende Lösungsansätze im Vordergrund:
Finanzierung
- Die Finanzierung des Gesundheitswesens erfolgt vorwiegend über die Krankenkassen (Prämien), Kostenbeteiligungen der Versicherten und Steuergelder. Sie muss transparent ausgestaltet sein;
- Die Finanzierung über Steuergelder darf keine falschen Anreize setzen (z.B. zur Senkung von Prämien oder Kostenbeteiligungen dienen);
- Prämien müssen zwingend kostendeckend sein;
- Prämienrabatte jeglicher Art müssen auf effektiv ausgewiesenen Kosteneinsparungen beruhen;
- Prämienquersubventionierungen zwischen verschiedenen Geschäftssparten oder Produkten einer Kasse jeglicher Art sind zu unterbinden;
- Prämienrabatte werden nicht vorgängig, sondern am Ende eines Kalenderjahres als Überschussbeteiligungen ausbezahlt;
- Entlastung der jungen Familien mit Kindern sowie der jungen Erwachsenen in Ausbildung durch die Einführung von mindestens zwei zusätzlichen Altersklassen;
- Anpassung sowie grundsätzliche und regelmässige Überprüfung des Leistungskatalogs der obligatorischen Krankenpflegeversicherung;
- Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene sollten ausserhalb des KVG-Systems und direkt auf Kosten des Bundes bzw. der Kantone behandelt werden;
- Allfällige negative Auswirkungen der infolge von Personenfreizügigkeits- oder Sozialversicherungsabkommen stark steigenden Anzahl ausländischer Patienten müssen mit geeigneten Massnahmen bekämpft werden.
Eigenverantwortung
- Prämienrabatte für Wahlfranchisen sind im Verhältnis des effektiven Krankheitsrisikos der jeweiligen Altersklasse festzulegen. Dabei sollten höhere Altersklassen höhere Rabatte sowie höhere Franchise-Obergrenzen erhalten können;
- Versicherte können die von ihnen gewählten Franchise nur alle 3 Jahre wechseln;
- Anhebung des Höchstbetrages des Selbstbehalts von CHF 700 auf CHF 1’400;
- Es ist zu prüfen, ob eine Erhöhung der Kostenbeteiligung (insbesondere der Franchise) in Kombination mit einer Leistungskostenübernahme anstatt der Prämienverbilligungen die Prämiensteigerung zugunsten von mehr Eigenverantwortung stoppen könnte;
- Das Versicherungsobligatorium sollte im Idealfall aufgehoben werden können. Die SVP hatte bereits im Zusammenhang mit dem neuen KVG auf die kostentreibende Wirkung eines Obligatoriums hingewiesen. Dessen Aufhebung ist heute indes nicht mehrheitsfähig. Solange dies nicht möglich ist, muss darauf geachtet werden, dass der Umfang der obligatorischen Leistungen deutlich eingeschränkt und auf das Notwendige begrenzt werden kann.
Wettbewerb
- Strikte Ablehnung der Idee einer Einheitskasse;
- Abschaffung des Vertragszwangs zwischen Leistungserbringern und Krankenversicherern;
- Der Staat (Bund und Kantone) ist primär Aufsichts- und Bewilligungsbehörde. Er hat sich auf diese Aufgabe zu konzentrieren und weitere Eingriffe am Markt zu unterlassen. Insbesondere hat er seine Mehrfachrolle aufzugeben;
- Verpflichtung der Kantone, sich im Rahmen der neuen Spitalfinanzierung an die Zielsetzung der neuen Gesetzgebung zu halten.
Bern, 11. Juli 2012