Gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft würde das sektorielle Einkommen mit einem Agrarfreihandelsabkommen (FHAL) um 33% sinken. Nach den Berechnungen des Schweizerischen Bauernverbandes ginge es…
Walter Willener, Grossratspräsident, Auvernier (NE)
Gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft würde das sektorielle Einkommen mit einem Agrarfreihandelsabkommen (FHAL) um 33% sinken. Nach den Berechnungen des Schweizerischen Bauernverbandes ginge es gar um 50% zurück. Die zweite Zahl erscheint, angesichts der sinkenden Produktionspreise in der Europäischen Union, ohne Zweifel plausibler.
Ein Agrarfreihandelsabkommen bedeutet für die Landwirtschaft somit eine wahre Katastrophe. Ganze Produktionsbereiche sind bedroht. Vor allem die Kulturen, die viele Arbeitskräfte benötigen wie der Obst- und Gemüseanbau oder der Rebbau, sind praktisch chancenlos gegenüber den Einfuhren aus europäischen Ländern, wo die Entlöhnung und die sozialen Bedingungen der Angestellten entscheiden tiefer sind. Generell hätte die pflanzliche Produktion wie der Getreide- oder Kartoffelanbau mit wenig veränderten Produkten keinen Platz mehr in einem offenen und liberalisierten Markt. Der Bundesrat gesteht diese Situation in seinem Bericht von März 2008 über die Sondierungsgespräche ein und kündigt an, dass 20’000 Hektaren Kulturland neu als ökologische Ausgleichsflächen bereitgestellt und so ihrem primären Zweck, der Produktion von Nahrungsmitteln, entzogen würden. Wenn man bedenkt, dass es auf der Welt stündlich 8000 neue Münder zu füttern gibt, ist es auch in der Schweiz essenziell, eine Landwirtschaft zu erhalten, die der einheimischen Bevölkerung eine genügende Kalorienzufuhr garantieren kann.
Was die Strukturen angeht, erachten wir es als unverantwortlich, die Hälfte der Landwirtschaftsbetriebe bis 2016 verschwinden zu lassen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie wir sie jetzt erleben, stellt die Landwirtschaft mit ihren Arbeitsplätzen einen Stabilitätsfaktor dar. Deshalb ist es wichtig, ein starkes und diversifiziertes Agrarnetz zu erhalten. Praktisch alle Betriebskategorien sind bedroht:
Die Grossbetriebe in der Westschweiz mit vorwiegend pflanzlicher Produktion, die kleinen Betriebe mit intensiver Produktion in der Deutschschweiz oder die zahlreichen Betriebe in den Bergregionen, die als Produzenten auch an Bedeutung verlieren werden.
In der Schweiz sind der Entwicklung der Strukturen auch Grenzen gesetzt, etwa aus Gründen der Topographie und der verfügbaren Arbeitskräfte. Bereits heute überleben viele Betriebe nur dank Zusatzeinkommen. Diese werden vielfach von der Bäuerin erwirtschaftet, die auswärts einer Arbeit nachgeht und zusätzlich noch Aufgaben im Landwirtschaftsbetrieb übernimmt.
Ein Wort noch zu den berühmten Begleitmassnahmen, die der Bundesrat vorsieht. Wir stellen fest, dass die vorgeschlagene Schaffung einer Bilanzreserve für die Landwirtschaft einen wahren Blankoscheck darstellt. Es gibt keinerlei Garantien, dass dieses Geld je eingesetzt werden kann. Wenn ja, würde die Ausgabenbremse entweder neue Einnahmen (Erhöhung der MWST) oder neue Sparmassnahmen nötig machen. Das Opfer wäre wiederum die Landwirtschaft.