Ist die Schweizer Armee in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen? Wer kann das heute sagen, wo man sie mit allem und jedem beauftragt? Um die Frage zu beantworten, muss man wissen, welches die wirkliche
Ist die Schweizer Armee in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen? Wer kann das heute sagen, wo man sie mit allem und jedem beauftragt? Um die Frage zu beantworten, muss man wissen, welches die wirkliche Aufgabe ist, die unser Land dieser Institution übertragen hat. Dabei kann hilfreich sein, Art. 58 unserer Bundesverfassung wieder einmal zu lesen. Was steht darin?
Art. 58 Armee
1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2 Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Die unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3 Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes. …
Die Rückbesinnung auf den Ursprung ist dringend nötig in einer Zeit, in der unsere Soldaten vor Botschaften Wache schieben, bei grossen Sportanlässen für die Sicherheit der Schlachtenbummler sorgen oder sich aus Langeweile bisweilen tödliche Herausforderungen einfallen lassen.
Misst man die Armee an ihrer Kernaufgabe, so ist sie heute nicht in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen. Diese Tatsache muss endlich als Realität anerkannt werden, auch wenn es schwer fällt, sie zu akzeptieren. Man könnte uns angesichts unserer Skepsis hinsichtlich der Entwicklung der letzten Jahre vorwerfen, diese Kritik sei böswillig und unbegründet. Die Feststellung stammt aber nicht von uns, sondern vom früheren Armeechef Christophe Keckeis, der kurz vor seinem Rücktritt eine Diagnose gestellt hat, die eindeutiger nicht sein könnte: Ohne internationale Zusammenarbeit ist unsere Armee nicht fähig, ihren Auftrag zu erfüllen. Vielleicht hat Christophe Keckeis etwas übertrieben, um so mehr als die internationale Zusammenarbeit vielen Politikern und einigen Militärs als neuer Rettungsanker dient; es ist aber eine Tatsache, dass die Armee gegenwärtig nicht einsatzbereit ist. Die Armeestabsrahmenübung „Stabilo“ hat aber eindeutig gezeigt, dass es zahlreiche stark beunruhigende Mängel gibt. Positiv ist zu vermerken, dass die Armee immer noch in der Lage ist, ihre Fähigkeiten zu überprüfen und ihre Probleme klar zu erkennen. Das sollte uns optimistisch stimmen. Probleme festzustellen und anzuerkennen ist der erste Schritt bei der Suche nach Lösungen.
Welches sind diese Lösungen?
Als Erstes muss sich die Ausbildung unserer Soldaten unbedingt wieder auf den Kernauftrag unserer Armee konzentrieren, die, wie wir gesehen haben, lautet: den Krieg zu verhindern und den Frieden aufrecht zu erhalten und sodann, falls nötig, das Land und seine Bevölkerung zu verteidigen. Die Ausbildung muss es unseren Einheiten unabhängig von ihrer Grösse erlauben, nicht mehr nur auf die wahrscheinlichsten, sondern auf die ungünstigsten Szenarien vorbereitet zu sein. Sich auf das Schlimmste vorzubereiten, auch wenn es möglicherweise nie eintrifft, ist das einzige Mittel, um für alle Situationen gewappnet zu sein. Ich höre unsere Gegner schon spotten über diese angebliche Rückkehr zur Reduit-Politik, zur guten alten Armee unserer Grossväter, zum Gewehr bei Fuss an der Grenze. Man kann tatsächlich argumentieren, mit einem konventionellen Angriff sei in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Wenn uns die Welt, in der wir leben, aber etwas lehrt, so ist es das enorme Tempo, mit dem sich die Dinge ändern. Wer hat schon den Krieg auf dem Balkan vorhergesehen?
Die Kader müssen wieder die volle Verantwortung für die Führung ihrer Truppen übernehmen, und diese bindet die Ausbildung an den Einsatz. Wird die Ausbildung von der Führung getrennt, ergeben sich zwei verschiedene Verantwortlichkeiten, was bedeutet, dass letztlich jede Verantwortung aufgehoben wird. Bei Problemen wird sich derjenige, der führt, über die schlechte Ausbildung seiner Soldaten beklagen, während derjenige, der ausbildet, der schlechten Führung die Schuld geben wird. Unser Milizsystem gründet auf der individuellen Verantwortung, vom Rekruten bis zum Armeechef. Diese Verantwortung kann nur wahrgenommen werden, wenn sie klar definiert ist. Der Soldat ist für sein Verhalten verantwortlich, der Vorgesetzte für die Befehle, die er erteilt.
Man muss wieder wegkommen vom Konzept des Aufwuchses. Angesichts der jüngsten Erfahrungen mit Konflikten, namentlich jenem in Georgien, ist es illusorisch zu glauben, ein entschlossener Gegner werde uns Zeit lassen, in aller Ruhe Stellung zu beziehen. Aufgrund unserer Landestopografie sind Truppenverschiebungen stark von bestimmten strategischen Passagen abhängig. Ein erfolgreicher Schlag gegen eine Brücke oder einen Passübergang würde eine Armee, die noch dabei ist, ihre Stellungen zu beziehen, auf gefährliche Weise desorganisieren. Darüber hinaus hat der Aufwuchs einen verheerenden Einfluss auf die Truppe, weil er vorgibt, im Fall von Problemen bliebe genügend Zeit – es bliebe also auch Zeit, um sich vorzubereiten. Weshalb sollte man sich unter diesen Umständen den oft harten Übungen unterziehen? Besser abwarten, ob etwas geschieht, und dann erst entsprechend handeln. Das Problem ist nur, dass je nach Umständen keine Zeit bleibt. Morgen mit dem Aufwuchs zu beginnen, heisst vor allem heute ohnmächtig zu sein. Das wollen wir nicht!
In Bereitschaft zu sein, ist anspruchsvoll. Jeder Soldat, wo immer er im Einsatz steht, muss wissen, was wie zu tun ist. Um eine hohe Leistungsbereitschaft der Truppe aufrechtzuerhalten, muss zum Einjahresrhythmus bei den Wiederholungskursen zurückgekehrt werden. Das Leistungsniveau, das notwendig ist, um den von Art. 58 unserer Bundesverfassung vorgegebenen Auftrag zu erfüllen, kann nur mit seriösen und regelmässigen Übungen aufrechterhalten werden. Es ist vollkommen unsinnig, die Wiederholungskurse in längeren Abständen abzuhalten, während Technik und Bewaffnung immer komplexer werden. Der Abbau der Truppenbestände, wird uns gesagt, sei durch leistungsfähigeres Material kompensiert worden. Schön und gut, aber man sollte dann auch wissen, wie man dieses einsetzt. Umso mehr als Komplexität nicht automatisch auch Effizienz bedeutet. Irak und Afghanistan liefern dafür eindrückliche Beispiele. Die Taliban mit ihren veralteten Raketenwerfern und ihren einfachen Kalaschnikows schlagen sich gegenüber den oft professionellen und besser ausgerüsteten Truppen beachtlich und werfen ihre Gegner zurück. Einsatz und Kenntnis des Terrains haben schon immer den Ausschlag gegeben. Die Geschichte ist reich an Lektionen. Es ist an der Zeit, daraus die notwendigen Lehren zu ziehen. Daran will sich die SVP halten.
Nachdem wir einen unerfreulichen Zustand der Armee geschildert haben, stellen wir Ihnen nun die zehn Forderungen der SVP vor, mit welchen die Schweizer Armee ihren Auftrag wieder erfüllen können soll.