Aus Sicht der SVP können wir insgesamt eine positive Bilanz der Wahlen der letzten Wochen ziehen. Insbesondere in den Kommunalwahlen in den Kantonen Freiburg und Waadt ist es gelungen, unseren…
Referat von Nationalrat Ueli Maurer, Präsident SVP (ZH)
Aus Sicht der SVP können wir insgesamt eine positive Bilanz der Wahlen der letzten Wochen ziehen. Insbesondere in den Kommunalwahlen in den Kantonen Freiburg und Waadt ist es gelungen, unseren Wähleranteil mehr als zu verdoppeln. In verschiedenen neuen Gemeindeparlamenten nimmt die SVP erstmals und gerade in Fraktionsstärke Einsitz. Da und dort wurden mehr SVP-Kandidaten gewählt, als Namen auf der Liste aufgeführt waren. Die SVP übernimmt damit zunehmend auch in der Westschweiz die führende Rolle im bürgerlichen Lager. Auch in Obwalden und Nidwalden konnte der Wähleranteil vergrössert werden. In den Gemeindewahlen im Kanton Zürich ist die SVP als einzige der grossen Parteien insgesamt gewachsen, auch wenn einige Medien in freudiger Erregung vorerst versuchten, das Gegenteil darzustellen.
Für mich ist die Zwischenbilanz nach Legislaturhalbzeit insgesamt erfreulich. Es ist uns gelungen, auf dem erreichten hohen Niveau zu stabilisieren und weiter zu wachsen. Allerdings besteht für Selbstzufriedenheit oder fürs Zurücklehnen keinerlei Grund. Die Resultate müssen vielmehr Motivation sein, den Auftrag, den uns die Wähler erteilt haben, mit noch mehr Kraft und Engagement umzusetzen. Unser Land braucht eine noch schlagkräftigere SVP. Die Schwäche der anderen bürgerlichen Parteien muss für uns Verpflichtung sein, sich noch leidenschaftlicher für eine bürgerliche Schweiz einzusetzen. Das muss uns von den anderen politischen Parteien unterscheiden: Wir kämpfen mit Begeisterung und Leidenschaft für eine bessere Schweiz – für mehr Schweizer Qualität.
Unverantwortliche Finanzpolitik
Zur Schweizer Qualität gehört unter anderem, den Haushalt in Ordnung zu halten und nicht mehr auszugeben als einzunehmen. Eine einfache und verständliche Faustregel würde man meinen. Doch davon sind die Mehrheiten der anderen Parteien in den letzten Jahren immer mehr abgewichen und haben ihr verschwenderisches und unverantwortliches Finanzgebaren jeweils auch noch als grossen Erfolg gefeiert. Jetzt, da die Politik der SVP zunehmend Bremswirkung erzielt, wirft man uns vor, den Fortschritt zu verhindern. Es ist unglaublich, wie selbst besonnene Kräfte und Medien ins Klagelied einstimmen und sich unkritisch am Ruin unseres Landes beteiligen. Eigentlich sollte man uns dankbar sein, wenn wir die anderen vor dem sicheren Schritt in den Abgrund bewahren. Obwohl Steuerbelastung, Abgaben und Gebühren massiv gestiegen sind, wachsen die Schulden ungebremst weiter. Wir bescheren unseren Kindern einen finanziellen Scherbenhaufen.
Nicht desto trotz hat das Parlament in der vergangenen Frühjahrssession beschlossen, eine weitere, zusätzliche Milliarde – immerhin Eintausend Millionen – an die neuen EU-Ostländer auszuschütten. Dass der Betrag aber weder kompensiert noch im neuen Osthilfegesetz genau beziffert wird, ist für die SVP nicht akzeptabel. Bundesrat und Parlament haben nicht nur finanzpolitisch versagt, sondern auch mehrfach die eigenen Versprechen gebrochen. So geht man mit dem Volk nicht um. Diese Gründe haben uns bewogen, die Milliarde zu bekämpfen und bereits in der Frühjahrssession die Vorbereitungen für das Referendum gegen das Osthilfegesetz an die Hand zu nehmen.
Ein finanzpolitisches Referendum
Anfangs 2004 gerieten die damals hängigen Verhandlungen der Bilateralen Verträge II und der Personenfreizügigkeit ins Stocken. Man war sich uneins bezüglich des Bankkunden-Geheimnisses und stritt sich um die Auslegung der Bedingungen für die Amtshilfe im Schengener Vertrag. Bei der Personenfreizügigkeit war man wegen der Übergangsfristen im Clinch. Zudem machte die EU auch noch mit unsäglichen Grenzkontrollen wegen Zöllen auf Re-Exporten Druck auf die Schweiz. Und schliesslich lag da auch noch die – zwar noch unbezifferte – Forderung der EU nach Kohäsionszahlungen in der Luft. Diesbezüglich hatten die aussenpolitischen Kommissionen bereits zu beginn der bilateralen Verhandlungen erklärt, solche Zahlungen kämen nicht in Frage.
Auch die Bundesräte Calmy-Rey und Deiss beteuerten Anfangs April 2004, die Frage über Zahlungen in den EU-Kohäsionsfonds würden erst nach Abschluss der Bilateralen II geregelt. Doch dann kam der spendierfreudige Bundesrat auf die Idee, die Probleme mit der EU mit dem Scheckbuch zu lösen. Genauso wie dies während den letzten 15 Jahren auch hierzulande üblich war. So versprach unsere Aussenministerin schliesslich bereits Ende April – offenbar am Telefon – dem EU-Kommissar Chris Pattern eine Milliarde Franken. Das segnete die bundesrätliche Mehrheit dann zwei Wochen später, am 12. April, auch offiziell ab. Danach konnten die Bundesräte Calmy-Rey und Deiss euphorisch nach Brüssel reisen und dort am 19. Mai bei Champagner den geschmierten Durchbruch der bilateralen Verträge feiern.
Ob es bei dieser Reise auch dem weiteren Begleiter, dem Verwalter der verschuldeten Staatskassen, nach Champagner zumute war, lässt sich rückblickend nicht mehr eruieren: Bundesrat Merz jedenfalls hatte zuvor vergeblich versucht, seinen Mitregenten zu erklären, dass eine Zahlung an Brüssel von über 100 Millionen pro Jahr nicht vertretbar sei und aus finanzpolitischen Gründen nicht gesprochen werden dürfe. Daraufhin versprachen Bundesrätin Calmy-Rey und Bundesrat Deiss diese Milliarde je zur Hälfte in ihren Departementen zu kompensieren. Heute ist dieses Versprechen aber nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem der damalige bundesrätliche Beschluss festgehalten wurde. Von einer vollumfänglichen Kompensation kann keine Rede mehr sein. Der Bundesrat möchte etwas bei der Osthilfe sparen und er will prüfen, ob die Erträge aus dem Zinsbesteuerungsabkommen herangezogen werden können.
In seiner Botschaft zu den Bilateralen II hatte der Bundesrat auf Seite 6211 noch geschrieben, dass die der Schweiz zufallenden Einnahmen aus dem Zinsbesteuerungsabkommen für die pauschale Abgeltung des Erhebungsaufwandes gedacht sind. Dieses Geld steht also nicht mehr zur Verfügung. Herr Deiss mag es – so hat er sich in der Sonntagszeitung geäussert – seltsam und kleinkariert finden, wenn man auf einer Kompensation herumhackt. Doch gerade unser Wirtschaftsminister müsste eigentlich am besten wissen, dass gesunde Staatsfinanzen und saubere Zahlungsmodalitäten die wichtigsten Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft sind. Uns noch tiefer in die Schuldenwirtschaft zu reiten, finde ich nicht nur kleinkariert, sondern schlicht verantwortungslos.
Dass die bundesrätliche Zusage der Milliardezahlung erst den so genannten Durchbruch bei den Bilateralen ermöglicht hat, ist offensichtlich und allseits bekannt. Trotzdem liess der Bundesrat die Zahlungen strikte nicht als Mitgift gelten und er wies unsere diesbezüglichen Hinweise immer weit von sich. Der Beitrag entspreche lediglich kontinuierlicher schweizerischer Solidarität gegenüber Europa. Es gebe keinerlei rechtlichen oder gar politischen Zusammenhang, weder mit den Bilateralen Verträgen II, noch mit dem Abkommen über die Personenfreizügigkeit. Auch das tönt heute ganz anders: Bundesrat Deiss erklärte in der Sonntagszeitung, dass ein Nein zu diesen Kohäsionszahlungen den bilateralen Weg gefährden würde. Einzelne EU-Länder könnten den Schengen-Vertrag nicht ratifizieren. Bleibt die Frage, wann Herr Deiss nun gelogen hat: Damals oder heute?
Zahlen ohne Ende
Offenbar ist man sich in Brüssel sicher, dass sich die Schweiz auch beim Beitritt weiterer Länder in die EU solidarisch zeigen wird. Bei den Verhandlungen über den Beitritt von Rumänien und Bulgarien wurde von einigen Hundert Millionen gesprochen, die bei der Schweiz eingefordert werden. Bundesrätin Calmy-Rey hat weitere Zahlungen bei der künftigen EU-Erweiterung denn auch nie ausgeschlossen. Mit dem Osthilfegesetz soll eine Pipeline nach Brüssel eingerichtet werden. Es ist zu erwarten, dass diese längerfristig und bei künftigen EU-Erweiterungen ohnehin regelmässig fliessen wird.
Seit 1990 hat das Parlament insgesamt 3,4 Mia. Franken für die Osthilfe bereitgestellt und in jährlichen Zahlungen in osteueropäische und in Länder der GUS geschickt. Diese Länder sind heute zum Teil Mitglieder der EU. Die EU hat für den Beitritt dieser Länder den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbau in diesen Ländern zur Bedingung gemacht. Neben der Osthilfe sollen nun diesen Ländern auch noch Zahlungen im Rahmen unserer Kohäsionsmilliarde zukommen. Die Schweiz soll doppelt zur Kasse gebeten werden und zum Teil Länder subventionieren, welche in den letzten Jahren Wachstumsraten hatten, von denen wir nur träumen können. Aber solange wir Milliardenbeträge verschenken, ohne zu wissen, wo und wie wir dieses Geld wieder einsparen können, müssen wir uns nicht fragen, weshalb es bei uns nicht möglich scheint, auch nur ein minimales Wirtschaftswachstum zu generieren.
Unhaltbare Einmischung
Das Vorgehen von Bundesrat und Parlament beim Osthilfegesetz ist nicht nur Beispiel dafür, wie in Bern die Dinge kurzerhand zurechtgebogen werden wie es gerade passt. Die SVP hat sich bereit erklärt, die Kohäsionsmilliarde zu schlucken unter der Bedingung, dass sie erstens vollumfänglich kompensiert wird und es zweitens bei dieser Milliarde bleibt. Der Bundesrat und das Parlament haben trotz Beteuerungen keine dieser Bedingungen eingehalten.
Wenn Volk und Parlament künftig also nichts mehr zu solchen Kohäsionszahlungen sagen können, so ist es nur Rechtens, dass sie dies wenigstens jetzt tun können. Unser demokratisches System lebt von der Kontrolle durch das Volk, welche durch die Referendumsmöglichkeit gegeben ist. Nur weil die SVP von ihrem demokratischen Recht, das Referendum zu ergreifen, Gebrauch macht, steht es Bundesrat Deiss nicht zu, unsere Partei frontal anzugreifen und derart zu verunglimpfen, wie er dies in der Sonntagspresse getan hat. Herr Deiss scheint ein sehr gestörtes Verhältnis zu den demokratischen Rechten des Volkes zu haben. Hoffen wir, dass seine böse Entgleisung einmalig ist und bleibt.
Herr Deiss beweist damit einmal mehr, dass sich Bundesräte bereits vor dem eigentlichen Abstimmungskampf in Vorlagen einmischen und damit kaum mehr wettzumachende Ungleichheiten schaffen. Ein solches Vorgehen ist nicht nur jenseits von Gut und Böse, sondern noch weiter entfernt von einer objektiven Informationspflicht des Bundesrates. Bundesrat Deiss zeigt damit, dass sich der Bundesrat gegenüber der EU offensichtlich mehr verpflichtet fühlt als gegenüber dem eigenen Volk. Herr Deiss wäre gut beraten, etwas mehr Zurückhaltung zu üben. Das gleiche gilt an die Adresse des deutschen Botschafters in der Schweiz. Drohungen an die Adresse der Bevölkerung sowie die Einmischung in unser Steuersystem lassen wir uns nicht gefallen, auch wenn wir uns diesbezüglich schon einiges gewohnt sind.