Aufruhr herrschte im Land der Eidgenossen im Nachgang zu einem Parteitag der SVP, der am 4. März 2000 in Altdorf zum Thema Sozialversicherungen…
von Nationalrat Hermann Weyeneth, Jegenstorf (BE)
Aufruhr herrschte im Land der Eidgenossen im Nachgang zu einem Parteitag der SVP, der am 4. März 2000 in Altdorf zum Thema Sozialversicherungen durchgeführt wurde. Der Grund zu dieser Aufregung war ein Antrag eines Delegierten, in die Überprüfung der zu treffenden Massnahmen zur Sanierung der Sozialwerke auch eine Erhöhung der Altersgrenze in die Diskussion mit einzubeziehen.
Schon bald aber wich die Aufregung einer nüchternen Betrachtung der sich verschärfenden Probleme bezüglich der finanziellen Lage und Perspektiven unserer Sozialwerke.
Die im Anschluss an diesen Parteitag innerhalb der SVP erarbeiteten Grundlagen für ein Konzept zur Sicherung der Sozialwerke vom Mai 2000 sieht von einer Erhöhung der Altergrenze klar ab und schlägt eine Paket von Massnahmen vor, die zur Sicherstellung der Finanzierung ohne Erhöhung der Mehrwertsteuer bis zum Jahr 2015 ausreicht. Dieses Konzept gilt für die SVP auch heute noch in allen Teilen und stützt unsere Haltung im Hinblick auf die beiden Vorlagen, über die am 16.Mai 04 abgestimmt wird:
Ja zur 11. AHV-Revision und
Nein zur Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Die finanzielle Situation der Sozialversicherungen:
Die Invalidenversicherung (IV)
Am dramatischsten ist die finanzielle Lage bei der Invalidenversicherung. Im Jahr 2002 lag das Defizit der Jahresrechnung bei Einnahmen von 8,8 Milliarden und Ausgaben von 10 Milliarden bei 1,2 Milliarden Franken. Trotz der Entnahme von 2,2 Milliarden aus dem Fond der EO dürfte die Unterdeckung der IV nach Schätzungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen Ende 2004 bei 6 Milliarden liegen.
Grund dieses sprunghaften Anstiegs liegt in der jährlich ansteigenden Anzahl an IV-Rentenbezügern. Die Zunahme der Fälle liegt im Durchschnitt der letzten 10 Jahre bei 3,5%. Diese Wachstum kann weder nur auf das Phänomen der Alterung der versicherten Bevölkerung zurückgeführt werden, noch als eine direkte Folge der schwachen Konjunktur betrachtet werden: Die Wahrscheinlichkeit der Invalidisierung ist seit 1992 in allen Altersklassen gestiegen. Einer der Gründe dieser überproportionalen Zunahme liegt wie bei den Krankenkassen in der Erweiterung des Leistungskataloges, sowie in der wachsenden Begehrlichkeit des Einzelnen auf Leistungen der öffentlichen Hand.
Soll dieser Anspruchsmentalität nicht entgegengewirkt werden und soll der Leistungskatalog nicht eingeschränkt werden, wofür die SVP eintritt, so ist der Mittelbedarf zu erhöhen. Dies hat jedoch nicht über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu erfolgen, sondern sind über eine Erhöhung der Lohnprozente der Versicherten bereitzustellen. Es handelt sich nicht um ein Problem der Überalterung der Bevölkerung wie bei der AHV, sondern zum grossen Teil um Probleme des Arbeitsmarktes, die auf dem Buckel der IV gelöst werden.
Übersicht über die Ergebnisse der Betriebsrechnungen (in Mio. Fr.):
Einnahmen | Ausgaben | Saldo | |
AHV | 28903 | 29095 | – 192 |
IV | 8775 | 9964 | – 1189 |
EO | 662 | 692 | – 30 |
ALV | 6969 | 4966 | 2003 |
Die Fonds der einzelnen Versicherungen verfügen über folgende Mittel:
AHV | in Mio. Fr. | 23 067 | = 79,2% Gesetz verlangt Mindestbestand 70% |
IV | -4 503 | ||
EO | 3 545 | ||
ALV | 2 283 |
Kommentar
Die Reserven bei der AHV nähern sich zunehmend der gesetzlichen Mindestreserve.
Die von der SVP erhobenen Forderungen zu einnahmeseitigen Verbesserungen sind noch lange nicht alle eingeführt. Die Zinserträge aus den Goldverkäufen werden zur Zeit nach dem gängigen Schlüssel der Nationalbankgewinne zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt. Nach wie vor beansprucht der Bund 17% des 1999 um ein Prozent angehobenen Mehrwertsteuersatzes als eigenen Beitrag, statt diese Mehreinnahmen vollumfänglich der AHV zukommen zu lassen.
Mit der 11. AHV-Revision werden Mehreinnahmen beziehungsweise Minderausgaben von 925 Mo. Fr. jährlich realisiert. Die Revision wird von der SVP vollumfänglich mitgetragen und unterstützt. Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um ein Prozent lehnt die SVP ab. Sie beharrt auf dem von ihr seit dem Jahr 2000 vorgeschlagenen Korrekturen. Hiervon sind Teile in der 11. AHV-Revision realisiert.
Ehe die Goldfrage, die Frage der vollen Zuwendung des Mehrwertsteuerprozentes aus der Erhöhung 1999 und der Einsatz der Erträge aus den Spielkasinos nicht geregelt sind (und dies im Sinne des Mitteleinsatzes zu Gunsten dieses Sozialwerkes), ist die SVP nicht bereit, einer weiteren Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Zeit zu zustimmen (vorgesehene Einführung 2009 !). Die Erfahrung lehrt uns, dass kurz nach der Schaffung der Voraussetzungen für eine Steuererhöhung, diese auch eingeführt wird.
Am wirkungsvollsten wird die Situation bei der AHV durch ein verbessertes Wirtschaftswachstum gefördert. Jede fiskalische Mehrbelastung führt zum Abbau von Arbeitsplätzen. Ein vom Bundesrat im Zusammenhang mit dem Entlastungsprogramm 03 eingeholtes Gutachten berechnet die Folge einer Mehrwertsteuererhöhung um 1% mit einem Abbau von 15000 Arbeitsplätzen in der Wirtschaft. Ein zusätzliches Wachstum der Wirtschaft von 3% bringt eben so viel Mehrerträge wie eine Mehrwert-steueranhebung um 1%. Hier ist der Hebel anzusetzen.