Seit 1980 nimmt die Zahl der Personen, die eine Invalidenrente beziehen, konstant zu. Die Schweiz ist das Land mit dem höchsten…
Seit 1980 nimmt die Zahl der Personen, die eine Invalidenrente beziehen, konstant zu. Die Schweiz ist das Land mit dem höchsten Anteil an Invalidenrentenbezüger. Ihre Zahl ist von 175 000 im Jahr 1992 auf 271 000 im letzten Jahr gestiegen. Das will heissen, dass unterdessen eine Person von 20 im erwerbsfähigen Alter eine Invalidenrente bezieht.
Diese konstante Zunahme in den letzten Jahren hat zu einer dramatischen Verschlechterung der finanziellen Lage der Invalidenversicherung (IV) geführt. Die Situation lässt sich wie folgt zusammenfassen: jünger, früher, länger und deshalb teurer.
Die Entwicklung in den Jahren 1999 bis 2003 zeigt eine überdurchschnittliche Zunahme von IV-Bezügern im Alter von 35 bis 54 Jahren sowie von Personen auf, die aufgrund psychischer Faktoren eine Rente zugesprochen erhalten (etwa 40 Prozent der neuen Renten).
Allein diese paar Feststellungen reichen aus, um sich ernsthafte Fragen zur Funktionstüchtigkeit des Systems zu stellen. Sie lassen auch keine Zweifel zu, dass es höchste Zeit ist, das Steuer herum zu reissen. Die sehr unterschiedlichen Prozentsätze an IV-Bezügern von einem Kanton zum andern sind ein weiterer klarer Hinweis dafür, dass mit dem System etwas nicht in Ordnung ist: Während in Basel-Stadt 8,8 Prozent der Personen im erwerbsfähigen Alter eine IV-Rente beziehen, sind es in den Kantonen Nidwalden und Zug gerade mal 3,5 Prozent. Diese Zahlen müssen auch mit der Dichte der medizinischen Versorgung der jeweiligen Regionen in Zusammenhang gebracht werden: Je höher die Zahl der Ärzte, desto höher die Zahl der Kranken und Invaliden. Beunruhigend ist auch der Anteil der IV-Bezüger aus psychischen Gründen: Ein IV-Rentner von drei in der Schweiz bezieht seine Rente wegen psychischer Faktoren.
Abgesehen vom bisher Gesagten und der Tatsache, dass die IV oft als Ventil missbraucht wird, um eigentlich arbeitsfähige Personen bequem in eine frühzeitige Pension schicken zu können, gibt der hohe Anteil ausländischer IV-Rentner zu denken. Laut der IV-Statistik 2003 machen die in der Schweiz lebenden Ausländer mit einem zugesprochenen Recht auf eine IV-Rente 26,1 Prozent aller IV-Bezüger aus. Dies entspricht einem Betrag von 75,5 Mio. Franken. Dazu kommen weitere 35 Mio. Franken, die an Personen im Ausland ausbezahlt werden. 75 Prozent dieser IV-Bezüger (29 Mio. Fr.) sind Ausländer, denen die Rente ausbezahlt wird, ohne dass die Kaufkraft der jeweiligen Länder berücksichtigt wird.
Die Folgen
Während die IV in den Jahren 1988 bis 1992 noch „hellschwarze“ Zahlen geschrieben hat, schreibt sie seither jedes Jahr immer tiefrotere Zahlen: Das Defizit erreichte 2002 einen Rekord hohen Betrag von 1,2 Mrd. Franken, während die Verschuldung gleichzeitig auf 4,5 Mrd. Fr. stieg. Und das ist noch lange nicht das Ende.
Es gilt also, unverzüglich drastische Massnahmen zu ergreifen, um das Ganze wieder ins Lot zu bringen. Im Rahmen dieser Massnahmen muss die IV als System an und für sich neu überdacht werden. Weitere Schritte, die sich aufdrängen, sind: eine komplette Neudefinierung des Begriffs Invalidität, die strikte Anwendung des Grundsatzes „Reintegration hat Vorrang vor einer Rente“, einheitliche Handhabung für die ganze Schweiz, eine auf 5 Jahre erhöhte Beitragsdauer für den Anspruch auf eine IV-Rente, verstärkter Kampf gegen Missbräuche und abschreckende finanzielle Sanktionen in Fällen der Verweigerung einer Reintegration in die Arbeitswelt, Neuüberprüfung der Dossiers, die in den letzten 10 Jahren zur Zusprechung einer IV-Rente geführt haben. Ziel dieser Massnahmen ist es, die Zahl der neuen Rentner deutlich zu verringern, und zwar nicht nur um 10 Prozent, wie es der in die Vernehmlassung geschickte Entwurf vorsieht.
Die berufstätige Bevölkerung dieses Landes, welche mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement im Dienste der gesamten Gesellschaft für den Wohlstand der Schweiz sorgt, ist nicht mehr bereit, Entgleisungen hinzunehmen, wie sie in den letzten Jahren bei der IV vorgekommen sind. Sie ist aber bereit, sich mit jene Menschen, die gesundheitlich nicht wieder gut zu machende Schäden davon getragen haben, weiterhin solidarisch zu zeigen. Im Gegenzug will sie jedoch konkrete und effiziente Massnahmen im Kampf gegen jede Art von Missbrauch, der diesen unabdingbaren Zweig des schweizerischen Sozialsystems in Gefahr bringt.