Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung zur Ausschaffungsinitiative schalten sich auch zahlreiche Medien mit Kommentaren in die Diskussion ein. Dabei bringen es einige Redaktoren fertig, der SVP…
Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung zur Ausschaffungsinitiative schalten sich auch zahlreiche Medien mit Kommentaren in die Diskussion ein. Dabei bringen es einige Redaktoren fertig, der SVP Oberflächlichkeit und Intoleranz vorzuwerfen und es gleichzeitig selbst mit der Sachlichkeit nicht so genau zu nehmen. Auch kann man sich an der SVP offenbar grenzenlos die Schuhe abtreten. Da wirft die stellvertretende Chefredaktorin einer in Lausanne verlegten Wochenzeitschrift der SVP etwa „eine Manie der brutalen Verachtung anderer“ vor oder, dass der SVP „interne Toleranz“ völlig fremd sei. Solche Parolen werden just im gleichen Moment publiziert, in dem der SVP das Abhalten ihres Programmparteitages in Lausanne verwehrt wird. Die SVP ist unerwünscht. Die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit soll für andere gelten. Soviel zum Thema „Toleranz“ und „Verachtung“.
Einige Kommentatoren haben offensichtlich Mühe, ihre eigenen Präferenzen in eine sachliche Argumentation zu packen. So hat der Chefredaktor der Zeitung „Sonntag“ unter dem Titel „Lästige Argumente“ seine Kritik an der Ausschaffungsinitiative zum Ausdruck gebracht. Dabei erweist sich das Thema in der Tat als hartnäckig lästig:
„Die Initiative behandelt einen Vergewaltiger gleich wie einen Ladendieb“: Diese Aussage ist falsch. Die Initiative erwähnt explizit „Raub“ und „Einbruch“. Der Ladendieb fällt nicht darunter.
„sie (die Initiative) will zwar Leute ausschaffen, die bei den Sozialversicherungen gemogelt haben, nicht aber Millionenbetrüger und Geldwäscher“: Die Initiative will niemanden ausschaffen, der „gemogelt“ hat, aber jene Ausländer, welche die Sozialversicherungen arglistig betrügen. Dabei geht es nicht selten um grosse Summen. Hier greift im Übrigen nur die Ausschaffungsinitiative, da Sozialbetrugsdelikte wegen des zu hohen, notwendigen Strafmasses mit dem Gegenentwurf nicht erfasst werden.
„sie (die Initiative) ist lückenhaft und unlogisch, da zum Beispiel Rasen oder schwere Körperverletzung nicht zu einer Ausschaffung führen“: „Gewaltdelikte“ sind in der Initiative explizit erwähnt. Wer z.B. durch Rasen vorsätzlich den Tod anderer Menschen zu verantworten hat, wird mit der Initiative ebenfalls weggewiesen. Ob auch fahrlässige Delikte aufgenommen werden, soll und muss der Gesetzgeber entscheiden. Das sieht die Initiative ausdrücklich vor.
„sie (die Initiative) könnte zwar im Gesetzgebungsprozess ergänzt werden, aber niemand weiss, was das Parlament dann aus der Deliktsliste machen und wie lange das dauern würde“: Die Initiative schreibt bewusst auf Stufe Verfassung exemplarisch einige schwere Delikte fest, die den Rahmen abstecken sollen. Der Gesetzgeber hat die genauen Tatbestände dann näher zu umschreiben und zu ergänzen. Dieses Vorgehen ist üblich und richtig, weil auf der Gesetzesstufe präziser und flexibler legiferiert werden kann.
Demgegenüber ist der Deliktskatalog des Gegenentwurfs auf Verfassungsstufe starr und abschliessend und damit notgedrungen auch lückenhaft. Es macht wenig Sinn, dass das Parlament auf Verfassungsstufe gesetzgeberisch tätig wird.
„sie (die Initiative) gefährdet die Personenfreizügigkeit mit der EU, die für unsere Wirtschaft wichtig ist“: Diese Interpretation wird von der Wirtschaft selbst klar in Abrede gestellt. Und selbst wenn die EU der Ansicht sein sollte, die Ausschaffungspraxis der Schweiz sei zu streng oder unterliege anderen Verfahren als in der EU, wird sie die bilateralen Verträge nicht einfach künden, denn dieser Fall ist im Freizügigkeitsabkommen klar geregelt. Über allfällige Konflikte müsste im gegebenen Fall in einem aus Vertretern beider Seiten zusammengesetzten gemischten Ausschuss verhandelt werden.
„sie (die Initiative) führt dazu, dass wir – als einziges westeuropäisches Land – die Menschenrechts- und Kinderrechtskonvention kündigen müssten“: Diese Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage. Zuerst muss es in einem konkreten Fall überhaupt zu einem Konflikt mit diesen Konventionen kommen. Konflikte mit Auslegungen von solchen Konventionen kommen im Übrigen immer wieder einmal vor, ohne dass diese gleich gekündigt werden müssen. Richtig ist aber: Diese Konventionen sind kündbar und müssen es auch bleiben.
„sie (die Initiative) verletzt das Verhältnismässigkeitsprinzip, läuft also dem gesunden Menschenverstand zuwider, da sie jeden Ausländer, der eines der willkürlich aufgeführten Delikte begeht, automatisch und ohne individuelle Prüfung ausschafft“: Jeder Fall wird vom Richter gemäss Strafrecht individuell beurteilt. Mit der entsprechenden Verurteilung für ein schweres Delikt ist jedoch zwingend auch die Wegweisung verbunden. Dieser Zwang sorgt dafür, dass schwer kriminelle Ausländer auch wirklich ausgeschafft werden können und das Verfahren nicht endlos blockiert wird.
„sie (die Initiative) missachtet somit auch das Prinzip, dass jemand bei einem erstmaligen leichten Delikt eine zweite Chance verdient“: Es geht hier nicht um „leichte Delikte“, sondern um Taten, die mit krimineller Energie ausgeführt werden und in vielen Fällen die persönliche Integrität der Opfer massiv verletzen. Mit solchen Aussagen werden die Täter zu Opfern gemacht.
„sie (die Initiative) hat keine Auswirkung auf Kriminaltouristen, also beispielsweise auf sehr viele Einbrecher“: Initiative wie Gegenentwurf betreffen Ausländer mit Aufenthaltsrecht in der Schweiz. Die abschreckende Wirkung auf alle Kriminellen darf indes nicht unterschätzt werden. Mit Annahme der Initiative macht die Schweiz klar, dass sie gegen Kriminelle durchgreift. Kriminaltouristen, die gefasst werden, müssen das Land übrigens ohnehin verlassen.
„sie (die Initiative) gaukelt vor, dass jeder kriminelle Ausländer ausgeschafft werden kann, obwohl das aufgrund fehlender Abkommen mit mehreren Ländern gar nicht geht“: Die Initiative „gaukelt“ hier gar nichts vor. Diese Vollzugsproblematik besteht bereits heute. Von diesem Problem wäre indes nur ein kleiner Teil der Fälle betroffen.
Jede Abstimmungsvorlage darf und muss kritisch beleuchtet werden. Aber längst nicht jedes Argument, das nun gegen die Ausschaffungsinitiative vorgebracht wird, ist auch stichhaltig. Dies mag für die Gegner der Initiative in der Tat lästig sein.