Gut orchestriert verkünden zurzeit Organisationen und hohe Funktionäre aus der EU das Ende der bisherigen Gestaltung des Verhältnisses zwischen der Schweiz und Europa. Die Zeiten des sektoriellen…
Gut orchestriert verkünden zurzeit Organisationen und hohe Funktionäre aus der EU das Ende der bisherigen Gestaltung des Verhältnisses zwischen der Schweiz und Europa. Die Zeiten des sektoriellen Bilateralismus‘ seien vorbei. An seine Stelle müssten neue Integrationsformen treten. Von einer „dynamischen Anpassung“ bisheriger Abkommen ist etwa die Rede, oder von einer „supranationalen Behörde“, die über die Erfüllung der Verträge wacht. Seit dem Sommer sind auch entsprechende Arbeitsgruppen am Werk, die über diese Fragen diskutieren sollen. Der Bundesrat wird in diesen Tagen erste Ergebnisse zur Kenntnis nehmen. Die Landesregierung sollte dabei trotz der laufenden Druckversuche aus der EU kühlen Kopf bewahren.
Der Reigen kritischer Stimmen aus der EU wurde in der letzten Woche nach Verlautbarungen aus Brüssel und Luxemburg am Wochenende mit Forderungen aus dem französischen Senat abgeschlossen. Dass weitere Druckversuche aus Europa folgen werden, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Schweiz ist für die EU zurzeit ein besonders attraktiver Partner. Sie hat die weltwirtschaftlichen Turbulenzen der letzten Jahre gut überstanden. Der Haushalt ist im Gegensatz zu jenem der meisten EU-Staaten noch immer unter Kontrolle. Der Schweizer Franken bildet als starke, eigenständige Währung ein Bollwerk. Dass sich die schwächelnden EU-Staaten vor diesem Hintergrund eine stärkere institutionelle Einbindung der Schweiz in die Union wünschen, ist verständlich.
Das Interesse der Schweiz hat Vorrang
Der Bundesrat ist indes bei der weiteren Behandlung des EU-Dossiers darauf hinzuweisen, dass es sich hier nicht um ein Wunschkonzert der EU handelt. Die Landesregierung hat vielmehr die Interessen der Schweiz zu vertreten. Nachdem die Einsetzung einer Arbeitsgruppe durch den Bundesrat im vergangenen Sommer mehr oder weniger chaotisch von statten ging, ist nun besondere Aufmerksamkeit angezeigt. Für die SVP ist klar, dass die Beziehung zur EU auch in Zukunft über sektorielle bilaterale Abkommen von gegenseitigem Interesse gestaltet werden muss. Automatismen bei der Rechtsübernahme sind ebenso abzulehnen (Schengen lässt grüssen) wie zusätzliche institutionelle Formen der Integration, z.B. über eine neue Behörde, welche die Anwendung der Verträge überwacht und über Streitigkeiten entscheidet. Wenig erbaulich sind diesbezüglich Einschätzungen von Insidern, die bereits von Zusammenarbeitsformen sprechen, die faktisch über den EWR hinausgehen. Die SVP wird die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten. Wenn der Chefredaktor der NZZ am Sonntag in vorauseilender Euphorie davon spricht, dass das Jahr 2011 zum „Jahr der Europapolitik“ werden muss, dann rufen wir gerne zurück: Mit uns ist zu rechnen, wie immer kritisch und mit wachsamem Auge – und wohl nicht immer zur Freude von Medien, Regierung und Verwaltung.