„Wir brauchen in der Schweiz eine Art Green-Card oder Punktesystem“, lässt sich CVP-Präsident Christophe Darbellay am Wochenende in den Medien zitieren und kündigt persönlich entsprechende…
„Wir brauchen in der Schweiz eine Art Green-Card oder Punktesystem“, lässt sich CVP-Präsident Christophe Darbellay am Wochenende in den Medien zitieren und kündigt persönlich entsprechende Vorstösse an. Dumm nur, dass seine Fraktion genau diesen Vorstoss im Parlament vor nicht einmal sieben Wochen mit 28 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt hat und ebenso einstimmig eine weitere Motion für ein Punktesystem im vergangenen September. Auf einer ähnlichen Glaubwürdigkeitsstufe befindet sich BDP-Präsident Hans Grunder, wenn er die vom Bundesrat in der vergangenen Woche präsentierte Energiestrategie als „gefährlichen Schnellschuss“ taxiert. Wer hat sich vor nicht einmal einem Jahr als Ausstiegspartei profiliert, der es nicht schnell genug gehen konnte?
„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, ist ein häufig gebrauchtes Bonmot im politischen Umfeld. Es passt nur zu gut auf den aktuellen politischen Diskurs in der Schweiz. Um zu gefallen, wechselt man die Meinung je nach Opportunität und Publikum. Der Bundesrat ist davor im Zusammenhang mit dem Bankkundengeheimnis ebenso wenig gefeit, wie die Mitte-Parteien in der aktuellen ausländer- oder energiepolitischen Debatte. Und die Medien spielen dieses Spiel brav mit. „Unsere Migrationspolitik muss auf Schweizer Interessen ausgerichtet werden. Schweizer Firmen sollen primär in der Schweiz rekrutieren, erst dann in der EU. Wir brauchen in der Schweiz eine Art Green-Card oder Punktesystem, das an berufliche und personelle Kriterien gebunden ist“: Was eine Kurzzusammenfassung der SVP-Volksinitiative „gegen Masseneinwanderung“ sein könnte, stammt aus dem Mund von CVP-Präsident Darbellay in der gestrigen „Zentralschweiz am Sonntag“. Noch im vergangenen Oktober polterte Darbellay, dass ein Bundesratskandidat der SVP nur wählbar sei, wenn er sich „sehr klar vom Text der SVP-Initiative distanziere“. Diese Doppelzüngigkeit könnte mit einem Achselzucken hingenommen werden, wenn sie in der heutigen Medienlandschaft nicht unwidersprochen und unkommentiert bliebe. Kein Nachfragen des Journalisten, keine bissigen Kommentare. Gleiches geschieht jeden Tag, wenn es etwa um die Asylpolitik geht, um die Wirtschaftspolitik oder um die Energiepolitik.
Lösungsorientiert, opportunistisch, verantwortungslos
Jene Parteien, welche im vergangenen Jahr in einer Hauruck-Übung den Ausstieg aus der Kernenergie durchgeboxt haben, dürfen nun in den Gazetten die Umsetzungsvorschläge des Bundesrates attackieren. Eigentlich wäre es an ihnen, einen gangbaren Weg für die Energiezukunft aufzuzeigen. Eingefordert wird dies indes von niemandem. Vielmehr stehen jene Parteien, die zunehmend ohne politischen Kompass agieren, als lösungsorientierte Kräfte da. Sie kommen damit durch, weil ihnen kaum mehr jemand den Spiegel vorhält. Im Gegenzug las man in der vergangenen Woche zur bundesrätlichen Energiepolitik einzelne Zeitungskommentare, die sich mit der Beurteilung, welche die SVP bereits vor einem Jahr vornahm, weitgehend decken. Dies könnte stille Genugtuung auslösen, tut es aber nicht. Die PR-Maschinerie von Bundesrat, Verwaltung und Mitte-Links-Mehrheit im Parlament läuft unter wohlwollender Begleitung der meisten Medien unbeirrt weiter. Versprechungen werden nach allen Seiten gemacht. Eingehalten werden müssen sie nicht. Die Darbellays und Grunders dürfen dafür das Publikum weiter anstrahlen. Die Verantwortung übernehmen für eine Energieknappheit oder 10 Millionen Einwohner in der Schweiz im Jahr 2035 werden sie nicht…
Bern, 23. April 2012