Editorial

Verzerrte Sicht auf die Budgetdebatte

Die Medien gefallen sich heute als Kritiker der Landwirtschaftspolitiker im Nationalrat, welche sich nach ihrer Lesart mehr Subventionen zugeschanzt und ihren Bereich von den allgemeinen Sparbemühungen ausgenommen hätten.

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Generalsekretariat Bern (BE)

Die Medien gefallen sich heute als Kritiker der Landwirtschaftspolitiker im Nationalrat, welche sich nach ihrer Lesart mehr Subventionen zugeschanzt und ihren Bereich von den allgemeinen Sparbemühungen ausgenommen hätten. Eine solche Darstellung ist – vorsichtig gesagt – verzerrt und blendet einen beträchtlichen Teil der finanzpolitischen Realitäten aus.

Erstens: Gespart wird unter dem Strich gar nicht

Gleich mehrere Medien brachten es fertig, die diesjährige Budgetdebatte unter dem Motto anzukündigen, der Bundesrat wolle 700 Millionen Franken einsparen. Damit sind sie der Propaganda des Finanzdepartements aufgesessen. Gespart wird – nach dem landläufigen Verständnis von Otto Normalverbraucher – nämlich gar nicht. Gegenüber dem Vorjahr wird vielmehr erneut kräftig mehr ausgegeben. Gemäss den Beschlüssen des Bundesrates waren im Budget 2015 ganze 879 Millionen Franken an zusätzlichen Ausgaben vorgesehen. Nach der Debatte im Nationalrat ist es nun rund eine Milliarde. Die sogenannten „Einsparungen“ beziehen sich einzig auf eine Korrektur der Ausgaben im Vergleich zum letztjährigen Finanzplan. Diese wurden nötig, um die Vorgaben der Schuldenbremse überhaupt einhalten zu können. Korrekt wäre also die Darstellung, dass die Mehrausgaben etwas tiefer ausfallen als vorgesehen. Genau solche verzerrten Darstellungen nähren seit Jahren die linke Mär vom „Totsparen“. Fakt ist: Die Bundesausgaben sind seit 1990 explodiert und haben sich in dieser Zeit mehr als verdoppelt.

Zweitens: Gespart wird – wenn überhaupt – bei der Landwirtschaft und der Armee

Kaum ein Medium hat sich die Mühe genommen, aufzuzeigen, wie sich die Bundesausgaben in den einzelnen Bereichen von diesem zum kommenden Jahr verändern. Die Realitäten stimmen nämlich nicht mit dem gerne gezeichneten Bild überein. Der Bundesrat hatte nur in zwei Bereichen spürbar weniger Ausgaben als im Vorjahr vorgesehen: in der Landwirtschaft (-133 Millionen Franken oder -3,6%) und in der Landesverteidigung (-150 Millionen Franken oder -3,1%). Bei den Bereichen Finanzen/Steuern (-12 Millionen Franken oder -0,1%) und Verkehr (-8 Millionen Franken oder -0,1%) ergibt sich quasi ein Nullsummenspiel, während die Bereiche Soziale Wohlfahrt (+597 Millionen Franken oder +2,7%), Bildung und Forschung (+156 Millionen Franken oder +2,2%), internationale Zusammenarbeit (+132 Millionen Franken oder +3,7%) sowie die übrigen Ausgabengebiete (+299 Millionen Franken oder +4,6%), zu denen zum Beispiel der Umweltschutz gehört, kräftig weiter wachsen. Damit setzt sich das typische Bild der letzten Jahre fort. Mit den Beschlüssen des Nationalrates ergibt sich jetzt bei der Landwirtschaft gegenüber dem Vorjahr ebenfalls ein ausgeglichenes Bild. Besonders dreist ist diese Korrektur im Vergleich zur Entwicklung in anderen Ausgabenbereichen, z.B. zur weiter explodierenden Entwicklungshilfe, nicht.

Fakten zum Voranschlag 2015 Version Bundesrat: Wie in den letzten Jahren typisch, wollte er nur bei der Landwirtschaft und der Landesverteidigung weniger ausgeben als im Jahr zuvor!
 

Drittens: Das politische Personal versagt in der Finanzpolitik

Selbstkritisch gilt es anzumerken, dass sich im laufenden Budgetprozess niemand mit Ruhm bekleckert hat. Der Spielraum, den die Schuldenbremse der Politik gibt, wird wohl am Ende des Prozesses mehr oder weniger vollumfänglich ausgereizt. Für Nachtragskredite bleibt ebenso wenig Spielraum wie für strukturelle Überschüsse, welche derzeit im Hinblick auf verschiedene Zukunftsprojekte eigentlich notwendig wären. Von einer strategischen Finanzplanung ist man auf Bundesebene weit entfernt. Man wurstelt sich durch. Die Vorbereitungsarbeiten im Hinblick auf das Budget 2015 müssen deshalb mit dem Prädikat „nicht erfüllt“ taxiert werden. Im Plenum des Nationalrates hat nicht einmal der bürgerliche Minimalkonsens aus der vorberatenden Kommission, die wachsenden Entwicklungshilfeausgaben zumindest etwas zurückzustutzen, gehalten. Wir sollten deshalb alle über die Bücher gehen.

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Generalsekretariat Bern (BE)
 
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