Vernehmlassung

Sofortmassnahmen im Bereich der Ehepaarbesteuerung

Die SVP lehnt den Vernehmlassungsentwurf ab. Statt ausschliesslich die steuerliche Ungleichbehandlung von Ehepaaren und Konkubinaten zu beseitigen, werden neue Verfassungsverstösse geschaffen…

Antwort der Schweizerischen Volkspartei (SVP)

I. Allgemeine Bemerkungen:

Die SVP lehnt den Vernehmlassungsentwurf ab. Statt ausschliesslich die steuerliche Ungleichbehandlung von Ehepaaren und Konkubinaten zu beseitigen, werden neue Verfassungsverstösse geschaffen. Davon betroffen sind die traditionellen Familien und Senioren. Der Vernehmlassungsentwurf verletzt offensichtlich die Verfassungsgrundsätze der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie die Rechtsgleichheit. Unhaltbar ist ausserdem, dass Alleinstehende für die Steuerausfälle aufkommen müssen, obwohl Alleinstehende bereits heute überproportional viel Steuern bezahlen. Dies macht aber einmal mehr deutlich, dass das Finanzdepartement fiskalische Überlegungen stärker gewichtet als sachgerechte Lösungen.

Die SVP fordert den Bundesrat auf, umgehend ein mehrheitsfähiges Teilsplittingmodell vorzulegen. Die bei einem Teilsplittingmodell anfallenden Mindereinnahmen sind ausschliesslich durch ausgabenseitige Einsparungen im Bundeshaushalt zu kompensieren. Es ist höchste Zeit, dass der Bundesrat Prioritäten setzt und zu einer wirklichen Aufgabenverzichtsplanung übergeht. Auf die Gegenfinanzierung bei den direkten Steuern ist zu verzichten.

II. Verstoss gegen den Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit

Bei der Frage der Gestaltung der Familienbesteuerung muss zuerst festgelegt werden, welche Personengruppen miteinander verglichen werden, da sehr unterschiedliche Familienverhältnisse bestehen: Verheiratete, Alleinstehende mit eigenem Haushalt oder in Mehrpersonenhaushalt, Konkubinatspaare, registrierte Partnerschaften und sämtliche der vorher aufgezählten Varianten mit oder ohne Kinder sowie als Ein- oder Zweiverdienerpaare und das Ganze in sämtlichen Progressionsstufen. Es ist zugegebenermassen äusserst komplex, um für jeden Einzelfall die richtige Lösung finden zu können. Daher muss prioritär versucht werden, für die grossen Gruppen von Steuerpflichtigen Belastungsparitäten zu erreichen, welche den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Diese grossen Gruppen sind die Alleinstehenden auf der einen Seite und die Verheirateten auf der anderen Seite und nicht, wie in der Vernehmlassungsvorlage der Eindruck erweckt wird, Ehepaare und Konkubinate.

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Erhöhung des Zweiverdienerabzuges legt das Augenmerk ausschliesslich auf die Zweiverdienerpaare und vergleicht lediglich zwischen Ehepaaren und Konkubinatspaaren. Damit kann zwar die Privilegierung der Zweiverdiener-Konkubinatspaare verhindert und damit die Heiratsstrafe beseitigt werden. Gleichzeitig führt die Erhöhung des Zweiverdienerabzuges zu neuen Verletzungen von Verfassungsgrundsätzen. Mit der präsentierten Neuerung werden die Zweiverdienerehepaare gegenüber den Einverdienerehepaaren massiv privilegiert, ohne dass für diese Privilegierung sachliche Gründe genannt werden könnten.

Die vorgesehenen Belastungsunterschiede von Ein- und Zweiverdienerehepaaren sind enorm. Gemäss Vernehmlassungsunterlagen bezahlt ein Einverdienerehepaar ohne Kinder bei einem Bruttoeinkommen von 80’000 Franken mehr als dreimal so viel Steuern wie ein Zweiverdienerehepaar. Bei einem Bruttoeinkommen von 200’000 Franken bezahlt ein Einverdienerehepaar noch immer mehr als das Doppelte eines Zweiverdienerehepaars. Damit werden wirtschaftlich vergleichbare Verhältnisse in verfassungswidriger Weise unterschiedlich besteuert.

Auch gegenüber Alleinstehenden verletzt der Vernehmlassungsentwurf den Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Zwar besteht bei der Festlegung der Belastungsparitäten zwischen Alleinstehenden und Ehepaaren ein gewisser gesetzgeberischer Spielraum. Dieser Spielraum ist aber in verfassungswidriger Weise überschritten, wenn ein Zweiverdienerehepaar weniger bezahlt als zwei Alleinstehende mit je hälftigem Einkommen[1]. Denn das Zweiverdienerehepaar ist zweifellos wirtschaftlich Leistungsfähiger als zwei Alleinstehende mit hälftigem Einkommen.

III. Verstoss gegen das Rechtsgleichheits- und Willkürverbot

Ebenfalls gibt es für den Zweiverdienerabzug auch steuerdogmatisch keine haltbare Begründung. Die auf S. 4 der Vernehmlassungsunterlagen genannten Haushaltsmehrkosten stellen steuerrechtlich nicht relevante Lebenshaltungskosten dar. Wenn der Zweiverdienerabzug aber als tarifarische Massnahme verkauft werden soll, wie auf S. 11 der Vernehmlassungsunterlagen versucht wird, so ist nicht einzusehen, warum diese Tarifkorrektur nur den Zweiverdienerehepaaren gewährt wird. Eine Anpassung des Tarifs bei Zweiverdienerehepaaren würde auch eine Korrektur des Tarifs für Einverdienerehepaare und Rentner voraussetzten. Da dies nicht geschieht, wird rechtlich eine Unterscheidung getroffen, für die in den zu regelnden Verhältnissen keine sachlichen Gründe vorhanden sind. Dies widerspricht dem Grundsatz der Rechtsgleichheit, wonach Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt werden muss. Traditionelle Familien und Rentner werden in verfassungswidriger Weise diskriminiert.

Die gemäss Rechtsgleichheit notwendige Ausdehnung des Zweiverdienerabzugs auf Einverdienerehepaare und Senioren zeigt auch sprachlich die Fehlerhaftigkeit des Lösungsvorschlages deutlich auf.

IV. Präjudiz in Richtung Individualbesteuerung

Der Bundesrat führt in den Vernehmlassungsunterlagen auf S. 10 aus, dass die Sofortmassnahmen so ausgestaltet ist, „dass sie den definitiven Systementscheid -gemeinsame Besteuerung mit Splitting oder Wechsel zur Individualbesteuerung – weder präjudiziert noch behindert.“ Genau dies wird mit der vorliegenden Vernehmlassungsvorlage nicht erreicht.

Im geltenden Recht ist die Steuerbelastung von Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren ähnlich hoch. Wenn eine Individualbesteuerung eingeführt würde, wäre dies nicht mehr der Fall, da Ein- und Zweiverdienerehepaare stark ungleich besteuert würden. Wenn nun im heutigen System der Faktoraddition eine massive Schlechterstellung der Einverdiener- gegenüber den Zweiverdienerehepaaren eingeführt wird, entfällt ein gewichtiges Argument gegen die Individualbesteuerung und ein Systemwechsel hin zur Individualbesteuerung wird präjudiziert.

V. Nur Teilsplitting ist mehrheitsfähig

Wenn schon ein Systementscheid getroffen werden sollte, dann müsste aus Sicht der SVP viel mehr ein Teilsplittingsystem eingeführt werden. Dies wäre einfacher zu realisieren. Die Analyse zur Volksabstimmung über das Steuerpaket 2001 sowie die anschliessenden Kommissionsberatungen haben ergeben, dass ein Teilsplittingsystem mehrheitsfähig wäre. Anstelle des vorliegenden Vernehmlassungsentwurfs sollte umgehend ein neuer Anlauf für ein Teilsplittingssystem gemacht werden.

VI. Aufgabenverzicht statt Gegenfinanzierung

Die Finanzierung der Vernehmlassungsvorlage wirft ebenfalls gewichtige Fragen auf. Auch hier wird der Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt. Zur Entlastung von Zweiverdienerehepaaren werden alleinstehende Personen stärker belastet. Diese Mehrbelastung ist nicht haltbar, da Alleinstehende im Normalfall bei gleichem Einkommen eine geringere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufweisen als Zweiverdienerehepaare. Der einzige Grund für die Mehrbelastung der Alleinstehenden ist wohl im Unwillen des Bundesrates zu suchen, bei seinem eigenen Haushalt Einsparungen vorzunehmen. Es ist endlich eine umfassende Aufgabenverzichtsplanung durchzuführen! Dies bedeutet, dass eine klare Prioritätensetzung und einen vollständigen Verzicht auf gewisse bestehende Bundesaufgaben. Mit einem solchen Aufgabenverzicht wäre es aus Sicht der SVP ohne Probleme möglich, die zu erwartenden Einnahmenausfälle von ca. 1.3 Milliarden Franken (Teilsplitting) zu kompensieren. Wie in jedem Unternehmen sollte es auch beim Bund möglich sein, Einsparungen im Bereich von 3% der Ausgaben vorzunehmen. Die SVP lehnt eine Gegenfinanzierung bei den direkten Steuern strikt ab.

VII. Schlussbemerkungen

Die aus unserer Sicht mangelhafte und verfassungswidrige Vernehmlassungsvorlage wirft die Frage auf, ob das Finanzdepartement überhaupt daran interessiert ist, eine Reform zur Ehepaarbesteuerung durchzusetzen oder ob es dem Finanzdepartement nicht vielmehr daran gelegen ist, die Reform möglichst lange hinauszuzögern und so die bestehenden Steuereinnahmen möglichst lange in die Bundeskasse fliessen zu lassen. Wieso sonst sollen die Sofortmassnahmen erst 2009 eingeführt werden und nicht vorher, obwohl ein Teilsplitting innerhalb kürzester Frist durch das Parlament gebracht werden könnte? Der Eindruck, dass möglichst lange zugewartet werden soll, um die bis 2009 um 10 Milliarden Franken ansteigenden Ausgaben des Bundes zu alimentieren, ist nicht von der Hand zu weisen.

 

Die SVP fordert den sofortigen Abbruch der Übung. Dem Parlament ist eine Botschaft zu unterbreiten, welche ein mehrheitsfähiges Teilsplittingsystem vorsieht. So könnte die Heiratsstrafe beseitigt werden, ohne neue Verfassungsverstösse zu schaffen.

 
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