Vernehmlassung

Vernehmlassung zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht)

Die SVP lehnt die Vernehmlassungsvorlage ab. Dass das geltende Erbrecht im Wesentlichen aus der Zeit der Schaffung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches Anfang des 20. Jahrhunderts stammt, muss nicht heissen, dass dieses auch veraltet ist. Zudem ist es bei weitem nicht so, dass das Erbrecht nie revidiert worden und eine Revision dringend anzugehen sei. Schliesslich wurde mit den Eherechtsrevisionen die erbrechtliche Stellung der Frau richtigerweise massiv verbessert und mit dem Erlass des Partnerschaftsgesetzes wurde den gesellschaftlichen Änderungen gebührend Rechnung getragen.

Auch mit der Abschaffung der Berücksichtigung der Parentel der Urgrosseltern und der Streichung des Pflichtteils der Geschwister wurden nicht mehr zeitgemässe Bestimmungen bereits ersatzlos gestrichen. Offensichtlich wird die Vorlage von der Vorstellung getrieben, das Erbrecht müsse revidiert werden, weil in diesem Bereich im Vergleich zu den anderen Gesetzen verhältnismässig wenige Revisionen erfolgt sind. Solche Motivationen sind nicht statthaft. Obwohl die geltende Rechtsordnung in der Praxis zu keinen namhaften Problemen bzw. Ungerechtigkeiten geführt hat, sollen hier – angestossen durch die überwiesene Motion – grundsätzliche Änderungen des Erbrechts erfolgen. In diesem Sinne lehnt die SVP jede Verkleinerung der gesetzlichen Pflichtteile ebenso ab, wie die Einführung eines Unterhaltsvermächtnisses und den Ausbau des Nottestaments. Die Hauptmotivation der Revision scheint klar: das Erbrecht soll sich nicht mehr an den traditionellen Familienverhältnissen orientieren, sondern an Patchworkfamilien; die Vorlage nennt dieses Vorgehen «Modernisierung des Erbrechts». Dies zeigt sich exemplarisch daran, dass der Pflichtteil der Nachkommen u.a. deshalb gekürzt werden soll, um mit der verbleibenden verfügbaren Quote die Kinder der neuen Partnerin/des neuen Partners finanziell zu begünstigen. Schliesslich würde die Vorlage dazu führen, dass Erbschaften vermehrt versteuert werden müssten und im Rahmen allfälliger Übergangsbestimmungen das Erbrecht noch komplizierter würde. Zudem müssten zahlreiche Testamente, Ehe- und Erbverträge neu verfasst werden, was für die betroffenen Personen zu massivem Aufwand und hohen Kosten führen würde.

Nicht zu beanstanden sind verschiedene in der Vorlage vorgeschlagenen Bestimmungen, welche Unklarheiten im Erbrecht beseitigen würden. Diese könnten jedoch im Rahmen einer homöopathischen Revision erfolgen.

 

Motion 10.3524

Der Vorentwurf des Bundesrates geht auf die abgeänderte Motion 10.3524 zurück, mit welcher dieser beauftragt wurde, „das über hundertjährige, nicht mehr zeitgemässe Erb-/Pflichteilsrecht flexibler auszugestalten und es den stark geänderten demografischen, familiären und gesellschaftlichen Lebensrealitäten anzupassen; dabei soll das geltende Recht in seinem Kerngehalt bewahrt und die Familie als institutionelle Konstante auch weiterhin geschützt werden (keine erbrechtliche Gleichstellung der Konkubinatspaare mit den Ehepaaren); trotz Teilrevision soll es dem Erblassenden weiterhin freistehen, die Angehörigen im bisherigen Ausmass zu begünstigen“.

 

Basierend auf diesen parlamentarischen Auftrag, sieht die Vorlage u.a. folgende Änderungen vor:

 

 

Verkleinerung der gesetzlichen Pflichtteile

Gemäss geltendem Recht beträgt der Pflichtteil für Nachkommen drei Viertel (Art. 471 Ziff. 1 ZGB), für jedes der Eltern die Hälfte (Ziff. 2) und für den überlebenden Ehegatten (bzw. den eingetragenen Partner) die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Konkubinatspartner sind keine gesetzlichen Erben und damit selbstverständlich nicht pflichtteilsgeschützt. Sie können selbstverständlich – unter Einhaltung der Rechte der pflichtteilsgeschützten Erben – als Erben eingesetzt oder mit einem Legat bedacht werden.

Der Vorentwurf sieht vor, den Pflichtteil für Nachkommen auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs zu senken, jenen für den Ehegatten/Partner auf einen Viertel (Art. 471 Ziff. 1 und 2 VE-ZGB). Der Pflichtteil der Eltern soll ganz wegfallen.

Die SVP lehnt diese Änderungen ab, weil kein konkreter Handlungsbedarf gegeben ist. Die Revision hat zum Ziel, das Pflichtteilsrecht den gesellschaftlichen Änderungen anzupassen und spricht in diesem Zusammenhang von „Modernisierung“. Dies ist der falsche Weg. Als Regelfall hat die Revision die Pachworkfamilie als Familienform im Focus und nicht mehr die traditionelle Familie; dies als „Modernisierung“ zu bezeichnen, ist fragwürdig. Die revidierten Bestimmungen sollen es namentlich ermöglichen, Stiefkinder finanziell besser zu stellen, indem die leiblichen Kinder – die in einer anderen Familie aufgewachsen sind – auf einen tieferen Pflichtteil gesetzt werden können. Ausgerechnet die leiblichen Kinder, welche an der Trennung der Eltern keine Schuld tragen, sollen somit benachteiligt werden. Wenn Konkumbinatspartner bzw. deren Kinder bessergestellt werden sollen, so wäre nicht das Erbrecht anzugehen, sondern vorab das Steuerrecht, schliesslich sehen die meisten Kantone für diese Gruppen sehr hohe Erb- bzw. Schenkungssteuern vor.

Schliesslich sei erwähnt, dass Eltern heutzutage in der Regel nicht mehr auf ein pflichtteilsgeschütztes Erbe ihrer Kinder angewiesen sind. Andererseits führt ein solcher Pflichtteil weder zu ungerechten Ergebnissen, noch ist er stossend; schliesslich waren es in erster Linie die Eltern, welche dem Kind Erziehung und Fürsorge zukommen liessen. Deshalb ist auch in diesem Bereich kein Handlungsbedarf ausgewiesen.

 

 

Unterhaltsvermächtnis

Mit Art. 484a VE-ZGB soll die Möglichkeit eines Unterhaltsvermächtnisses ins Erbrecht aufgenommen werden. So soll das Gericht – auf Klage hin – anordnen können, dass einer Person zulasten der Erbschaft ein Unterhaltsvermächtnis ausgerichtet werden soll, um ihr damit einen angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Die entsprechenden Voraussetzungen werden in Art. 484a Abs. 1 Ziff. 1 und 2 VE-ZGB geregelt. Eingeschränkt wird diese Regelung, dass die Ausrichtung des Vermächtnisses für die Erben zumutbar sein muss.

Die SVP lehnt die Einführung eines Unterhaltsvermächtnisses ab, da ein solches einen unangebrachten Eingriff ins Erbrecht bedeuten würde und einen faktischen Erbanspruch für Stiefkinder im Falle von Art. 484a Abs. 1 Ziff. 2 VE-ZGB bedeuten würde. Überdies sind die gesetzlichen Formulierungen zu allgemein verfasst; den Gerichten stünde ein breites Ermessen zu, was zu einer grossen Rechtsunsicherheit führen würde. Zudem ist es stossend, dass auch testamentarisch ein Unterhaltsvermächtnis nicht ausgeschlossen werden könnte. Eine Prozessflut wäre mit diesem neuen Instrument vorprogrammiert.

 

 

Nottestament

Art. 506 ZGB regelt das sog. Nottestament. Ist der Erblasser infolge ausserordentlicher Umstände nicht in der Lage, sich einer der ordentlichen Errichtungsformen für eine letztwillige Verfügung zu bedienen, so ist er befugt, dies mündlich zu tun. Er kann seinen letzten Willen vor zwei Zeugen erklären und diese beauftragen, seiner Verfügung die nötige Beurkundung zu verschaffen. In der Praxis kommt diese Verfügungsform sehr selten vor. Wird es dem Erblasser nachträglich möglich, sich einer der anderen Verfügungsformen zu bedienen, so verliert nach 14 Tagen die mündliche Verfügung ihre Gültigkeit (Art. 508 ZGB). Der Vorentwurf sieht vor, angesichts der Entwicklung neuer Technologien, weitere Verfügungsformen im Rahmen eines Nottestaments zuzulassen (Email, SMS, Video, Audio etc.). Diese Änderungen sind abzulehnen. In der Praxis wird kaum von einem Nottestament Gebrauch gemacht, zudem wird heute die Möglichkeit eines plötzlichen Ablebens allgemein in Betracht gezogen, weshalb entsprechende Vorkehrungen (letztwillige Verfügungen) der Regelfall sind, wenn nicht die gesetzliche Erbfolge eintreten soll. Die vorgeschlagenen Änderungen könnten bewirken, dass Nottestamente zahlenmässig zunehmen und zu langwierigen Gerichtsverfahren führen. Zudem besteht die Gefahr, dass mit der Ausdehnung des Nottestaments auf audiovisuelle Verfügungen Missbrauch betrieben werden kann; schliesslich wird in einer speziellen Situation in der Regel nicht so verfügt, wie dies der Erblasser ausserhalb dieser Lage tun würde.

 

 

Beseitigung von Unklarheiten

Der Vorentwurf enthält verschiedene Änderungsvorschläge, um in der Praxis vorliegende Unklarheiten zu beseitigen. Einer Präzisierung der Vorschlagszuteilung (Art. 494 Abs. 4 VE-ZGB) kann aus Gründen der Rechtssicherheit sicherlich zugestimmt werden. Im Weiteren ist es auch angezeigt, an der verfügbaren Quote im Sinne von Art. 473 Abs. 3 ZGB festzuhalten; diese Bestimmung wurde derart oft abgeändert, dass von einer weiteren Revision richtigerweise abzusehen ist. Nicht zu beanstanden ist überdies, dass der Pflichtteilsanspruch des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen werden kann, wenn ein Scheidungsverfahren hängig ist (Art. 217 Abs. 2 VE-ZGB; Art. 472 VE-ZGB); aus Sicht der SVP könnte hier jedoch noch weiter gegangen werden und auch der gesetzliche Erbanspruch ausgeschlossen werden; schliesslich ist – ergänzend zu den im erläuternden Bericht genannten Beispielen – auch der Fall denkbar, dass ein Partner während des Scheidungsverfahrens überraschend verstirbt und keine Möglichkeit hatte, eine letztwillige Verfügung vorzunehmen. Zu befürworten ist ferner, dass die Frage geklärt werden soll, ob Versicherungs- und Vorsorgeansprüche zur Erbschaft gehören sollen oder nicht (Art. 476 VE-ZGB). Der vorgeschlagenen Einführung einer Art „Erbschleichereibestimmung“ steht die SVP ablehnend gegenüber (Art. 541a VE-ZGB), da das geltende Recht ausreichend erscheint und gerade Erblassern, welche über keine pflichtteilsgeschützten Erben verfügen, die grösstmögliche Verfügungsfreiheit belassen werden sollte. Der Einführung einer Bestimmung, welche das Informationsrecht regelt (Art. 601a VE-ZGB) und damit quasi die geltende Gerichtspraxis kodifiziert, kann grundsätzlich zugestimmt werden, wobei der Mehrwert in der Praxis beschränkt sein dürfte; Rechtsstreitigkeiten im diesem Bereich können auch mit einer neuen Vorschrift nicht verhindert werden. Dass die erbrechtlichen Bestimmungen zum Ausgleich bzw. zur Herabsetzung revisionswürdig sind, ist nicht zu bestreiten. Das geltende Recht ist nicht befriedigend, aber auch die neuen Bestimmungen (Art. 522 Abs. 1 VE-ZGB; Art. 523 VE-ZGB; Art. 525 Abs. 1-3 VE-ZGB; Art. 526 Abs. 1 und 2 VE-ZGB; 527 Ziff. 1 und 3 VE-ZGB; Art. 528 Abs. 3 VE-ZGB; Art. 626 Abs. 2 VE-ZGB) werden in der Praxis neue Fragen aufwerfen. Demgegenüber beseitigen die vorgeschlagenen Änderungen von Art. 533 VE-ZGB und Art. 600 VE-ZGB bestehende formelle Unklarheiten bezüglich Verwirkung/Verjährung und Art. 521 Abs. 2 VE-ZGB wird auf alle bösgläubigen Bedachten Anwendung finden können. Auch den Präzisierungen im Bereich Willensvollstrecker, Willensvollstrecker- und Erbbescheinigung (Art. 517 Abs. 3 VE-ZGB; Art. 518 Abs. 4 VE-ZGB und Art. 559 Abs. 1 VE-ZGB) sowie den vorgeschlagenen Änderungen bezüglich der amtlichen Verwaltung im Anschluss an die Ausschlagung eines überschuldeten Erben (Art. 578 Abs. 1-4 VE-ZGB) ist zuzustimmen; diese Änderungen sind angezeigt. Grundsätzlich nicht zu beanstanden sind überdies die Bereinigungen der Vorschriften in Art. 469, 482, 499 und 503 VE-ZGB sowie die Anpassungen bezüglich des Vorrangs des Vermächtnisnehmers gegenüber den Gläubigern des vermächtnisbeschwerden Erben (Art. 617 VE-ZGB) sowie die Verkürzung der Frist für den öffentlichen Erbenruf (Art. 555 Abs. 1 VE-ZGB).

 

 
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