Zuwanderung steuern
von This Jenny, Ständerat, Bilten (GL)
Als Unternehmer bin ich mir sehr wohl bewusst, dass das Erfolgsmodell Schweiz ohne Ausländer nie möglich gewesen wäre. Gerade unsere Baufirmen konnten überproportional profitieren, und ich gehöre zu den Glücklichen, die auch im höheren Kader sehr qualifizierte ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen dürfen.
Als Unternehmer bin ich mir sehr wohl bewusst, dass das Erfolgsmodell Schweiz ohne Ausländer nie möglich gewesen wäre. Gerade unsere Baufirmen konnten überproportional profitieren, und ich gehöre zu den Glücklichen, die auch im höheren Kader sehr qualifizierte ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen dürfen.
Die Schweiz hat schon immer grosszügig Arbeitskräfte aus dem Ausland rekrutiert. Das geschah aber immer kontrolliert, und immer wurde auf die aktuelle Beschäftigungslage Rücksicht genommen. Bund und Kantone haben jeweils in Absprache mit den Vertretern der Wirtschaft die maximalen Zahlen festgelegt. Wir Unternehmer erhielten in aller Regel die Leute, die wir brauchten, und zwar aus der ganzen Welt. Differenzen gab es höchstens in der Hochkonjunktur, als uns ausnahmsweise der Staat – und ich muss zugeben – zu Recht bremste, um spätere Entlassungswellen zu vermeiden.
Gesamtwohl der Schweiz vor Unternehmerinteressen
Gerne gebe ich auch zu, dass mir persönlich die globale Freizügigkeit am liebsten wäre. Jeder könnte dann dort arbeiten und eine Existenz aufbauen, wo er will und wo er gebraucht wird. Und ich als Unternehmer könnte dann aus Millionen Menschen jene auswählen, die für mich am besten geeignet wären. Nun gibt es aber nicht nur Unternehmerinteressen, sondern es gilt auch, das Gesamtwohl der Schweiz zu berücksichtigen. Eine weltweite Personenfreizügigkeit könnte nur funktionieren, wenn alle Länder ungefähr von den gleichen Rahmenbedingungen ausgehen könnten.
Doch zurzeit sind die Unterschiede bezüglich Wohlstand, Marktwirtschaft, Rechtssicherheit und Sozialwerken dermassen gross, dass ein völlig freier Personenverkehr schlichtweg nicht funktionieren kann. So kommt es, dass ein arbeitsloser Franzose in Basel mehr als doppelt so viel verdient, wie wenn er in seinem eigenen Land zwölf Stunden pro Tag arbeiten würde.
Je mehr Kirschen es auf dem Markt gibt, desto billiger sind sie
Ich war ein überzeugter Befürworter der Personenfreizügigkeit mit den 15 „alten“ EU-Staaten, denn diese 15 Volkswirtschaften waren mit unserer einigermassen vergleichbar. Nun entwickelt sich die EU aber recht unkontrolliert weiter. Sie hat inzwischen Länder aus Osteuropa aufgenommen, bald werden wohl alle Balkanstaaten und die Türkei dazukommen. Das bringt zweifelsohne auch für uns Unternehmer Vorteile, können wir doch dann aus 700 Millionen Bewerbern auswählen. Auch die Auswirkungen auf die Löhne sind selbstverständlich. Wir alle wissen: Je mehr Kirschen es auf dem Markt gibt, desto billiger sind sie. Wir Unternehmer müssen aber auch einsehen, dass wir gegenüber dem Land eine Verantwortung tragen. Es geht einfach nicht an, dass wir kurzfristig Leute anstellen, nach einem oder zwei Monaten von ihnen genug haben und sie wieder entlassen und den Sozialwerken übergeben. Ein solches Verhalten ist unsozial. Als Minimum wäre eine Beschäftigung von einem Jahr vorzusehen. Dann würden es sich gewisse Damen und Herren besser überlegen, bevor sie Ausländerinnen und Ausländer – und auch Schweizer – einstellen. Denn die Sozialwerke werden letztlich auch von der Wirtschaft bezahlt.
Zuwanderung muss sich den Interessen der Schweiz unterordnen
Der Wirtschaftsstandort Schweiz ist eine einmalige Erfolgsgeschichte. Es gilt, zu diesem Erbe unserer Vorfahren Sorge zu tragen. Eine Nivellierung nach unten, etwa auf EU-Niveau, darf nicht stattfinden. Darum müssen wir die Einwanderung wieder mitsteuern können. Die Zuwanderung soll sich den Interessen der Schweiz unterordnen, statt dass die Schweiz ihre Politik auf die Interessen der Zuwanderer ausrichtet. Es geht nicht darum, die Bilateralen Verträge zu kündigen. Doch die Masseneinwanderungsinitiative will dem Bundesrat ein Mandat geben, angesichts der Überforderung mit jährlich 80‘000 Netto-Zuwanderern mit der EU zu verhandeln.
Schweiz ist keine Rosinenpickerin
Wir werden in Brüssel kaum mit Harmoniemusik und rotem Teppich empfangen werden. Doch müssen wir endlich einmal klar machen, dass die Schweiz keineswegs die viel gescholtene Rosinenpickerei betreibt. Wenn ich an die Neat-Infrastrukturen, die Kohäsionsmilliarden, die EU-Forschungsgelder oder die Grenzgänger denke, kann der Schweiz niemand im Ernst Rosinenpickerei vorwerfen. Wenn schon, besteht unsere Mahlzeit am Tisch mit der EU viel eher aus Krötenschlucken.
Entwicklung des Wanderungssaldos in der Schweiz
Insbesondere als Folge der Personenfreizügigkeit mit der EU, aber auch wegen der offenen Grenzen und der Misere im Asylwesen sind in den letzten 10 Jahren rund 630‘000 Personen mehr in die Schweiz ein- als ausgewandert. Dies entspricht der Einwohnerzahl des Kantons Aargau oder der Städte Zürich, Bern und Lausanne zusammen. Die Schweiz wird damit gemäss dem hohen Szenario des Bundesamtes für Statistik im Jahr 2035 gegen 10 Millionen Einwohner zählen.
So wurde von den Gegnern der Initiative im Ständerat argumentiert:
„Wir sind auch nicht naiv, wenn wir heute sagen: Die Zuwanderer, die heute kommen, bezahlen mehr in die AHV ein, als sie beziehen. Dann wissen wir auch und sagen das auch, dass sich das in zwanzig, dreissig Jahren auch ändern kann, das ist klar. Wir schauen das an, und deshalb ist das Teil der Szenarien. Ich möchte auf die aktuellen, anstehenden Probleme wirklich eingehen, weil ich finde, dass wir sie ansprechen sollen. Ich erwähne zuerst den Arbeitsmarkt. Ja, es gibt Lohndruck im Arbeitsmarkt. Schauen Sie die Grenzregionen an, schauen Sie die 265 000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die jeden Tag in die Schweiz kommen: Da gibt es Lohndruck!“
Bundesrätin Simonetta Sommaruga, SP (BE)
„Sie sehen also, dass auch ich gegen diese Initiative bin. Ich sage Ihnen einfach: Wenn wir nicht mehr machen, als Nein sagen, wird das nicht genügen, um diese Initiative, die Ecopop-Initiative und später dann auch die Personenfreizügigkeit mit Kroatien wirklich verhindern oder durchbringen zu können.“
Ständerätin Anita Fetz, SP (BS)
„Wir sind ein attraktives Land mitten in Europa, und die Masseneinwanderungs-Initiative möchte uns jetzt aus dieser Situation herausnehmen und auf die gleiche Stufe stellen wie etwa Serbien oder Mazedonien. Wir würden uns freiwillig von diesem Erfolgsmodell verabschieden, und das ist schon schwer verständlich.“
Ständerat Pirmin Bischof, CVP (SO)
„Diese Initiative spielt mit dem Feuer. Es ist nicht nur ihre Grundhaltung Ausländern gegenüber, die mir zu denken gibt. Bitte lehnen Sie die Initiative nicht nur ab, sondern bekämpfen Sie sie auch im Abstimmungskampf mit Vehemenz! Das wird notwendig sein.“
Ständerat Claude Janiak, SP (BL)