Die Zersiedelungsinitiative verlangt einen radikalen Baustopp: Alle Bauzonen sollen auf dem heutigen Stand eingefroren werden. Kein Land soll mehr eingezont werden dürfen, ausser es wird eine bereits eingezonte gleichwertige Parzelle ausgezont. Damit wollen junge, radikale Linke die Zersiedelung bekämpfen und die Landschaft schützen. Die übertriebene Initiative ist nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich: Sie würde die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz gefährden und unter dem Strich sogar zu mehr Zersiedelung führen.
Die Zersiedelungsinitiative, über welche wir am 10. Februar zu befinden haben, ist vor allem im Zusammenhang mit der kürzlich erfolgten Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) zu sehen. Bereits diese Vorlage sieht eine Verknappung des Baulands vor – was die Bodenpreise weiter anheizen wird. Zudem wurden mit dem RPG erste Schritte in Richtung Zentralisierung beschlossen, indem etliche Entscheide zur Raumplanung künftig in Bundesbern gefällt werden. Das neue RPG ist derzeit in Umsetzung. Nun mit einer zusätzlichen Initiative zu kommen, die noch extremer ist, macht keinen Sinn.
Initiative ist kontraproduktiv
Die Initiative schiesst am Ziel vorbei, da sie unter dem Strich sogar zu mehr Zersiedelung führen könnte. Während nämlich städtische Gebiete den grössten Teil des eingezonten Landes bereits überbaut haben, präsentiert sich das Bild in ländlichen Gebieten ganz anders. In peripheren Gegenden wurde oftmals (zu) grosszügig Land eingezont, welches noch kaum verbaut ist. Die Vermutung liegt nahe, dass genau solche Gebiete von der Zersiedelungsinitiative profitieren würden, indem dort überdurchschnittlich viele Bauprojekte realisiert werden könnten. Dies wiederum wäre genau nicht im Sinne der Initianten: Verdichtung bedeutet, dass eben eher in Genf, Zürich oder Basel gebaut werden soll – und nicht im Wallis oder im Bündnerland. Umgekehrt käme die Zersiedelungsinitiative für Kantone mit wenig Baulandreserven einem definitiven Bauzonen-Moratorium gleich.
Eine ganz andere Frage stellt sich für die Landwirtschaft: Wie kann in landwirtschaftlichen Zonen gebaut werden, so dass sich die Landwirtschaft auf gesunde Weise weiterentwickeln kann? Auch dies würde mit der Zersiedelungsinitiative faktisch verunmöglicht. Wer eine moderne, produzierende Landwirtschaft möchte, kann nur Nein stimmen zu dieser verfehlten Initiative.
Unnötiger Aktivismus
Die Schweizer sorgen sich – verständlicherweise – um ihr Land und um die schöne Landschaft. Dies haben verschiedene Abstimmungen zum Ausdruck gebracht – so etwa die Zweitwohnungsinitiative, die RPG-Revision oder die Abstimmungen zu Kulturlandinitiativen in den Kantonen Zürich, Bern oder Thurgau. Doch die Panik, welche die Initianten verbreiten, ist unnötig. Die Bauzonen sind in der Schweiz seit über 5 Jahren konstant. Die Initiative zeichnet hier ein völlig falsches Bild.
Dass viele Leute kritisch auf die Zuwanderungsströme reagieren, ist ebenso verständlich. Die Prognosen hinsichtlich der Bevölkerungszunahme in den kommenden 20 Jahren können tatsächlich beunruhigen. Die Zersiedelungsinitiative ist kein taugliches Mittel, um die Zuwanderung zu bekämpfen: Wer etwas gegen die Einwanderung unternehmen möchte, muss dies im Rahmen der Migrationspolitik tun. Eine weitere Zentralisierung der Raumplanung jedoch ist gefährlich: Mit dem Abbau kantonaler und kommunaler Kompetenzen wird kein einziges Problem gelöst.
Wer den beschränkten Raum in der Schweiz auf kluge Art organisieren möchte, tut gut daran, die Zersiedelungsinitiative abzulehnen.