Kehrtwende der Wendehälse

FDP und CVP fallen um und trauen sich nicht, ihre Ankündigung wahrzumachen und die Kohäsionsmilliarde an die EU abzulehnen. Denn am 20. Oktober drohen Wahlen.

Noch vor fünf Monaten polterten die Politiker von CVP und FDP, die Schweiz dürfe die «Kohäsionsmilliarde » keinesfalls zahlen, solange Brüssel die Schweizer Börse mit diskriminierenden Massnahmen bedrohe. «Das geht gar nicht», dozierte der Freisinnige Hans-Peter Portmann, eine Kohäsionszahlung an die EU könne man vor dem Hintergrund der Börsengängelung «keinem Steuerzahler» erklären.
Am 1. August warf sich CVP-Bauernpräsident Markus Ritter fast gleichlautend in Pose: «Liebe EU: So geht es nicht», beschwerte sich der Ostschweizer. Er wünsche sich «mehr Selbstbewusstsein », denn «ein Bundesrat, der sich nicht hartnäckig und konsequent für sein Volk wehren kann, ist am falschen Platz.» Das kam an.
Inzwischen ist klar: Die EU hat ihre Drohung wahr gemacht und die Schweizer Börse mit einem diskriminierenden Boykott belegt. CVP und FDP müssten an der nächsten Herbstsession, also vor den Wahlen, ihren Worten Taten folgen lassen und die Kohäsionsmilliarde, wie öffentlich versprochen, im Nationalrat versenken.

Fadenscheinige Gründe
Dazu kommt es nicht. Man drückt sich. An der letzten Sitzung der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats haben sich CVP und FDP verständigt, das Geschäft zu verschieben. Und zwar auf einen Zeitpunkt nach den Wahlen. Scheinheilig sagten die Parlamentarier, sie bräuchten vom Bundesrat weitere Informationen.
Aber das sind blasse Ausreden. Tatsächlich haben CVP und FDP ihre Kraft oder ihre Überzeugung oder beides verloren, um die Kohäsionsmilliarde abzulehnen. Sie wollen sie trotz Börsenboykott und früherer Beteuerungen nun doch zahlen.
FDP-Aussenpolitiker Portmann, im März noch senkrechter Eidgenosse, zog jetzt gegenüber den Medien den Schwanz ein: Mit einem Nein zur EU-Milliarde «könnte es zur Katastrophe kommen». Jetzt auf einmal.
CVP und FDP wären in der Herbstsession vor der EU in die Knie gegangen, aber diesen Kniefall mit vorausgegangenem Wortbruch wollten sie ihren Wählern vor den Wahlen nicht zumuten. Deshalb die Verschiebung mit fadenscheinigen Begründungen.

Nur die SVP hält Wort
Interessant ist, dass auch die SP bei diesem Manöver mitmischt, denn bis vor kurzem waren die Sozialdemokraten der Meinung, es könne nicht schnell genug gehen mit der Zahlung der EU-Milliarde. SP-Nationalrat Fabian Molina bemäkelte die unnötige Zeitschinderei der Bürgerlichen.
In der Kommission allerdings kippten auch die Genossen. Das Kartell aus SP, CVP und FDP, «die Linken und Netten», setzte sich gegen die SVP durch, die am ursprünglichen Antrag der FDP festhielt, die Kohäsionsmilliarde nicht zu zahlen, solange die EU-Diskriminierungen in Kraft sind. Zudem fordert die SVP, die Kohäsionsmilliarde gar nicht an die EU, sondern zur Sicherung der Renten der Menschen in der Schweiz, in die AHV zu zahlen.
Wie sind die Vorgänge zu verstehen? Die SP spielt taktisch. Sie will in die EU. Aber weil sie weiss, dass der EU-Beitritt in der Schweiz nicht mehrheitsfähig ist, sucht sie den Beitritt durch die Hintertür des institutionellen Abkommens. Das ist der unehrliche Plan der Linken.
Bei der bürgerlichen Mitte ist weniger Vorsatz als Schwäche im Spiel. CVP und FDP wirken orientierungslos. Es fehlt an den Spitzen die Kraft, bestimmte Positionen auch bei Gegenwind zu halten. Mal um Mal knicken sie ein: Atomausstieg, Klimarettung und jetzt beim EU-Rahmenvertrag, den die Freisinnigen noch letzten Dezember vehement bekämpfen wollten. Politik ist immer auch das Bemühen, über die wichtigsten Themen vor den Wahlen nicht zu reden.

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