Wider die Dekadenz!

Albisgüetli-Rede vom 17. Januar 2020, gehalten an der 32. Albisgüetli-Tagung der SVP des Kantons Zürich im Schützenhaus Albisgüetli in Zürich von Christoph Blocher, a. Nationalrat und a. Bundesrat.

Christoph Blocher
Christoph Blocher
a. Bundesrat Herrliberg (ZH)

I. Nach den Wahlen 

«Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.»[1]

So beginnt bei Erich Kästner das Jahr.
Ja, «das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege». Die SVP versammelt sich im Albisgüetli. Und fragt besorgt: Was bringt das neue Jahr?“

Meine Damen und Herren, über die Weihnachts- und Neujahrstage stand die Politik – zum Glück – still. Es ist die Zeit zu lesen, zu hören, oder – auf «journalistisch» –, zu recherchieren.
Das wichtigste Ereignis im vergangenen Jahre seien die eidgenössischen Wahlen gewesen – heisst es:
Soviel mehr Junge, soviel mehr Frauen, so viel mehr Grüne, soviel mehr Linke!
Das sei historisch!
Aber wer ist denn da eigentlich gewählt worden? Sind es Persönlichkeiten mit Leistungsausweis, mit Erfahrung, mit Bezug zur Lebenswirklichkeit?
Ich nehme die Parlaments-Webseite zur Hand, denn diese diene ja – so heisst es – der Transparenz.

  • Da finde ich zum Beispiel eine Tamara Funiciello, SP. Sie ist demnächst 30-jährig. Und von Beruf «Studentin».
  • Viel mehr Lebenserfahrung hat da die Grüne Franziska Ryser im 29. Lebensjahr, denn ihr Beruf lautet «Doktorandin».
  • Greta Gysin (36-jährig), Grüne, hat sogar eine doppelte Berufsbezeichnung: Sie ist Politologin und dazu Gewerkschafterin. Gilt die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft bereits als Beruf? An Politologen fehlt es im Parlament nicht. Sie sind zahlreich, und die grüne Delphine Klopfenstein (43-jährig) ist Soziologin.
    Doch der politische Leistungsausweis der Grünen Greta Gysin besteht wohl vor allem in ihrem Vornamen. Zumindest für diesen brauchte sie sicher keine Berufslehre.
  • Fortschrittlicher ist da die Grün-Alternative Manuela Weichelt (52-jährig), die das Berufsparlament schon vorausnimmt und als Beruf gleich «Nationalrätin» Nicht nur das, sie nennt sich noch lieber «Erste Zuger Nationalrätin».
  • Da will die rote, 47-jährige Ada Marra, SP, nicht zurückstehen: Auch sie ist ebenfalls vollberuflich «Nationalrätin».
  • Die Grüne Isabelle Pasquier (47-jährig) ist allerdings schon weiter. Ihr Beruf lautet «Koordinatorin Alpeninitiative». Offenbar ein unkündbarer Dauer-Job, denn über die Alpeninitiative haben wir schon vor 26 Jahren abgestimmt!

Sie können immer weiterlesen und entdecken immer neue Berufe.

  • So ist Leonore Porchet von den Grünen mit 30 Jahren «Kommunikationsspezialistin».
  • Katharina Prelicz-Huber (60-jährig) dagegen nennt sich «Supervisorin und Beraterin». Wen visioniert sie so super und welcher Berufsabschluss führt zum Beruf «Beraterin»? Frau Prelicz-Huber hat ja einen Bindestrich, ist also anscheinend verheiratet. Ja, sicher, wir Ehemänner brauchen Beraterinnen. Ich will meiner Frau sagen – sie war bis heute von Beruf Lehrerin –, sie müsse künftig bei ihrem Beruf auch noch «Beraterin» schreiben.
  • Valentine Python, 44-jährig, Grüne, nennt als Beruf sogar «wissenschaftliche Beraterin».
  • Bei der Grünen Aline Trede (36-jährig) habe ich mich schon gefreut, denn ich glaubte, sie sei Inhaberin einer Bäckerei oder einer Metzgerei, denn beim Beruf steht, sie sei Inhaberin einer «Kampagnerei». Wie heisst ihr Geschäftsmodell? Ich zitiere: «Hast du noch kein Weihnachtsgeschenk und es sowieso satt, irgendwas sinnloses zu schenken?» («Sinnloses» schreibt man bei Aline Tredes Kampagnerei übrigens klein!) «Bei Sunraising hast du die Möglichkeit, Solarstrom zu schenken oder zu spenden. Schau rein: Sonne schenken.» Natürlich ist diese Sonne von Aline Trede nicht geschenkt, sondern kostet Geld.
  • Der ehrlichste Grüne ist jedoch Nicolas Walder (53-jährig). Er hat keinen Beruf. Endlich einer, der zugibt, dass er nichts ist. Ich erinnere mich, dass jemand einmal gesagt hat, der häufigste Beruf des Politikers sei «berufslos!»
  • Da ist Niklaus Samuel Gugger, (53-jährig), EVP, erfinderischer: Er nennt sich Sozialunternehmer.
    Aha, ein Berufskollege von mir, denke ich mir. Auch ich war mein ganzes Leben ein sozialer Unternehmer, nur wusste ich nicht, dass das ein Beruf ist! Aber Nik Gugger hat es weitergebracht als ich. Er ist «Dr. h.c.», honoris causa, also Ehrendoktor. Ich recherchiere weiter. Woher hat er denn seine ehrenvolle Titelei? Wie zum Gugger wurde Herr Gugger Ehrendoktor? Der Dr. h.c. stammt von einem Privat-Institut in Indien, dem «Kalina Institute of Industrial Technology» in Bhubaneswar, Odisha. Was, Sie kennen diese Universität nicht? Welche Bildungslücke! Sie wurde 1992 mit elf Studenten gegründet, und 2017 wurde ihr vom Staat untersagt, den Titel «Universität» zu tragen.[2]

So, ich höre auf zu lesen, denn mir wird elend, wenn ich daran denke, dass all diese Berufslosen ohne oder mit Fantasieberufen und hochstaplerischen Titeln nun unsere Gesetzgeber sind und unser Leben mitbestimmen. Bis jetzt wusste ich zwar und habe es immer gesagt: Alle haben ihre Vertreter im Parlament, die Gescheiten und die Dummen! Aber jetzt sind die Berufslosen wohl übervertreten.

Und was machen sie im Parlament? Hier ein Beispiel:
Da hat diese Grün-Alternative Manuela Weichelt, «Erste Zuger Nationalrätin», als eine ihrer ersten politischen Amtshandlungen letzte Woche folgenden Brief an die Parlamentsdienste gerichtet, der Sie als Steuerzahler interessieren könnte. Ich zitiere ihre vier Hauptanliegen wörtlich:

«1. Ich habe im Dezember die Rechnung für meinen Sprachkurs eingereicht. Läuft dies unter Kommunikationsentschädigung […]?»
2. Zum Thema Distanzentschädigung verweist sie auf ein separates Mail.
Es geht wörtlich so weiter im Brief:
«3. Kann ich die Rechnung für das Einführungsseminar der ETH in Gerzensee per Mail einreichen oder soll ich es per Post zustellen?
4. Ich habe von einem Fraktionskollegen gehört, dass ein Kurs für Medienauftritte für Präsidien angeboten wird. Ist dieser auch offen für Subkommissionspräsidien (GPK)? Da ich das Präsidium der Subkommission Gerichte […] habe, wäre ich daran sehr interessiert.»[3]

II. Dekadente Prioritäten

Haben Sie sich übrigens die Themen im neuen Parlament genauer angeschaut? Unglaublich! Oberste Priorität geniessen heute die Genderfragen.

Dann kommt schon bald der Papi-Urlaub: Alle Erwerbstätigen sollen für ein paar wenige die Ferien bezahlen. «Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?»

Hier zahlen berufstätige Leute, Gewerbetreibende, alle, die seriös arbeiten. Sie zahlen und zahlen. Das Schmarotzertum weitet sich aus.
Wen wundert es da, dass das frei verfügbare Einkommen der Bürger immer mehr zurückgeht? Es wird weggefressen von steigenden Zwangsabgaben, Lohnabzügen, Mehrwertsteuererhöhungen, Gebühren, steigenden Krankenkassenprämien, den immer grösseren Sozialabgaben. Und wo sind die Wirtschaftsverbände? Sie haben nicht nur nicht die Kraft, diese Abzockerei zu verhindern, sondern sie unterstützen diese noch oft.
Für die mittelständischen Bürger schaut niemand. Dies, meine Damen und Herren, ist die Aufgabe der SVP als Mittelstandspartei!
Nehmen Sie das Beispiel «Energiestrategie», die einen durchschnittlichen Haushalt viele tausend Franken zusätzlich kosten wird. Vor der Abstimmung über diese Energiestrategie hat Bundesrätin Leuthard versprochen, es seien maximal 40 zusätzliche Stromfranken pro Familie zu erwarten.[4] Heute wissen wir, dass es nach der ersten Fassung im Ständerat schon für die erste Etappe 1‘680 Franken sein werden. Ist Lügen eigentlich eine Berufsvoraussetzung für Bundesräte?

III. Wo sind die Wirtschaftsverbände?

Dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse fehlte auch bei der verfehlten Energiestrategie die Kraft, Nein zu sagen. Dabei wird diese Strategie die Energie massiv verteuern, die Transportkosten hochschnellen lassen, unsere Wettbewerbsfähigkeit schwächen und dadurch den Werkplatz Schweiz gefährden. Die Nachteile tragen die Unternehmen und damit auch die Arbeiter und Angestellten. Den Wirtschaftsverbänden ist es wichtiger, zusammen mit den Roten und Grünen die Schweiz der EU zu unterwerfen, als eine saubere Ordnungspolitik zu betreiben.
So auch beim Vaterschaftsurlaub, der wieder Lohnprozente kostet. Zuerst wehrten sie sich dagegen. Doch als dann eine kleine überparteiliche Gruppe das Referendum ergriff, erhielt diese keine Unterstützung.
Überall, wo es um vermehrte Abgaben und Umverteilungen geht, glänzen die Wirtschaftsverbände mit Abseitsstehen. Lieber schwimmen sie im Mainstream mit und folgen der veröffentlichten Meinung, als dass sie sich auf ihre ureigensten Aufgaben besinnen.

IV. Entscheidungsfindung im Bundesrat

Ein deutliches Zeichen der Dekadenz, das heisst des Niedergangs, ist auch die Unsitte in der Regierung, die Entscheidung über politische Probleme, für die der Bundesrat zuständig wäre, den sogenannten «Sozialpartnern» zu überlassen.

Der smarte Sozialminister Alain Berset, der zwar eine gute Figur macht, solange er nicht arbeiten muss, hat in seinem wichtigsten Dossier, den Sozialversicherungen, noch keine einzige tragfähige Lösung präsentiert. Die AHV-Reform setzt einfallslos auf neue Einnahmen: Lohnbeiträge, Mehrwertsteuer, Bundessubventionen. Wer zahlt das? Die Steuerzahler, die Gewerbetreibenden, die Lohnbezüger, der Mittelstand. Dass das die Wirtschaft, auf deren Wohlergehen wir alle angewiesen sind, massiv schwächt, interessiert nicht.

Auch die zweite Säule – die Pensionskasse – wackelt: Die Leute werden immer älter, die Renten werden auch wegen der Geldpolitik der Nationalbank immer unsicherer. Bereits heute werden die Jungen in der zweiten Säule massiv enteignet, um die gefährdeten Renten zu sichern. Wenn’s bei den auszuzahlenden Renten nicht reicht, holt man es bei den Jungen. Was macht Herr Berset in dieser Situation? Er bittet die Sozialpartner, eine Lösung zu präsentieren.

Und tatsächlich, Gewerkschaften und Arbeitgeber «sitzen zusammen und haben einander so lieb»: Sie präsentieren einen Vorschlag zur Rettung der Zweiten Säule. Herr Berset stellt das Ergebnis entzückt vor und freut sich. Was gibt es denn Schöneres, als wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften sich einig sind? Und man staunt: Diese Lösung von zwei dafür nicht zuständigen Akteuren wird telquel gleich als Bundesratslösung in die Vernehmlassung geschickt. Wozu brauchen wir eigentlich noch Bundesräte? Was der Bundesrat verschweigt: Die Lösung der beiden Kontrahenten schmerzt Arbeitgeber und Gewerkschaften wenig, aber es ist eine Abmachung zu Lasten Dritter: Die heute Berufstätigen, die künftigen Rentner, werden durch diese Lohnabzüge und Umverteilung noch stärker belastet. Sie tragen die Kosten.

Dies hält eine der besten Beobachterinnen der politischen Vorgänge, die erfahrene Inlandjournalistin Katharina Fontana – früher bei der «NZZ» und heute bei der «Weltwoche» – treffend fest:

«Die letzte Woche vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickte Reform der zweiten Säule setzt auf noch mehr Umverteilung, will den Berufstätigen weitere 0,5 Prozent ihres Lohnes wegnehmen und das Geld mit der Giesskanne an die Pensionierten umleiten. Bei der dritten Säule, mit der die Berufstätigen eigenverantwortlich fürs Alter sparen können und die angesichts der wackelnden ersten zwei Säulen zunehmend wichtiger wird, steht der Bundesrat dagegen auf die Bremse: Von einem Ausbau der privaten Vorsorge will er nichts wissen.»[5]

Geht es so weiter, stehen wir bald vor der Situation, dass die jüngere Generation die ältere auch in der zweiten Säule mit immer mehr Steuern und Lohnbeiträgen subventionieren muss, und für sich selber – u.a. in Zeiten von Negativzinsen – kaum mehr Vermögen ansparen kann.

Dass sich die Politik seit Jahren um eine langfristig stabile Finanzierung der Altersvorsorge foutiert, ist stossend. Alles redet von Nachhaltigkeit und dass man der Jugend eine Zukunft bieten müsse, doch bei der Altersvorsorge scheint dieses Prinzip nicht zu gelten.

Daneben wird der Sozialstaat unverdrossen weiter ausgebaut. Die Wunschliste der neuen, von der Allgemeinheit finanzierten Annehmlichkeiten reicht von Vaterschaftsurlaub über Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose – übrigens eine Folge der Massenzuwanderung – bis hin zur Förderung von günstigen Wohnungen, die auch als Folge der Massenzuwanderung fehlen. Offenbar sieht man keinen Widerspruch darin, einerseits im Namen des Klimas ein einfaches Leben zu predigen und sich anderseits zwei Wochen Papi-Zeit und/oder sich eine Wohnung durch Subventionen bezahlen zu lassen. Mit Nachhaltigkeit hat das wenig zu tun, mit Heuchelei dagegen viel. Klar ist: Wer tatsächlich an die nachfolgenden Generationen denkt und es nicht darauf anlegt, Liebling des Zeitgeists zu sein, setzt sich 2020 für eine schnörkellose Reform der Altersvorsorge ein. So, wie dies die SVP seit Jahren vorgelegt hat und wie es immer noch gilt.[6]

 V. Mass halten bei der Zuwanderung

Zur Dekadenz, zum Niedergang, gehört vor allem die verheerende exzessive freie Zuwanderung und die staatliche Förderung des Scheinasylantentums. Das Asylwesen wäre laut Gesetz auf die an Leib und Leben verfolgten echten Flüchtlinge zu beschränken. Die vorläufig Aufgenommenen sind keine Flüchtlinge, sondern abgewiesene Asylanten. Deshalb sind diese konsequent auszuweisen.

Das grösste Problem ist jedoch die unbeschränkte Personenfreizügigkeit gegenüber den EU-Staaten. Diese ist dringend aufzuheben und die Einwanderung zu begrenzen, so wie dies Volk und Kantone schon 2015 beschlossen haben und wie es in der Bundesverfassung geschrieben steht. Es gilt, endlich wieder Mass zu halten bei der Zuwanderung in unser Land!

Meine Damen und Herren, die Personenfreizügigkeit wollte in der Schweiz ursprünglich niemand. Hören Sie, was der damalige geschäftsleitende Direktor der Economiesuisse – damals hiess sie noch Vorort – lange vor der Einführung der Personenfreizügigkeit sagte: «Das Problem der Überfremdung wird sich im Zusammenhang mit der europäischen Integration verschärfen. Von dieser Seite her droht der schweizerischen Eigenart die grösste Gefahr.» Die volle Personenfreizügigkeit würde «den Anfang des Untergangs der Schweizerischen Eidgenossenschaft bedeuten».[7]

Und an die Adresse aller freisinnigen Wichtigtuer, die die Personenfreizügigkeit als notwendige Einrichtung des freien Handels predigen, sei in Erinnerung gerufen: Der grosse liberale Nobelpreisträger für Wirtschaft, der Amerikaner Milton Friedmann, der das ganze Leben für den Freihandel eintrat, sagte: Man könne alles dem Freihandel unterstellen, nur die Personen unter keinen Umständen. Die Zuwanderung müsse trotz Freihandel stets begrenzt und selbstgesteuert werden, es sei denn, man würde überall die Sozialwerke abschaffen.[8]

Und damit sind wir mitten in einem grossen Problem: Jede Einwanderung ist immer auch eine Einwanderung in die Sozialwerke eines Landes! Das will niemand zur Kenntnis nehmen. Die Verantwortlichen schliessen die Augen und handeln nach dem Grundsatz: «Nicht gesehen, nicht geschehen.» In den neunziger Jahren forderte die EU ultimativ die Personenfreizügigkeit auch für die Schweiz. Und – wie sollte es anders sein – die Classe politique hatte nicht den Mut, Nein zu sagen. Sie gab – wie immer – nach. Die Zustimmung des Schweizer Volkes erzwang man, indem der vereinigte Mainstream – Verwaltung, Bundesrat, Parlament, Journalisten – eine Fake News nach der andern auftischte: Die Personenfreizügigkeit werde keine negativen Folgen haben. Mehr als 8’000 bis 10’000 Personen pro Jahr würden nicht kommen. In der Realität sind es 70‘000 bis 100‘000, also das Sieben- bis Zehnfache geworden. Und heute sagt man bereits, es habe sich normalisiert – bei über 50’000 Einwanderern im Jahr! Das Schweizervolk ist damit nicht mehr einverstanden und wollte den Fehler bereits korrigieren: 2015 wurde die Masseneinwanderungsinitiative gutgeheissen. Diese verlangt die Abschaffung der vollen Personenfreizügigkeit durch einen Verfassungsartikel. Die Zuwanderung soll wieder eigenständig durch die Schweiz gesteuert werden. Der Verfassungsartikel verlangt die Kontingentierung, Höchstzahlen und den Vorrang des Schweizers am Arbeitsplatz! So wie sich dies von 1971 bis 2007 bewährt hat. Doch das Parlament, das das Ausführungsgesetz zu formulieren hatte, machte daraus ein Gesetz, dessen Inhalt genau das Gegenteil des angenommenen Verfassungsartikels ist. Es beschloss nochmals die volle Personenfreizügigkeit.  Damals sassen in unserem Parlamentssaal – wie übrigens auch heute – Verfassungsverräter. Ohne Hemmungen begingen sie ihre Untat in trauter Runde, obwohl sie alle feierlich den Schwur oder das Gelöbnis auf die Verfassung abgelegt hatten. Ein Treuebruch ohnegleichen gegenüber der Schweiz!

Und deshalb, meine Damen und Herren, stimmt das Schweizervolk am 17. Mai 2020 erneut über die Begrenzungsinitiative ab. Sie soll den ungehinderten freien Zustrom von Einwanderern begrenzen. Sie gewährleistet, dass nur Leute, die die Schweiz wegen Mangel an eigenen Leuten braucht, weiterhin in die Schweiz einreisen und arbeiten können.

Meine Damen und Herren, kann man denn einfach die Augen vor der Realität verschliessen? In den letzten 13 Jahren – seit Einführung der Personenfreizügigkeit – kamen nicht weniger als eine Million Menschen in die Schweiz! Eine Million Menschen mehr! Die Schweiz hat heute gleich viele Einwohner wie das Nachbarland Österreich, hat aber nur halb so viel Fläche. Die Folgen kennen Sie: Dichtestress!

  • Masslose Überbauungen, unter anderem im Kanton Zürich, denn eine Million mehr Menschen brauchen 454‘000 neue Wohnungen.
  • Verlust von Landwirtschaftsland, denn durch diese Million mehr werden 57‘000 Fussballfelder überbaut.
  • Gedränge in öffentlichen Verkehrsmitteln.
  • Staus auf Strassen, denn eine Million Menschen fahren 543‘000 Autos und 789 Busse.
  • Man braucht mehr Schulhäuser, Lehrer, Ärzte, Pflegepersonal, denn die Million Einwanderer haben Kinder, Autos, wollen reisen, gehen zur Schule, werden krank. Und so geht es weiter: Jedes Jahr kommen mehr, jedes Jahr wird es schlimmer mit der Dichte. Neue Generationen wachsen heran, auch sie mit ihren Ansprüchen. Die Schweiz wird überrollt. Das Ganze führt in den Abgrund. Und denken Sie bitte auch an unsere Umwelt:
  • Verknappung von Landwirtschaftsland.
  • Weniger Freiraum und Freiflächen.
  • Übernutzte Strukturen auf jedem Gebiet:
    Eine Million Einwanderer brauchen zwei Milliarden KWh mehr Elektrizität. Doch woher nehmen? Dies sind 500 Windkraftwerke oder neue Gaskraftwerke, die CO2 ausstossen, was man doch vermindern wollte.
    Eine Million Einwanderer brauchen 59 Millionen Liter Trinkwasser! Wir haben heute die sauberste Luft, den saubersten Boden, das sauberste Wasser. Doch eine solch masslose Zuwanderung schadet unserer Umwelt, der Lebensqualität und dem Wohlstand.
    Denn:
  • Die masslose Einwanderung gefährdet unsere Arbeitsplätze, u.a. für ältere Arbeitnehmer.
  • Die Erwerbslosigkeit in der Schweiz ist heute bereits höher als in Deutschland. Bei den über 56-Jährigen ist die Sozialhilfequote seit der Einführung der Personenfreizügigkeit um über 140 Prozent gestiegen. Der Bundesrat ist im Hinblick auf die Begrenzungsinitiative in Panik geraten und will nun schnell ein neues Sozialwerk, die «Überbrückungsrente» einführen, obwohl er nicht einmal weiss, wie die bestehenden Sozialwerke zu finanzieren sind. Aber es kommt noch schlimmer: Mit dieser Überbrückungsrente wird es noch interessanter und einfacher, ältere Inländer durch billigere Ausländer zu ersetzen.
  • Die unkontrollierte Masseneinwanderung heisst auch Einwanderung in die Sozialwerke. Bereits heute sind die Ausländer in den Sozialwerken prozentual doppelt vertreten.
  • So sind sind mehr Ausländer arbeitslos, mehr Ausländer in Gefängnissen. Andere Sparten müssten untersucht werden, Krankheitsabwesenheiten zum Beispiel.
  • Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit stagniert der Pro-Kopf-Wohlstand.
  • Die Bevölkerungsdichte führt zu mehr Regulierungen und damit zu mehr Bürokratie und Lohndruck.

 VI. Drohungen

Meine Damen und Herren, ich staune, wie oft sich die Leute durch die Drohungen der EU-Beitrittsbefürworter immer wieder beeinflussen lassen. Die Drahtzieher profitieren von der Vergesslichkeit der Wähler!
Doch die SVP sollte sich ob den wirtschaftlichen Drohungen, die sich alle als Fehlprognosen erwiesen haben, nicht beeindrucken lassen. Wir haben unsere Erfahrungen gemacht:

  • Die älteren unter Ihnen erinnern sich sicher noch an all die Voraussagen vor der EWR/EU-Abstimmung 1992: Die Wirtschaft gehe bei einem Nein zum EWR sehr schlimmen Zeiten entgegen, hiess es. Der Schweizer Franken werde das Vertrauen verlieren und ins Bodenlose fallen, die Zinsdifferenzen würden verschwinden, die Aktien abstürzen, die Arbeitslosigkeit steigen und die Jugend habe keine Zukunft mehr. Bundesrat Delamuraz sprach beim Nein am Sonntagabend vom «Dimanche noir». Das Gegenteil ist passiert! Schon in der ersten Woche danach stiegen die Aktien und der Schweizer Franken. Und dies in einer schweren Rezession!Für die Jüngeren: Schaut genau hin! Während Monaten drohte die EU – noch 2019 – der Schweiz: Wenn du, kleine Schweiz, jetzt nicht endlich das institutionelle Abkommen unterzeichnest, dann werden wir – die mächtige EU – die Börsenäquivalenz nicht mehr verlängern. Noch am 16. Juni 2019 hat die NZZ geschrieben, jetzt – noch vor dem 1. Juli 2019 – müsse die Schweiz das Institutionelle Abkommen unterzeichnen, sonst gebe es keine Verlängerung der Börsenäquivalenz, damit drohten der Schweiz ernsthafte Schwierigkeiten, insbesondere für den Finanzplatz.Was ist passiert? Der Bundesrat hat nicht unterzeichnet, die Börsenäquivalenz wurde nicht verlängert, aber der Bundesrat hatte – hier für einmal gut – vorgesorgt, indem er bestimmte, in diesem Fall werde der Handel der Schweizer Aktien nur noch an Schweizer Börsen zugelassen. Und das hat er dann auch getan. Meine Damen und Herren, was ist passiert? Genau das Gegenteil der wirtschaftlichen Drohungen, der Wirtschaftsverbände, der TA-Medien, der NZZ, etc.: Die «Finanz und Wirtschaft» schreibt dieser Tage: Die Schweizer Börse SIX «profitiert seit dem Wegfall der Anerkennung der Schweizer Börse durch die EU – der sogenannten Börsenäquivalenz – vom höheren Handelsvolumen. Dies, da der Bund im Gegenzug zum Entzug der Anerkennung den Handel mit Schweizer Aktien in der EU verboten hat».[9]Und jetzt meine Damen und Herren, kommt das Entscheidende: «In den ersten drei Monaten ohne Börsenäquivalenz lag der Umsatz zwischen 38 und 51 Prozent höher als im Vorjahr mit Börsenäquivalenz!» Und auch die Zahl der Transaktionen habe um 6,1 Prozent zugenommen.
    Dieser Fall B ist dem SVP-Bundesrat Ueli Maurer zu verdanken. Er hat dies im Bundesrat gegen anfänglich erheblichen Widerstand durchgedrückt. Das ist entscheidend. Danke, Herr Bundesrat Maurer!
    Auch bei der Begrenzungsinitiative wird jetzt wieder gedroht und alles aufgeblasen. Natürlich sollen die Unternehmen, wenn sie hier die Arbeitskräfte nicht mehr finden, Ausländer anstellen können. Das war schon vor 2007 so.
  • Herr Pardini, der ja heute eingeladen ist, wird jetzt dann Horrorszenarien bringen, wie schrecklich es damals war. Nur – Herr Pardini – ich habe in diesen Jahren mit der massvollen Zuwanderung gelebt. Es ging der Schweiz und den zugewanderten Arbeitern gut, und es herrschten keine unmenschlichen Verhältnisse, wie Sie das stets phantasievoll schildern.
  • Auch mit dem Wegfall der fünf Bilateralen Verträge I wird gedroht. Sie werden sehen, dass nichts Katastrophales geschehen wird. Man kann das im Einzelnen darlegen und beweisen. Lassen Sie sich nicht durch all die Drohungen beeinflussen. Der wahre Verlust, der der Schweiz droht, ist der Verlust der schweizerischen Besonderheit, der Verlust der Freiheit, der Demokratie, der Neutralität, der Eigenständigkeit und der Wohlfahrt.

Einzelinteressen dürfen der Schweiz und ihrer Bevölkerung die gewaltigen Nachteile der Personenfreizügigkeit nicht länger aufhalsen.
Die Begrenzungsinitiative der SVP schafft Abhilfe! So, wie in Grossbritannien das Parlament den «Brexit»-Volksentscheid nicht umsetzen wollte, will unser Parlament die Masseneinwanderungsinitiative nicht umsetzen. Also muss jetzt – wie in Grossbritannien bei den Neuwahlen – auch bei uns das Volk zum Rechten schauen. Aus Verantwortung gegenüber unserem Land sagt die SVP klar Ja zur Begrenzungsinitiative. Durchhalten ist die Devise. Die SVP muss nicht drohen. Die schwer wiegenden Nachteile der Personenfreizügigkeit sind eine täglich sichtbare Realität.

VII. Die Wichtigkeit der SVP

Meine Damen und Herren, geben wir uns heute an der 32. Albisgüetli-Tagung noch einmal Rechenschaft, wie wichtig die SVP ist. Sie ist nicht umsonst schon seit 12 Jahren die stärkste Partei. Wichtiger als Wahlerfolge sind aber die Erfolge für das Land. Erinnern Sie sich: In den 1970er-Jahren stand die SVP etwa dort, wo heute die CVP steht, bei rund 10 Prozent! Heute sind wir – und dies schon seit zwölf Jahren – die weitaus grösste Partei.

Die Erfolge seither sind enorm:

  • Ohne die SVP wären wir heute in der EU. Dann wäre es fertig mit der direkten Demokratie, fertig mit der schweizerischen Freiheit und fertig mit der schweizerischen Eigenständigkeit!
  • Dank der Goldinitiative der SVP wurden die schweizerischen Währungsreserven der Nationalbank nicht in eine erpresserische «Solidaritätsstiftung» umgeleitet.
  • Dank der SVP wurden im Kanton Zürich und in vielen andern Kantonen die Erbschaftssteuern – mindestens für die Nachkommen – abgeschafft.
  • Dank der SVP haben wir heute ein weniger larges Asylrecht. Doch die schludrige Ausführung fordert unseren ganzen Einsatz. Hier sind unsere National- und Bundesräte gefragt!
  • Dank der SVP und ihrer Ausschaffungsinitiative können kriminelle Ausländer nach Verbüssung ihrer Haft vermehrt ausgeschafft werden. Dies nicht zuletzt durch den Druck der – dann zwar abgelehnten – Durchsetzungsinitiative.
  • Dank der SVP und ihrer Masseneinwanderungsinitiative steht heute in der Verfassung, dass die Schweiz die Zuwanderung selbständig regle. Damit ist die Personenfreizügigkeit verfassungsmässig untersagt. Zwar haben die Freiheitsfeinde im Parlament den Volkswillen nicht umgesetzt. Die Freiheitsfeinde sind sogar zu Verfassungsverrätern geworden. Aber das können wir am 17. Mai 2020 an der Urne korrigieren, damit der Volkswille durchgesetzt werden kann.
  • Die erpresserische Drohung der EU in der Börsenangelegenheit ist – dank den SVP-Bundesräten – wirkungslos verpufft, ja die Schweizer Börse läuft besser als je.
  • Auch das Departement unseres zweiten Bundesrats, Wirtschaftsminister Guy Parmelin, hat Vorsorge getroffen, dass die guten Beziehungen mit Grossbritannien auch nach dem «Brexit» nahtlos weitergehen. Danke, Herr Bundesrat Parmelin!
  • Vorausschauend hat auch die SVP-Fraktion gehandelt. Nur dank der SVP-Fraktion sitzt für die FDP heute kein Bundesrat Pierre Maudet im Bundesrat. Die Linken wählten damals einhellig den Genfer. Die SVP hat den Charakter von Maudet schnell durchschaut. Er bekam keine Stimme aus der SVP! Stellen Sie sich vor, heute würde der von der SP und Teilen von FDP und CVP getragene Freisinnige Maudet im Bundesrat sitzen!
    Bis heute warten wir SVPler vergebens auf einen Dank der FDP, die wir vor einem Unglück bewahrt haben. Offenbar leben die Freisinnigen nach der Faustregel:
    «Lieber immer weiter kranken,
    als der SVP zu danken.»

Meine Damen und Herren, unsere Gegner stehen mit ihrer Dekadenz auf sandigem Boden. Die saft- und kraftlosen Theorien studierter Wichtigmacher können der Lebenswirklichkeit nicht standhalten.

Die SVP erwartet die Zukunft mit nüchternem, wirklichkeitsgerechtem Sinn, d.h. mit hochgemutem – nicht hochmütigem – Realismus. Es ist besser, wenn wir rechnen, als wenn wir träumen. Unser Zürcher Dichter Gottfried Keller sagte es so:
«Es ist gesünder, nichts zu hoffen und das Mögliche zu schaffen, als zu schwärmen und nichts zu tun.»[10]
In diesem Sinne macht sich die SVP an die Arbeit. Auch wenn uns die Dekadenten kritisieren, beschimpfen oder mit Dreck bewerfen. Unsere unerschrockenen Anstrengungen werden Früchte tragen. Aber nur, wenn wir nicht ermüden, nicht aufgeben, nicht schlapp machen oder verweichlichen wie die andern. Vergessen wir nie: Wir dienen wahrhaft grossen Zielen, und diese haben den Sonderfall Schweiz – dieses einzigartige Land – geschaffen!

  • Vive la Suisse!
  • Viva la Svizzera!
  • Viva la Svizra!
  • Es lebe die Schweiz!

Das Video zum Referat finden Sie hier


[1] Erich Kästner: Der Januar (1955), in: Erich Kästner, Gesammelte Schriften, Bd. 1 Gedichte, Zürich 1959, S. 353.

[2] Kalina Institute of Industrial Technology in Bhubaneswar, Odisha (Indien).
https://en.wikipedia.org/wiki/Kalinga_Institute_of_Industrial_Technology

[3] Mail von Manuela Weichelt-Picard, «Erste Zuger Nationalrätin», an Parlamentsdienste, 9.1.2020, 14:16:46 MEZ.

[4] Energiestrategie 2050: «Sicher, sauber, schweizerisch», srf.ch, 21.3.2017.

[5] Katharina Fontona: Fertig lustig, in: «Die Weltwoche» Nr. 51, S. 15.

[6] Sozialpolitik der SVP Schweiz, 17. Oktober 2008,
https://www.svp.ch/wp-content/uploads/B66D8056-5544-4A7F-BDE54FF267CA3FE2.pdf

[7] Christoph Mörgeli: Vom Tiger zum Kätzchen, in: «Die Weltwoche» Nr. 36, 25.8.2016, S. 24.

[8] Nef, Robert: Sozialstaat und Personenfreizügigkeit, in: «Finanz und Wirtschaft», 2.11.2016, S. 3.

[9] Stefan Krähenbühl: Handelsumsatz an SIX steigt deutlich, in: «Finanz und Wirtschaft», 8.1.2020, S. 11.

[10] https://www.aphorismen.de/zitat/16178

Christoph Blocher
Christoph Blocher
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