Volksrechte unter Druck
In den 90er-Jahren wurden – von allem bei den Diskussionen um den EWR-Beitritt – unsere Volksrechte offen in Frage gestellt. Heute hingegen werden die Volksrechte „schleichend“ eliminiert. Die Bestrebungen zu einer Einschränkung der direkten Demokratie finden heute weitgehend verdeckt via Vorlagen aus der Bundesverwaltung und Entscheide des Bundesgerichts statt – eine höchst bedenkliche Entwicklung.
Im Februar dieses Jahres publizierte das Bundesgericht ein Urteil, das sich auf die Ausschaffung eines kriminellen Drogendealers bezieht. Das Bundesgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass ein zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafte verurteilter mazedonischer Staatsbürger nicht in sein Heimatland ausgewiesen werden darf. Die Migrationsbehörde des Kantons Thurgau hatte eine solche Ausweisung verfügt, weil der Mann wegen Drogendelikten verurteilt worden war (geplante Umsetzung von rund einem Kilogramm Heroin; eine enorme Menge! Gemäss „alter Bundesgerichtspraxis“ galt die Faustregel, dass für 12 Gramm Heroinhandel ein Jahr Freiheitsentzug resultiert). Der Mazedonier rekurrierte mit der Begründung, die Ausweisung sei unverhältnismässig, weil er gut integriert sei. Das Bundesgericht gab ihm nun mit Verweis auf die Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) Recht. Im gleichen Sinn hat das Bundesgericht auch jüngst im Fall eines wegen Drogenhandels zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Afghanen argumentiert. Weil er in der Schweiz Frau und Kind habe, sei eine Ausweisung nicht zumutbar.
Einflussnahme auf Parlament
Der von Volk und Ständen im November 2010 mit der Ausschaffungs-Initiative angenommene Verfassungstext muss mit einem Bundesgesetz umgesetzt werden. Dieser politische Prozess ist derzeit im Gang. Nun greifen die Bundesrichter mit diesem Urteil massiv in den laufenden Gesetzgebungsprozess ein! Das Bundesgericht stellt in den Raum, dass es sich ganz allgemein weder an die Bundesverfassung noch an das folgende Gesetz gebunden sieht, wenn irgendein Verstoss gegen eine Bestimmungen des internationalen Rechts vorliegt.
Dass der Grundsatz „zwingendes Völkerrecht geht der nationalen Rechtsordnung vor“, in der Schweiz gilt, ist und war immer selbstverständlich: Völkermord, Folter, Sklaverei etc. sind (auch) bei uns selbstverständlich verboten. Gemäss Bundesgericht soll nun aber künftig das Völkerrecht generell über dem schweizerischen Recht stehen, internationales Recht und internationale Verträge sollen also Vorrang haben vor unseren Bundesgesetzen und Volksentscheiden. Die Schweiz müsste sich damit jeder Entwicklung von internationalem Recht unterwerfen; eine ganz grundlegende Änderung gegenüber dem bisherigen Verfassungsverständnis.
Bundesrat will Volksrechte beschneiden
In die gleiche Richtung gehen zwei Vorlagen, die der Bundesrat Mitte März in die Vernehmlassung geschickt hat. Der Bundesrat will in Zukunft höhere Hürden für die Gültigkeit von Volksinitiativen ansetzen. Nach geltendem Recht erklärt das Parlament eine Volksinitiative für ungültig, wenn sie zwingendem Völkerrecht widerspricht. Neu soll eine materielle Vorprüfung durch die Bundesverwaltung noch vor der Unterschriftensammlung erfolgen. Könnte es mit einer Initiative zu einem möglichen Konflikt mit irgendeinem internationalen Abkommen oder irgendwelchem, nicht zwingendem „Völkerrecht“ kommen, soll auf dem Initiativbogen ein „Warnhinweis“ angebracht werden. Damit will der Bundesrat auf die Unterschriftensammlung Einfluss nehmen.
Gleichzeitig sollen die Gründe für die Ungültigkeitserklärung einer Volksinitiative massiv ausgeweitet werden. Das Parlament soll neu auch Volksini-tiativen für ungültig erklären, die den „von der Bundesverfassung anerkannten Kerngehalt der Grundrechte“ verletzen. Damit soll gemäss Bundesrat die „Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit den wichtigsten völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz“ gestärkt werden. Was dieser Kerngehalt der Grundrechte umfassen soll, ist unklar. So frohlockt der Bundesrat im erläuternden Bericht zum Vernehmlassungsverfahren bereits, dass die anwendenden Behörden bei der Bestimmung des Kerngehalts „einen gewissen Handlungsspielraum“ haben. Kurz: Der Bundesrat öffnet auf diese Weise der politischen Willkür Tür und Tor. Das Parlament erhält die Kompetenz, quasi nach Belieben – mit Verweis auf schwammige Begriffe – unliebsame Initiativen für ungültig zu erklären. Ein solches Vorgehen käme einem Frontalangriff auf die Volksrechte und einem massiven Abbau unserer direkten Demokratie gleich.
Stärkung Beamter und Richter ist der falsche Weg
Letztlich führt diese Entwicklung nicht „nur“ zu einer Einschränkung der Volksrechte, sondern auch dazu, dass die Schweiz das eigene Landesrecht gar nicht mehr eigenständig entwickeln kann. Das internationale Recht, das natürlich ohne Mitwirkung des schweizerischen Gesetzgebers und der Stimmbürger geschaffen wird, wäre für die Schweiz bindend, während das Landesrecht zu einem Recht zweiter Klasse wird, das sich nur noch beschränkt weiter entwickeln kann und in immer weniger Bereichen relevant ist. Gestärkt werden dadurch insbesondere Beamte und Richter, Juristen- und Expertengremien, die sich akribisch um eine Umsetzung internationalen Rechts bemühen. Die Schweiz als souveräner Staat und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger werden hingegen massiv geschwächt.
Diese Tendenz muss entschieden bekämpft werden. Die Parteileitung der SVP hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche Optionen und Projekte erarbeiten soll, um die Volksrechte und die direkte Demokratie zu erhalten und zu stärken.