Bund will vom Schreibtisch aus einbürgern – Gemeinden tragen die Verantwortung

Den Kantonen steht es heute frei, im kantonalen Recht Einbürgerungserleichterungen für Ausländer der dritten Generation vorzusehen. Neu will man allen eine Einheitspraxis aufzwingen. Wie oft sprechen wir vom Föderalismus? Wie oft wird er hoch gepriesen?

 

Alleine zwischen 2005 bis 2015 wurden 410’448 Ausländer eingebürgert. Das entspricht der Einwohnerzahl der Stadt Zürich.

Viele wollen gar keinen Schweizer Pass
Die Befürworter der Abstimmungsvorlage zur erleichterten Einbürgerung der dritten Generation argumentieren stets mit den gut integrierten Italienerinnen und Italienern. Das stimmt. Die gibt es. Und wir schätzen sie. Doch sie alle haben heute schon die Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen. Es dauert wohl kein Jahr und sie haben den Schweizer Pass. Doch viele von ihnen wollen gar keinen Schweizer Pass. Sonst hätten sie ihn schon lange. Mit der neuen Regelung will man den Schweizer Pass den Menschen der dritten Generation buchstäblich aufzwingen. Das ist keine gute Voraussetzung.

Bundesverwaltung will vom Schreibtisch aus einbürgern
Die Integration ist die wichtigste Voraussetzung, um als Ausländer das Schweizer Bürgerrecht zu erhalten. Die Einbürgerung muss stets der letzte Schritt der Integration sein und nicht der erste. In einer Gemeinde können die Einwohner und die Verantwortlichen am besten beurteilen, ob sich der Gesuchsteller in das Gemeindeleben integriert hat.
Neu soll für unter 25-jährige Ausländer (bzw. in einer Startphase unter 35-jährige), welche die formellen Voraussetzungen erfüllen, ein standardisiertes und vereinfachtes Einbürgerungsverfahren mit mehr oder weniger automatisiertem Schriftenwechsel gelten. Das Migrationsamt von Bundesrätin Sommaruga in Bundesbern entscheidet für alle Jungen in der ganzen Schweiz aufgrund der Akten, ohne sich die Person anzuschauen. Bei Annahme der erleichterten Einbürgerung gibt es kein mündliches Verfahren mehr, kein Vorsprechen vor einer Kommission und keine Abstimmung in den Gemeindebehörden.

Gemeinden wollen kein Mitwirkungsrecht, sie wollen entscheiden
Befürworter führen als Argument ins Feld, die Gemeinden und Kantone hätten immer noch ein Mitwirkungsrecht, sie dürften dann gegen die im erleichterten Verfahren gewährten Einbürgerungen der Bundesverwaltung Rechtsmittel einlegen. Gemeindebehörden haben in der Realität aber andere Probleme, als sich gegen unverständliche Entscheide der Bundesbehörden juristisch zu wehren. Das weiss die Bundesverwaltung genau. Die praktische Bedeutung des Mitwirkungsrechts dürfte deshalb gegen Null tendieren.

Bund will einbürgern, aber Verantwortung abschieben
Offensichtlich traut der Gesetzgeber dieser ganzen Konstruktion selbst nicht ganz. Anscheinend rechnet er damit, dass ihm bei den kaum mehr durchgeführten Abklärungen auch Fehlentscheide passieren können. Die Verantwortung schiebt er deshalb mit dem Mitwirkungsrecht elegant auf die Kantone und Gemeinden ab. Diese hätten sich ja melden müssen, wenn sich ein erleichtert Eingebürgerter nachträglich als nicht integriert entpuppt. Deshalb stimmte der Ständerat der Vorlage mit 25 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung nur relativ knapp zu.

Kurz: Die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation ist unnötig. Alle in Frage kommenden Einbürgerungen können über das ordentliche Verfahren abgewickelt werden, denn wir haben heute ein bewährtes System. Es braucht keine Änderung. Deshalb stimme ich aus Überzeugung Nein.  

 

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