Stoppt den Unsinn!
Der Automatische Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) soll auf immer mehr Länder ausgedehnt werden. Nach dem Fall Khashoggi verlangt die SVP ein Moratorium und damit eine Überprüfung aller problematischen Staaten.
Unter Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wurden nicht nur haufenweise Schweizer Bankkunden ans Ausland verraten; unter ihrer Departementsführung hat die Schweiz auch den automatischen Informationsaustausch massiv vorangetrieben. Weder hat unser Land mit seiner bewährten Tradition des Bankkundengeheimnisses in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihr Veto-Recht wahrgenommen, noch darauf gewartet, dass zumindest die USA Gegenrecht halten. Vielmehr wurden im Sommer 2014 im Rahmen der OECD neue globale Standards für den internationalen AIA beschlossen. Darin sind zahlreiche Länder übereingekommen, Finanzinformationen von Kunden zu sammeln, die steuerlich im Ausland ansässig sind – und zwar alle Arten der Kapitaleinkommen sowie den Saldo des Kontos. Seit Anfang 2017 muss auch die Schweiz die entsprechenden Daten sammeln. Bisher hat das Parlament den Austausch mit 81 Partnerstaaten genehmigt. Dank dem Druck der SVP und ihrer Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» ist das Bankkundengeheimnis im Inland davon nicht betroffen.
Rechtsstaatlich problematisch
Zu den Ländern, mit denen wir demnächst einen solchen Datenhandel treiben, gehören neben rechtsstaatlich problematischen Staaten in Süd- und Mittelamerika vor allem Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate usw. Nach der grauenhaften Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi aus Saudi-Arabien, aber auch angesichts der Knebelung der Presse und der Meinungsfreiheit in diesen und weiteren Ländern, der katastrophalen Situation bezüglich Menschenrechte und Korruption sowie der Aushöhlung der politischen Rechte kann der AIA für die Betroffenen höchst bedenkliche Folgen haben.
Nirgendwo auf der Welt ist der Anteil unfreier Staaten höher als im Nahen Osten und in Nordafrika, wo teilweise das muslimische Scharia-Recht rücksichtslos durchgesetzt wird. Betroffen von Informationsaustausch sind ausländische Kunden mit Konten in der Schweiz, vor allem aber auch Schweizer, die sich beruflich oder privat im Ausland aufhalten. Angesichts der rechtsstaatlichen Zustände in vielen dem AIA unterliegenden Ländern sind Erpressungen, Entführungen und noch Schlimmeres nicht auszuschliessen. Will dafür der Schweizer Bundesrat und das Parlament die Verantwortung tragen?
Moratorium – jetzt!
Dass die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK) das Doppelbesteuerungsabkommen mit Saudi-Arabien vorerst nicht genehmigt, ist positiv. Aber es ist nur ein Teilerfolg. Denn die grausame Ermordung und Zerstückelung Khashoggis dürfte nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Deshalb muss die Schweiz jetzt dringend eine von der OECD unabhängige Überprüfung der Auswirkungen des gesamten Netzwerkes des Informationsaustausches vornehmen.
Dies ist umso notwendiger, als nicht weniger als 43 Staaten und Territorien – meist Schwellen- und Entwicklungsländer mit besorgniserregenden rechtsstaatlichen Zuständen – absehbare AIA-Partner werden sollen. Statt den Datenaustausch mit solchen Ländern kopflos voranzutreiben, verlangt die SVP in der kommenden Wintersession ein Moratorium beim Automatischen Informationsaustausch bis der Bund aussagekräftige Erfahrungen mit den bisherigen 81 Partnerstaaten machen konnte. Es wäre höchst leichtsinnig und unverantwortlich, den Informationsaustausch unüberlegt und ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen auf immer noch mehr problematische Staaten auszudehnen. Es ist ja schon seltsam: Während die Schweiz sich sonst weltweit für Menschenrechte stark macht, scheinen ihr rechtsstaatliche Zustände bei der Offenlegung der finanziellen Privatsphäre vollkommen egal zu sein.