Stillstand können wir uns in der Politik nicht leisten
An der Schwelle zum Jahr 2019 dürfen wir mit Genugtuung feststellen: Der Schweiz geht es gut. Was wir uns erarbeitet haben, ist nachhaltig und eine gute Basis, damit wir auch die Zukunft meistern können. Das heisst aber nicht, dass wir die Hände in den Schoss legen dürfen. Der Kleinstaat Schweiz steht vor grossen Herausforderungen, die einen zusätzlichen Effort notwendig machen.
Ein Blick über unsere Grenzen hinaus genügt, um festzustellen, dass wir in turbulenten Zeiten leben. Die Mächtigen dieser Welt scheinen manchmal selber nicht mehr zu wissen, wohin die Reise geht. Und im Zweifelsfall setzen sie auf Rezepte, die wir erst noch als längst überholt betrachtet haben. Dass beispielsweise der Protektionismus ausgerechnet im Zeitalter der Globalisierung eine Renaissance erlebt, sollte uns nachdenklich stimmen. Die Macht des Stärkeren hat heute wieder einen deutlich grösseren Stellenwert als noch vor wenigen Jahren.
Internationaler Druck nimmt zu
Auch die Schweiz bekommt den raueren Wind bereits zu spüren. Die Drohung mit schwarzen Listen ist zu einem salonfähigen Instrument zur Durchsetzung von Interessen und Machtansprüchen geworden. Ein weiteres Beispiel: Die Börsenäquivalenz wird der Schweiz, obwohl wir rechtlich alle Voraussetzungen erfüllen, nur auf Zusehen hin gewährt, damit wir uns im Hinblick auf eine dynamische Übernahme von EU-Recht gefügig zeigen.
Konkurrenz unter den Wirtschaftsstandorten ist gesund und wachstumsfördernd, solange alle Beteiligten über gleich lange Spiesse verfügen. In diesem Spiel hatte die Schweiz bisher gute Karten. Und wir haben diese sehr wohl zu nutzen gewusst, wie unser Wohlstand, unsere Wirtschaftskraft und das gute Funktionieren unseres Sozialstaats zeigen. Aber selbst dort, wo es «bloss» um den Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit geht, sind wir heute stärker gefordert. Wenn beispielsweise wichtige Konkurrenzstandorte wie die USA, Grossbritannien oder China ihre Firmensteuern senken, können wir dem nicht tatenlos zusehen, wenn uns am Erhalt von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen gelegen ist.
Schweiz muss bleiben
Die Vorlage über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) gibt uns die Chance, diesbezüglich wieder Terrain zurückzugewinnen und im Vergleich mit dem Ausland an Wettbewerbsfähigkeit zuzulegen. Nutzen wir diese Gelegenheit nicht, so wird uns das um etliche Jahre zurückwerfen. Die vom Parlament beschlossene Verknüpfung des Steuerteils mit einer Vorfinanzierung der AHV im Hinblick auf eine tiefgreifende Reform dieses Sozialwerks, hat nichts mit einem «Deal» zu tun, sondern entstand aus dem Bedürfnis heraus, breiteste Bevölkerungskreise von dieser Reform profitieren zu lassen. Sie entsprang insbesondere auch dem Willen, im Interesse der Sache einen tragfähigen Kompromiss zu schmieden.
Es ist diese Fähigkeit zum Kompromiss, die uns immer wieder geholfen hat, vorwärts zu kommen oder gar Blockaden zu lösen. Überhaupt lohnt es sich, uns gerade in diesen hektischen Zeiten wieder vermehrt auf jene Wurzeln zu besinnen, aus denen das gewachsen ist, was uns heute stolz macht. Zu den typisch schweizerischen Werten zähle ich neben der Kompromissbereitschaft etwa die direkte Demokratie, den Föderalismus oder eine gesunde Skepsis den Mächtigen gegenüber – ob sie nun von aussen auf uns einzuwirken oder im Inland sich aufzuspielen versuchen. Hinzu kommen individuelle Stärken wie Fleiss, Pünktlichkeit, Neugier oder Innovationsfreude.
Erfogsgeschichte weiterschreiben
Ich bin überzeugt: Wenn wir wieder vermehrt solche Tugenden pflegen, wird es uns gelingen, auch die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Die Bevölkerung erwartet von uns Politikern, dass wir parteiübergreifend bereit sind, Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden. Deshalb: Geben wir uns diesen Ruck, krempeln wir die Ärmel hoch! Mit dieser Entschlossenheit, gepaart mit der nötigen Gelassenheit und einer lösungsorientierten Zielstrebigkeit, wird es uns gelingen, auch aus den aktuellen Umwälzungen ein weiteres Kapitel in der schweizerischen Erfolgsgeschichte zu schreiben.