Die Bilateralen I nützen vor allem der EU
Die Begrenzungsinitiative ist dringend nötig. Selbst bei einer Kündigung der Bilateralen I hätte die Schweiz nichts zu befürchten. Im Gegenteil: Die Vorteile der Bilateralen I wiegen die negativen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit in keiner Weise auf.
Das meistgehörte Argument gegen die dringend nötige Begrenzungsinitiative lautet: Sollte die Schweiz die Personenfreizügigkeit beenden, wird die Europäische Union sämtliche Verträge der Bilateralen I kündigen. Die Gegner der SVP-Volksinitiative behaupten, dies hätte schwerwiegende Folgen für unsere Wirtschaft. Doch in Wirklichkeit wären neben dem Personenfreizügigkeitsabkommen nur gerade 6 von über 120 bilateralen Verträgen mit der EU betroffen.
Dass die Bilateralen I überschätzt werden, belegen folgende Fakten: 2001, im Jahr vor Inkrafttreten der Bilateralen I, gingen noch 64 Prozent der Schweizer Exporte in die EU. Heute sind es nur noch gerade 44 Prozent. Erstmals in der Geschichte der Eidgenossenschaft sind die Exporte in die EU tiefer als jene in die restliche Welt. Unsere Wachstumsmärkte befinden sich in Amerika und in Asien. Mit keinem der Länder dieser Kontinente existieren Vereinbarungen, die mit den Bilateralen der EU vergleichbar wären, geschweige denn ein Abkommen betreffend Personenfreizügigkeit. Mit zahlreichen Ländern existiert nicht einmal ein Freihandelsabkommen.
Kosten-Nutzen-Rechnung zulasten der Schweiz
Die Vorteile der Bilateralen Verträge I wiegen die grossen Nachteile der Personenfreizügigkeit in keiner Weise auf. Eine Analyse der Kosten-Nutzen-Rechnung fällt immer drastischer zulasten der Schweiz aus. Die zur Debatte stehenden Verträge der Bilateralen I wären bei einer Kündigung der Personenfreizügigkeit für die Schweiz keineswegs überlebenswichtig, wie die folgenden Ausführungen zeigen
- Das öffentliche Beschaffungswesen liegt im Interesse der EU, denn Schweizer Firmen sind bei EU-Ausschreibungen wegen der hohen Lohnkosten vielfach nicht konkurrenzfähig.
- Das Landverkehrsabkommen mit kurzer Nord-Süd-Achse, viel zu billigem Transitpreis und Zulassung der 40-Tönner wurde zum Vorteil der EU ausgehandelt. Es ist so gut wie undenkbar, dass Deutschland, Italien, Österreich, Frankreich und die Benelux-Länder zulassen würden, dass dieses Abkommen nicht sofort wieder neu ausgehandelt wird.
- Bei Kündigung des Flugverkehrsabkommens inklusive Zwang zur Übernahme künftiger Regelungen ist kein Zusammenbruch des Flugverkehrs zu befürchten, da sehr viele Fluggesellschaften die Schweiz gern anfliegen und die früheren internationalen Abkommen immer noch gelten.
- Ein Wegfall des Landwirtschaftsabkommens mit der EU hätte keine spürbaren Auswirkungen auf die Schweiz.
- Das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse dient der beidseitigen administrativen Erledigung der Zertifizierung von Produkten. Selbst nach Berechnung von Economiesuisse sind die Kostenersparnisse kleiner als der Aufwand der SRG-Mediensteuer, die der Wirtschaftsdachverband unterstützt hat.
- Was das Abkommen über die EU-Forschungsprogramme betrifft, läuft dieses ohnehin 2020 aus und muss neu verhandelt werden. Die Schweiz muss sich mit den Besten austauschen. Doch besser als unsere ETH sind nur Unis ausserhalb der EU, vor allem in den USA und Grossbritannien.
Massvoll statt Masse
Entscheidend ist nicht das absolute Wirtschaftswachstum, das mit mehr Bewohnern logischerweise zunimmt. Entscheidend für den Wohlstand ist das Wachstum pro Kopf. Fakt ist: 1945 bis 2001 (vor Einführung der Bilateralen I) betrug das jährliche Wachstum des BIP pro Kopf in der Schweiz durchschnittlich 2 Prozent – ohne Personenfreizügigkeit. Seit deren Einführung 2007 hat der Wohlstand, gemessen am BIP pro Kopf, stagniert. Gleichzeitig hat das Produktivitätswachstum pro Kopf stark abgenommen; wir stehen vor Italien europaweit an zweitletzter Stelle. Die Erwerbslosenquote betrug 2001 2,9 Prozent, jetzt sind es 4,8 Prozent. In der Romandie und im Tessin stiegen diese Zahlen von 3,55 Prozent (2001) auf 7,14 Prozent (2019).
Wer nicht will, dass wir in den nächsten 13 Jahren nochmals eine Nettozuwanderung von einer Million Menschen erleben, sagt am 17. Mai Ja zur Begrenzungsinitiative. Sie ist die letzte Chance, damit unsere Schweiz Schweiz bleibt.