Nein zum Unterwerfungsvertrag
Das Rahmenabkommen ist die Neuauflage des vom Volk abgelehnten Kolonialvertrags EWR. Als föderalistisches Land und älteste Demokratie in Europa darf sich die Schweiz nicht wie ein Untertanenland von der EU vorführen lassen. Diese hat es vor allem auf unser Geld abgesehen – wie schon Napoleon, als er 1798 den Berner Staatsschatz raubte, um seine Expansionskriege zu finanzieren.
Am 6. Dezember 1992 lehnten Volk und Stände den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ab. Als die Schweiz und die EU im Herbst 1993 Verhandlungen aufnahmen, forderte die EU, dass der freie Personenverkehr in die Bilateralen I aufgenommen würde, obwohl die Schweiz offiziell nur an einer Beteiligung am EU-Binnen(wirtschafts)markt interessiert war. Doch hinter den Kulissen arbeiteten namhafte Beamte auf einen EU-Beitritt hin. Gewisse Kreise lancierten deshalb schon 1997 die Idee eines institutionellen «Assoziationsabkommens», das die Schweiz «zu einer kontinuierlichen Annäherung» an die EU verpflichtet hätte. Mehr als zehn Jahre später griff EU-Kommissionspräsident Barroso 2008 das Rahmenabkommen für seine Zwecke auf und forderte «ohne Rahmenabkommen keine neuen Verträge», um so die Schweiz zum automatischen Nachvollzug von EU-Recht zu zwingen (analog EWR). Der damalige Bundesrat gab dem Druck nach und bestellte 2011 bei Professor Thürer ein Geheimgutachten, das aufzeigte, wie die Schweiz ohne Volksabstimmung schleichend in die EU geführt werden könne, indem nämlich den Urteilen des EU-Gerichtshofs (EuGH) «völkerrechtlicher Charakter» zugestanden würde, und da Völkerrecht grundsätzlich Vorrang vor innerstaatlichem Recht hätte, die EU-Rechtsprechung damit über Parlament und Volk gestellt würde.
«Ja, es geht um fremdes Recht»
Während die Schweiz ursprünglich der EU keine einseitige Überwachungs- und Rechtsauslegungskompetenz zugestehen wollte, machten die Schweizer Verhandlungsführer ein weiteres Mal schwerwiegende Konzessionen und sie akzeptierten die automatische EU-Rechtsübernahme für zukünftige wie auch bisherige Verträge, die Überwachung durch die EU-Kommission und die Rechtsauslegung/Streitbeilegung durch den EuGH, das Gericht der Gegenpartei. Yves Rossier sagte wörtlich: «Ja, es sind fremde Richter, es geht aber auch um fremdes Recht.» Den Einfluss des EuGH versuchte EU-Kommissionspräsident Juncker 2017 durch ein vorgelagertes «Schein-Schiedsgericht» zu kaschieren, welches für die EU-Assoziierungsabkommen mit den postsowjetischen Staaten Ukraine, Moldawien und Georgien entworfen wurde, um diese enger an die EU anzubinden.
Kritik am Abkommen nimmt zu
Die Wirtschaft steht dem Rahmenabkommen kritisch gegenüber. So sagt Paul Bulcke: «Die Schweiz sollte nichts überstürzen. (…) Angesichts der Tatsache, dass der Brexit noch nicht ausverhandelt ist, frage ich mich, ob nicht auch die Schweiz noch etwas nachverhandeln könnte. (…) Wir sollten flexibel bleiben.» Axel Weber ist noch deutlicher: «Die EU muss Drittstaaten wie der Schweiz ein besseres Angebot machen.» Und Alfred Gantner ist überdeutlich: «Das Rahmenabkommen sieht die dynamische Übernahme von EU-Recht vor. Wir würden doch auch nicht US-Recht übernehmen, nur um Zugang zum US-Binnenmarkt zu haben. Mit der dynamischen Rechtsübernahme gefährdet das Rahmenabkommen den Föderalismus und den Kern der direkten Demokratie.» Gerhard Pfister erachtet den EuGH als «toxisch für die Mehrheitsfähigkeit des Rahmenvertrags» und Petra Gössi forderte früher, dass «die Guillotine-Klausel weg» müsse.
Angesichts der langen Historie und der breiten Kritik wäre der Bundesrat gut beraten, jetzt nicht überstürzt Verhandlungsführerin Nummer 5, Livia Leu, in einer Hauruck-Übung lediglich die drei offenen Punkte «klären» zu lassen, sondern erstens den Ausgang der Abkommensverhandlungen zwischen Grossbritannien und der EU abzuwarten (bis ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen steht, wird es sicherlich noch zwei Jahre dauern) und zweitens den Streitbeilegungsmechanismus des Kanada-EU-CETA-Abkommens als Alternative zum EuGH zu prüfen.