Ein Bürokratiemonster ohne Mehrwert
Die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» will den Wechsel von der Ehepaarbesteuerung zur Individualbesteuerung. In einem Punkt sind wir mit den Initianten einig: Die Heiratsstrafe gehört endlich abgeschafft.

Eine Umstellung auf die Individualbesteuerung würde auf einen Schlag 1,7 Millionen neue Steuererklärungen auslösen, die alle bearbeitet und kontrolliert werden müssen. Damit wären weit über 2’000 neue Steuerbeamte nötig, die keine zusätzliche Wertschöpfung bringen, aber die Staatsquote zusätzlich erhöhen. Aber damit nicht genug: Bei jedem Stipendiengesuch oder bei der Anmeldung zum Musikunterricht müssten künftig zwei Steuerveranlagungen eingereicht und überprüft werden. Auch deshalb sind die Finanzdirektorenkonferenz und der Verband der Gemeinden gegen die Individualbesteuerung.
Die getrennte Einkommensdeklaration ist ja noch relativ einfach möglich. Komplexer wird es im Falle einer Ehe mit Errungenschaftsbeteiligung – das sind heute die allermeisten Ehen – mit dem Vermögen. Da braucht es jedes Jahr eine güterrechtliche Auseinandersetzung. Oder anders gesagt: Bevor Sie die Steuererklärung ausfüllen, müssen Sie jedes Jahr finanziell eine Scheidung vollziehen. Das schafft bestenfalls viel Arbeit für Juristen.
Die Individualbesteuerung privilegiert eine Aufteilung der Erwerbstätigkeit der Ehepartner zu je 50 %. Wählt eine Familie eine andere Aufteilung wird sie durch die Progression steuerlich benachteiligt. Der Staat fördert so einseitig ein Familienmodell – das ist aber nicht Aufgabe des Staates, sondern das sollen die Ehepartner selber wählen können.
Mit angepassten Steuertarifen oder Splitting haben wir in verschiedenen Kantonen bewährte Lösungen zur Abschaffung der Heiratsstrafe, die problemlos auch bei der direkten Bundessteuer eingeführt werden könnten.
Zusammengefasst: Die Individualbesteuerung wird ein Bürokratiemonster, ist kompliziert, steht im Widerspruch zur Ehe als wirtschaftliche Einheit, schafft neue Ungerechtigkeiten und ist dazu noch unsozial.