Artikel

Damit die Schweiz nicht zugrunde geht!

Ansprache vom 25. Mai 2024, gehalten an der ordentlichen Mitgliederversammlung der PRO SCHWEIZ

Christoph Blocher
Christoph Blocher
a. Bundesrat Herrliberg (ZH)

I.  Sternstunde der Eidgenossenschaft

Hier stehe ich vor Ihnen. Nicht zum ersten Mal. Aber sicher stets in bewegter Stunde. Denken Sie an einen der bedeutendsten Tage der modernen Schweizer Geschichte: an den 6. Dezember 1992.

Damals sagte der Schweizer Souverän – d.h. die Mehrheit von Volk und Ständen – Nein zum EWR-Vertrag, also Nein zu einem Kolonialvertrag. Auch damals mit einer verführerischen Überschrift: «Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).»

Aber damals – 1992 – ist die Bevölkerung aufgestanden gegen die classe politique, d.h. gegen fast alle Beamte, Diplomaten, Politiker, Wirtschaftsvertreter, Gewerkschafter und Journalisten. All diesen hätte der EWR mehr Macht, mehr Geld, mehr Einfluss gebracht. Aber die Bürger, die Menschen, das Volk hätten verloren, wären als Gesetzgeber entmachtet – und damit einflussloser, fremdbestimmter und ärmer – geworden. Darum hat das Volk gewonnen.

Der 6. Dezember 1992 war eine wahre Sternstunde der Eidgenossenschaft. Ohne diesen Erfolg wäre die Schweiz nämlich heute Mitglied der Europäischen Union – und damit Teil dieser «intellektuellen Fehlkonstruktion» (so nenne ich sie gepflegt).

II. Stets ein Kolonialvertrag

Aber auch nach 1992 werkelte die Classe politique ständig weiter an der Preisgabe der schweizerischen Unabhängigkeit.

Beim Rahmenvertrag mit der EU merkte der Bundesrat allerdings, dass das Schweizer Volk diesem neuerlichen Kolonialvertrag nie zustimmen würde und beerdigte diesen 2021 gleich selber.

Doch die Classe politique gab keine Ruhe. Ende 2023 behauptete der Bundesrat kühn, er strebe jetzt eine Paketlösung an. Die Schweiz soll von der EU also nicht mehr eingerahmt, sondern gleich eingepackt werden! Doch die Sache ist einfach:

Es ist stets ein Kolonialvertrag – wie damals der EWR und der beerdigte Rahmenvertrag! Es ist die Preisgabe der schweizerischen Unabhängigkeit, die Anerkennung der EU als künftiger Gesetzgeber, und in einem Rechtsstreit entscheidet der Europäische Gerichtshof – also nicht nur fremde Richter, sondern gleich auch noch das Gericht der Gegenpartei.

III. Die alte Leier

1992, 2021, 2024 – es ist immer die alte Leier. Im Bundeshaus und in der Bundesverwaltung will man sich unentwegt der EU anpassen und die Unabhängigkeit der Schweiz, die Neutralität und die direkte Demokratie preisgeben, um schlussendlich der EU beizutreten.

Diese Dummheit und dieses landesverräterische Verhalten sind heute noch viel unverständlicher als beim EWR von 1992. Es ist heute bewiesen, dass es der Schweiz besser geht als in der EU, was zahlreiche Länderranglisten regelmässig bestätigen. Man ist also bereit, die erfolgreiche Schweiz preiszugeben. Und wozu? Um sich auf Gedeih und Verderb an eine Europäische Union zu ketten, die unter dem Zuwanderungschaos, der Währungskrise, einer masslosen Verschuldung und neuerdings einer katastrophalen Energie- und Industriepolitik leidet. Dümmer geht’s also wirklich nümmer!

IV. 150 Jahre direkte Demokratie

Besonders befremdlich ist, dass man diesen neuen Unterwerfungsvertrag ausgerechnet im Jahr 2024 in Brüssel verabschieden will. Wir feiern dieses Jahr nämlich das 150. Jubiläum der demokratischen Bundesverfassung von 1874.

Aber bezeichnenderweise wollten weder Bundesrat noch Parlament dieses Jubiläum feiern.

Warum hat niemand Lust, diesen einzigartigen Ausbau der Volksrechte, die Einführung des Referendums und später des Initiativrechts zu feiern?
Es ist verständlich: Wer diese Bürgerrechte preisgeben will, der kann die Geburtsstunde dieser Volksherrschaft nicht auch noch feiern.

V. 1. Juni 2024: Urknall der Demokratie

Aber das Wunderbare in der Schweiz ist: Wenn es oben nicht mehr stimmt, greifen die Unteren ein. So hat sich spontan ein überparteiliches Komitee «150 Jahre demokratische Bundesverfassung» gebildet. Es wird am nächsten Samstag, 1. Juni, um 11.30 Uhr im Stadthaus Winterthur – also dort, wo die demokratische Bewegung begann – in einer Feier an dieses grosse Ereignis erinnern. Ich wurde als Festredner angefragt und habe gerne zugesagt. Sie alle sind zur Feier von 150 Jahren direkter Demokratie herzlich eingeladen.

VI. Dekadente Kantonsregierungen

Es ist unsere Pflicht, die unabhängige, freiheitliche, dauernd bewaffnete, neutrale und vor allem: die direktdemokratische Schweiz zu erhalten.

Besonders enttäuschend ist die Haltung der Kantonsregierungen in unserem Land. Sie haben schon vor den Verhandlungen der Schweiz mit der EU behauptet, dass – ich zitiere – «kein Weg an der dynamischen Übernahme von EU-Recht vorbeiführt». Die Kantonsregierungen seien grundsätzlich bereit – Zitat – «dieser Rechtsübernahme in den Verhandlungen zuzustimmen». Die Kantonsregierungen akzeptieren auch – ich zitiere – «eine Lösung, bei welcher dem Gerichtshof der EU die Aufgabe zukommt, eine kohärente Auslegung des betroffenen EU-Rechts sicherzustellen».

Meine Damen und Herren, auch in den Kantonen müssen Sie als Bürger zum Richtigen schauen.

VII. Obligatorisches Referendum

  • Die Souveränität der Kantone und das Stimmrecht des obersten Gesetzgebers, des Volkes, ist nicht verhandelbar!
  • Wir dulden nicht, dass die Classe politique in Fragen der Unabhängigkeit und der Volksrechte ihre eigenen Interessen statt jene des Volkes vertritt!

Sollten Bundesrat und Parlament sogar das Ständemehr oder gar eine Volksabstimmung über diesen neuersten Kolonialvertrag mit der EU aushebeln, was wir der Mitte-links-Mehrheit leider zutrauen müssen, dann bleibt nur noch ein Aufstand bei den nächsten Wahlen!

VIII. Fremde Richter und Klimaseniorinnen

Meine Damen und Herren, lassen Sie sich nicht durch Schalmeienklänge einlullen! Mit solchen Tönen haben wir unsere Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel beim Beitritt zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Neustens gaben dieser sogar irgendwelchen «Klimaseniorinnen» recht, die gegen die Schweiz geklagt haben.

Der linke Schweizer Vertreter in diesem Gericht stand selbstverständlich auf der Seite der Klagenden – nicht auf der Seite der Schweiz.

Und der Gipfel ist: Das Volk und die Stände haben nie darüber abstimmen dürfen, ob sie einen solchen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte akzeptieren wollen. Dabei hat der damalige SP-Bundesrat und Aussenminister Pierre Graber 1974 vor dem Parlament festgehalten: «Eine Verurteilung der Schweiz ist nicht vorstellbar.»

Darum rufen wir die Schweiz, ihre Verantwortungsträger, ihre Unterhändler und ihre Bevölkerung auf: Unterschreibt keinen Knebelvertrag, der uns später reuen wird und von dem es kein Zurück mehr gibt! Wer wird den Vertrag überhaupt lesen? Ganz, ganz wenige.

IX. Schlusswort

Lassen wir unser schönes Land mit seiner Freiheit und seinen Volksrechten unversehrt. Damit wir auch künftig mit Schillers «Wilhelm Tell» sagen können:

«Ans Vaterland, ans teure, schliess dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen.
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft,
Dort in der fremden Welt stehst du allein,
Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt.»

  • Es lebe die Schweiz!
  • Vive la Suisse!
  • Viva la Svizzera!
  • Viva la Svizra!
Christoph Blocher
Christoph Blocher
a. Bundesrat Herrliberg (ZH)
 
Wir verwenden Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten und Zugriffe auf unsere Webseite analysieren zu können. Ausserdem geben wir Informationen zur Nutzung unserer Webseite an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.Details ansehen Details ansehen
Ich bin einverstanden