Mit dem vom Bundesrat anfangs Oktober verabschiedeten Armeebericht stolpert die Armee nach der Armee 95, der Armee XXI und dem Entwicklungsschritt 08/11 von einer Reform zur anderen. Anstatt die…
Mit dem vom Bundesrat anfangs Oktober verabschiedeten Armeebericht stolpert die Armee nach der Armee 95, der Armee XXI und dem Entwicklungsschritt 08/11 von einer Reform zur anderen. Anstatt die Armee zu konsolidieren, wird der Umbau zum Dauerzustand. Seit 15 Jahren ist die Armee nun eine permanente Baustelle. Dazu kommt der grosse finanzielle Druck. Im Gegensatz zu praktisch allen anderen Bundesaufgaben wurde zudem das Armeebudget laufend reduziert.
Gemäss dem Armeebericht soll die Schweizer Armee in Zukunft noch über ungefähr 80‘000 Angehörige der Armee verfügen. Gleichzeitig soll die Zahl der Durchdiener auf einen Anteil von 30 Prozent massiv erhöht werden. Damit werden das Milizprinzip und die allgemeine Wehrpflicht faktisch ausgehebelt. Sodann soll gleichzeitig das internationale Engagement verdoppelt werden.
Armee am Randes des Kollapses
Der Bundesrat plant damit eine weitere einschneidende Reform. Dies obwohl die vielen halbwegs durchgeführten Reformen in den letzten 15 Jahren die Armee an den Rand eines Kollapses führten. Zahlreiche Verbände existieren nur noch auf dem Papier, die Reserven sind nicht ausgerüstet und die aktiven Verbände nur teilweise einsatzfähig. Es fehlt den einrückenden Truppen an Fahrzeugen, Waffen, Übermittlungsmittel und Munition. Von den verantwortlichen Politikern und Armeeplanern wurden in den letzten Jahren hunderte von Millionen Franken in untaugliche Informatikausrüstungen investiert. Kein grösseres Wirtschaftsunternehmen hätte diese während Jahren andauernde Misswirtschaft wohl überlebt.
Neutralität und Miliz
Die Neutralität ist und bleibt die oberste Maxime der Sicherheits- und Aussenpolitik. Sie ist Grundlage für die direkte Demokratie, für Stabilität und Sicherheit. Die konsequent neutrale Haltung bewahrt uns davor, in Konflikte hineingezogen und Zielscheibe von Terroranschlägen zu werden. Dies hat in letzter Zeit nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil. Gerade im Zeitalter der asymmetrischen Kriegsführung hat sich der Kleinstaat Schweiz wieder strikter Neutralitätspolitik zu befleissigen. Nur eine eigene, glaubwürdige Armee garantiert den Status als unabhängiger, neutraler und souveräner Staat.
Dabei ist am Milizprinzip und an der allgemeinen Wehrpflicht festzuhalten. Die allgemeine Wehrpflicht gehört zu unserem Milizsystem und garantiert die Armeebestände, welche zur Erfüllung aller Aufgaben rekrutiert werden müssen. Wenn die Schweiz das Milizprinzip bezüglich der Landesverteidigung vernachlässigt, verliert die Armee ihre Verankerung in der Bevölkerung. Das Milizprinzip hat aber auch den einzigartigen Vorteil, dass zivil erworbenes Wissen und Erfahrung in die Armee einfliesst. Die nochmalige Erhöhung des Durchdieneranteils würde die Milizarmee ernsthaft in Frage stellen.
Armee für den „Worst Case“
In Art. 58 der Bundesverfassung ist neben der Verankerung des Milzprinzips auch der Hauptauftrag der Armee formuliert:
„Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung.“
Die Verteidigung von Land und Volk ist zwar nicht der einzige, aber eindeutig der Hauptauftrag der Armee, weil nur eine Armee diese Aufgabe erfüllen kann. Der Verteidigungsauftrag ist für die Gesamtarmee, ihre Einheiten und für jeden einzelnen Wehrmann der am schwierigsten zu erfüllende Auftrag. Deshalb muss der Verteidigungsauftrag immer im Mittelpunkt jeder Ausbildung stehen. Denn: Wer den Verteidigungsauftrag erfüllt, bewältigt auch weniger schwierige Aufgaben.
Die Armee muss sich in Zukunft wieder auf den „Worst Case“ ausrichten. Das heisst auf die Abwehr eines Angriffs auf unser Land. Damit können auch alle anderen Aufträge im Bereich der Unterstützung ziviler Behörden und der Bewältigung ausserordentlicher Lagen erfüllt werden. Diese Prinzipien werden durch den Armeebericht faktisch aufgegeben. Die im Armeebericht skizzierte Armee ist nicht mehr in der Lage, den verfassungsmässigen Auftrag zu erfüllen. Weder bestandesmässig, noch organisatorisch, noch bezüglich der Ausrüstung.
Grösse und Struktur der Armee haben sich zudem nicht an einer abstrakten Zahl, sondern am definierten Auftrag zu orientieren. Dies unter Berücksichtigung des Umstands, dass vom Gesamtbestand der Armee gemäss Armeebericht nur noch knapp ein Drittel der kämpfenden Truppe zuzuordnen ist. Die personellen, materiellen und finanziellen Mittel hängen also vom Auftrag und dessen Erfüllung ab. Die Armee muss kurzfristig aufgeboten werden können und über eine zu definierende Dauer rund um die Uhr einsatzfähig sein. Dazu braucht es einen genügenden Bestand, der nicht unter 120‘000 aktive Angehörige der Armee fallen darf. Der im Armeebericht des Bundesrates festgehaltene Sollbestand von 80‘000 Angehörigen der Armee, davon lediglich 22‘000 Kampftruppen, ist klar nicht ausreichend. Unsere Armee würde damit an Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung verlieren.
Sodann ist auf die bisherige Ausrichtung der Armee in Richtung internationale Kooperation, wie sie in den letzten Jahren schrittweise erfolgte, in Zukunft zu verzichten. Die internationale Kooperation vermindert die Sicherheit unseres Landes. Sie höhlt die Neutralität aus und setzt die Schweiz einer erhöhten Gefahr terroristischer Anschlägen aus. Das internationale Engagement der Armee ist entsprechend zurückzufahren.
Was ist zu tun?
Die Prioritäten müssen in der nächsten Zeit ganz klar in der Mängelbehebung sowie in der Sicherstellung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Armee gesetzt werden. Dazu braucht es keine neue „Weiterentwicklung“ wie dies in der Vergangenheit laufend geschah
um die Fehler dieser Reformen zu übertünchen. Dazu braucht es ein Sanierungsprogramm und eine Konzentration der Mittel auf die Kernaufgaben. Bundesrat Ueli Maurer hat diese Aufgabe in Angriff genommen. Allerdings wird es noch Jahre dauern, bis unsere Armee wieder zu einer gesunden und glaubwürdigen Milizarmee heranreift.