Editorial

AHV: Bundesamt für Sozialversicherungen tischt neue Phantasiezahlen auf

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat seine Perspektivrechnungen überprüft. Das Ergebnis ist allseits bekannt: Die AHV-Ausgaben weichen von den bisherigen Projektionen ab. Das sollte aber noch keine Überraschung sein. Was überrascht ist, wie fehlerhaft die Annahmen der Rechnungen überhaupt sind.

Hans Kaufmann
Hans Kaufmann
a. Nationalrat Wettswil (ZH)

Doch der Reihe nach. Was sagt die neue Rechnung aus? 2026, wenn die 13. Altersrente eingeführt wird, dürften die Ausgaben wie bisher angenommen rund 57 Milliarden Franken betragen. 2028 werden sie voraussichtlich rund 1 Milliarde oder 1.5 Prozent tiefer liegen. 2030 dürften sie um 3 Prozent (2 Milliarden), 2033 sogar 6 Prozent (4 Milliarden) geringer als bisher erwartet, ausfallen. Statt 4 Milliarden soll das Umlagedefizit 2030 «nur» 2 Milliarden, 2033 statt 7 Milliarden neuerdings 4 Milliarden betragen. Per Saldo soll dadurch der Finanzbedarf für die 13. AHV-Rente geringer ausfallen, falls sich die neu getroffenen Annahmen als korrekt erweisen.

Was heisst das nun? Was die Prognosen wert sind, lässt sich erst im Nachhinein feststellen. Das erste Jahr, für das man die Realität mit den bisherigen Schätzungen vergleichen kann, ist das Jahr 2023.

Die Nachrechnung zeigt genau das Gegenteil von dem, was man nun der Bevölkerung suggerieren will. Noch im Juli 2023 wurden für 2023 beispielweise 51.49 Milliarden Einnahmen erwartet, eingegangen sind allerdings nur 51.18 Milliarden. Die Ausgabenschätzung belief sich auf 49.95 Milliarden, effektiv ausgegeben wurden 49.94 Milliarden. Statt des erwarteten positiven Umlageergebnisses von 1.55 Milliarden resultierten nur 1.23 Milliarden. Das Umlageergebnis fiel somit 300 Millionen schlechter als prognostiziert aus.

Die revidierten «Berechnungen» des BSV sind noch lange kein Garant dafür, dass diese nun richtiger als die bisherigen sind. Denn auch die neuen Berechnungen basieren auf Annahmen. Wenn sich nur etwas Kleines in den Annahmen ändert, fällt das Ergebnis schon ganz anders aus. Einige Beispiele dazu:

Kapitalerträge: Gemäss AHV-Gesetz darf der AHV-Ausgleichsfonds in der Regel nicht unter den Betrag einer Jahresausgabe sinken. Für 2023 weist der Fonds Eigenmittel von 49.9 Milliarden aus. Das sind ziemlich genau Rentenzahlungen von 50 Milliarden Franken. Bis 2033 sollen die Ausgaben gemäss der «neuen» Schätzung 63 Milliarden betragen. Bis dann müsste der Kapitalstock somit um 13 Milliarden erhöht werden. Ein Prozent Ertrag auf diesen 63 Milliarden Anlagekapital bedeutet 630 Millionen. Ob nun 6 Prozent oder nur 2 Prozent Ertrag pro Jahr anfallen, heisst im Klartext 3.7 oder 1.2 Milliarden Franken. Das Problem? Um solche Renditen zu erzielen, dürfte der Fonds von heute bis 2033 kein einziges Verlustjahr haben.

Lohnentwicklung und Anzahl Beitragszahler: Woher soll die Bundesverwaltung wissen, wie sich die Löhne bis 2033 entwickeln werden und wie hoch die Einwanderung an AHV-Beitragszahlern sein wird. Es ist zu hoffen, dass sich das BSV nicht auf die Zahlen im Abstimmungsbüchlein vom 21. Mai 2000 abstützt, als der Bundesrat noch von einer Nettozuwanderung aus der EU/EFTA von maximal 8‘000 pro Jahr ausging.

Inflation: Die Inflation führt nicht nur bei den Löhnen zu inflationsbedingten Anpassungen. Auch die Renten werden regelmässig der Teuerung angepasst, das heisst erhöht. Die Teuerung wirkt sich auch auf den Anteil der Mehrwertsteuererträge für die Finanzierung der AHV aus. Die revidierten, neuen Zahlen des BSV basieren aber auf den Preisen von 2023. Innert 10 Jahren können die effektiven Werte die Prognosen deshalb massiv übersteigen. Ob die Inflation in den nächsten 10 Jahren 1 oder 2 Prozent beträgt, fällt ins Gewicht. Die inflationsabhängigen Grössen werden sich um 10.5 oder 21.9 Prozent erhöhen.

Was kann man nun folgern? Prognosen sind eben nur Modellrechnungen voller Annahmen. Insbesondere die Prognosen des BSV sind voller optimistischer Annahmen. Wenn nun anscheinend weniger Ausgaben für die AHV anfallen, dann ist das eine höchst unzuverlässige Zahl. Als Planungsgrundlage für linke Umverteilungspläne sind sie komplett ungeeignet.

(Es handelt sich hier um eine gekürzte Version eines Artikels, der in Weltwoche Daily erschienen ist.)

Hans Kaufmann
Hans Kaufmann
a. Nationalrat Wettswil (ZH)
 
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