Die Bilanz des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist ansehnlich. Seit der Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch die Schweiz im Jahr 1974 wurden stattliche 6000 Beschwerden behandelt. Tatsächliche Verletzungen wurden in den wenigsten Fällen festgestellt. Doch die Beschwerdeflut sorgt für Bürokratie, Kosten und Verzögerungen, nicht zuletzt bei Abschiebungen.
Ein mächtiges Gebilde
Die Aufgabe des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist die Überwachung der Menschenrechtskonvention, der sich 1974 auch die Schweiz angeschlossen hat. Mit bürokratischem Grossaufwand – in Zahlen 664 Angestellten, 47 Richtern und einem Budget von stattlichen 69 Millionen Euro pro Jahr – werden die Beschwerden abgearbeitet. Jede Person, die geltend macht, selbst Opfer einer Konventionsverletzung zu sein, kann direkt eine Beschwerde beim Gerichtshof in Strassburg einlegen. Dafür reicht die Behauptung aus, eines der in der Konvention genannten Rechte sei verletzt worden. 2014 trafen immerhin 422 Beschwerden gegen die Schweiz ein, lediglich in 8 Fällen wurden eine oder mehrere Verletzungen der Konvention festgestellt.
Abstruse Beschwerden
Die Themen der Beschwerden sind vielfältig. Eine Somalierin klagte 2015 gegen die Schreibweise ihres Nachnamens, nachdem sie geheiratet hatte. Eine 47-jährige unverheiratete Frau bemängelte, sie werde ungerechtfertigter Weise aufgrund ihres Alters bei der Adoption eines Kindes behindert. Während solche Fälle bei mir eher für Stirnrunzeln sorgen, beschäftigen mich die Fälle aus dem Asylbereich. Die zunehmenden Asylgesuche stellen uns vor immense Herausforderungen. Denn längst nicht alle Flüchtlinge werden entsprechend der Genfer Konvention ein vorläufiges Aufenthaltsrecht erhalten. Die Rückführungen werden also zunehmen. Schon jetzt zeigt sich aber, wie diese durch die Schweizer Rechtsmittel verzögert werden. Stellen Sie sich nun vor, diese Beschwerden würden allesamt nach Strassburg weitergezogen!
Verzögerte Abschiebung
Erste Urteile, beispielsweise zur Beschwerde einer afghanischen Familie gegen die Rückführung nach Italien, liegen bereits vor. Die Familie hatte am 15. November 2011 ein Asylgesuch gestellt, weil sie «in Italien unter schwierigen Lebensbedingungen leiden und keine Arbeit finden würde». Die Klage über die geplante Rückführung scheiterte vor Bundesgericht und wurde von der Familie schliesslich nach Strassburg weitergezogen. Dort entschieden die europäischen Richter der Beschwerde stattzugeben, rund drei Jahre später! Die Schweiz wäre verpflichtet gewesen, vor der Rückführung von den italienischen Behörden eine Zusicherung einzuholen, dass in Italien eine altersgerechte Beherbergung für die Kinder sowie die Einheit der Familie gewährleistet sei. Dies obwohl sowohl die Schweiz wie auch Italien dem Dublin-Abkommen angeschlossen sind und die Familie bei ihrer Ankunft in Italien rechtmässig erfasst worden war.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich: Die Übernahme von fremdem Recht und die Akzeptanz fremder Richter behindert uns in der Umsetzung des Asylwesens. Deshalb engagiere ich mich für die Selbstbestimmungsinitiative.