Editorial

Bundesrat manövriert sich erneut in die europapolitische Sackgasse

Nach den Bilateralen III und dem gesamtheitlichen und koordinierten Ansatz (GKA) lanciert der neue Aussenminister Burkhalter erneut einen europapolitischen Strategiewechsel – den dritten innerhalb…

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Bern (BE)

Nach den Bilateralen III und dem gesamtheitlichen und koordinierten Ansatz (GKA) lanciert der neue Aussenminister Burkhalter erneut einen europapolitischen Strategiewechsel – den dritten innerhalb eines Jahres. Neu soll ein sektorielles Abkommen, das Energieabkommen, zu einem Modellfall für die künftige Europapolitik werden. Um dies zu erreichen, sollen auch institutionelle Fragen und die Übernahme von EU-Recht exemplarisch ins Abkommen integriert werden. Dies ausgerechnet in einem Dossier, in dem die Verhandlungen in den vergangenen zwei Jahren ins Stocken geraten sind, weil zu viel auf einmal gelöst werden soll. Den neuen Ansatz gab Burkhalter im Rahmen der bundesrätlichen Medienkonferenz vom vergangenen Mittwoch eher beiläufig bekannt.

Lange hatte es danach ausgesehen, als könnte ein schlankes Stromabkommen mit der EU den gegenseitigen Interessen in den Bereichen der Versorgungssicherheit und des gegenseitigen Marktzugangs gerecht werden. Problematisch wurde das Ganze, als aus dem Stromabkommen, welches sich seit 2007 in Verhandlung befindet, plötzlich ein umfassendes Energieabkommen werden sollte, das auch erneuerbare Energien sowie Massnahmen im Wärme- und Mobilitätsbereich berücksichtigt. Der Bundesrat verabschiedete im Herbst 2010 ein entsprechendes Mandat. Ein solches Abkommen wäre für die Schweiz mit beträchtlichen Mehrkosten verbunden und hätte unabsehbare strukturelle Folgen im Bereich der Infrastrukturen und Netze. Auch stellen sich Fragen bezüglich der föderalistischen Kompetenzordnung. Verzögerungen bei der weiteren Aushandlung eines neuen bilateralen Abkommens waren damit vorprogrammiert.

Das Fuder überladen
Nun soll offenbar auf diese bereits stark belastete Ausgangslage noch ein institutioneller Überbau gestülpt werden. Fragen der künftigen Übernahme von EU-Recht, dessen Auslegung, Überwachung und die damit zusammenhängende Rechtssprechung sind von grundlegender Bedeutung für die Schweiz und deren Souveränität. Es ist kaum vorstellbar, dass diese Fragestellungen im Rahmen eines sektoriellen Abkommens modellhaft verhandelt und gelöst werden können. Die Folgen eines solchen Ansatzes wären nämlich letztlich wiederum von umfassender Wirkung. Sich quasi hinter einem einzelnen Abkommen, welches allenfalls im Interesse der Schweiz sein könnte, zu verstecken, um nebenbei zentrale institutionelle Fragen zu klären, wäre zudem nicht statthaft. Sollte dies die Idee des Bundesrates gewesen sein, so ist sie bereits bei der Lancierung gescheitert.

Neue Abkommen nicht zwingend
Die SVP hat ihre Haltung sowohl zum Energieabkommen, als auch zu institutionellen Fragen in den vergangenen Monaten klar gemacht. Im Interesse der Schweiz und der Versorgungssicherheit ist einzig ein schlankes Stromabkommen, welches den Energiehandel im Fokus hat. Diese Position wird auch von der Wirtschaft vertreten. Im Bereich der institutionellen Fragen lehnt die SVP eine zwingende Übernahme von EU-Recht, wie dies beispielsweise beim EWR vorgesehen war oder im Schengen-Vertrag immer wieder Probleme schafft, kategorisch ab. Auch eine institutionelle Anbindung an die EU kommt für die SVP nicht in Frage. Vor diesem Hintergrund ist die „Strategieskizze" von Bundesrat Burkhalter, welche ein unbefriedigendes sektorielles Verhandlungsmandat mit folgenschweren institutionellen Fragen verknüpfen will, ein untauglicher Ansatz.

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Bern (BE)
 
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