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Energie
Editorial

Der Bundesrat muss endlich seine Ideologie überwinden

Neue erneuerbare Energien seien die alleinige Zukunftslösung diese, während der Euphorie rund um den Ausstieg aus der Kernkraft insbesondere vom Bundesrat und allen Parteien mit Ausnahme der SVP verbreitete Zuversicht, hat sich leider viel früher als erwartet in Schall und Rauch aufgelöst. Die Energiestrategie 2050 ist in allen Teilen gescheitert.

Albert Rösti
Albert Rösti
Nationalrat Uetendorf (BE)

Es ist heute allen klar, dass wir in Zukunft, wenn wir unser Land vollständig dekarbonisieren wollen, wohl die doppelte Menge an Strom brauchen werden. Demgegenüber ging die Energiestrategie 2050 von einem rückläufigen Stromverbrauch aus. Ebenso werden die Ziele für den Zubau der Erneuerbaren völlig verfehlt. Geothermie ist nicht reif für die Umsetzung, Wasserprojekte sind wegen Naturschutzanliegen weiterhin blockiert, auch wenn der runde Tisch mit der Auswahl der fünfzehn wichtigsten Projekte hier mindestens ein Lichtblick darstellt. Von den ursprünglich geplanten über 1’000 Windturbinen ist bis heute lediglich eine Handvoll realisiert.

Völlig falsche Einschätzung von Doris Leuthard
Die SVP hat 2017 vor der Volksabstimmung zur Energiestrategie 2050 laut und deutlich protestiert und die Mängel aufgezeigt. Das Plakat mit einer Frau, die kalt duschen muss, wurde als Panikmache verhöhnt. Heute rät sogar der grüne deutsche Wirtschaftsminister Habeck, man solle nur kurz duschen, um Energie zu sparen. Ich erinnere mich noch gut an die Debatte im Nationalrat zur Energiestrategie und an die völlig falschen Versprechen der damaligen Bundesrätin Doris Leuthard. Sie kanzelte die Kritiker mit Aussagen wie diesen ab:

«Erstens ist die Versorgungssicherheit nicht infrage gestellt.»

«Unsicherheit gibt es insofern nicht, als man in allen europäischen Staaten in den nächsten zwanzig Jahren eine genügende Stromproduktion haben wird.»

«Im Übrigen erinnere ich Sie daran, dass wir unsere Stromversorgung bis Anfang der Siebzigerjahre ja auch ohne Kernenergie organisiert haben. Wir machen also lediglich wieder eine Bewegung hin zu den guten alten Zeiten, in denen das auch anders organisiert war.»

Nur: 1970 zählt die Schweiz etwas über 6 Mio. Einwohner, heute sind es über 8.7 Mio, von 2007 bis 2020 wanderten 1 Mio. Menschen in die Schweiz ein. Und jedes Jahr kommen weitere Zehntausende hinzu – allein 2022 könnten es über 200’000 Personen sein – sie alle belasten unsere Infrastruktur und verbrauchen Energie.

Das zusätzliche diametral falsche Versprechen, die Energiewende würde lediglich 40 Franken pro Familie kosten, ebenfalls aus dem Mund der damas zuständigen Bundesrätin Doris Leuthard, hat der Energiestrategie zu einem fatalen JA verholfen – obwohl schon damals beachtliche 42 % der Schweizerinnen und Schweizer der SVP-Meinung folgten. Die Quittung folgte 2021: Die Mehrheit der Bevölkerung sagte NEIN zum CO2-Gesetz, weil sie richtigerweise nicht bereit ist, die deutlich höheren Kosten zu tragen, vor denen die SVP auch immer gewarnt hat.

Die drohende Strommangellage ist hausgemacht
Wenn man die Diskussion rund um die Energiestrategie Revue passieren lässt, sollte der Bundesrat mit Blick auf die heutige Lage endlich einsehen, dass er sich massiv getäuscht hat. Das Problem der drohenden Strommangellage wird zwar durch den Ukrainekrieg befeuert, ist aber letztlich hausgemacht. Dass sich aktuell das sehr sichere und stets modernisierte Kernkraftwerk Mühleberg im Rückbau befindet, ist ein Skandal. Denn genau diese Menge von 3 Terawattstunden könnte uns im Winter vor der Strommangellage bewahren. Man begründete dies damals bei der BKW zwar mit der fehlenden Rentabilität zusätzlicher Investitionen. Letztlich erfolgte die Schliessung aber im Zuge der Euphorie über den Ausstieg aus der Kernenergie und hätte politisch im Interesse der Versorgungssicherheit in jedem Fall gestoppt werden müssen.

Allein der Umstieg auf E-Autos braucht 1,5 Kernkraftwerke
Auch die über Jahre von grüner Seite blockierte Erhöhung der Grimsel-Staumauer oder der Widerstand gegen neue Projekte wie die Trift oder eine Staumauer am Gornergletscher müssen wir bitter bezahlen. Vor diesem Hintergrund sollten der Bundesrat und die federführende Energieministerin Sommargua zum Schluss kommen, dass es jetzt eine Kehrtwende braucht. Neue Speicherwerke zusammen mit der Produktion von Solarenergie können zwar in Zukunft einen wesentlichen Beitrag an die Versorgungssicherheit leisten. Hier wurden mit dem runden Tisch Wasserkraft die ersten richtigen Jalons gesetzt. Es wird aber niemals ausreichen, um all den zusätzlichen Strom zu produzieren, den unser Land durch die vollständige Dekarbonisierung und die nach wie vor masslose Zuwanderung verbraucht. Allein die Elektrifizierung des Privatverkehrs wird etwa zusätzlich 14 Terawattstunden Strom benötigen, das heisst mehr als das 1.5-Fache des Kernkraftwerks Leibstadt.

Deshalb ist die ideologisch geprägte Ablehnung der Kerntechnologie aufzubrechen und das Verbot neuer Kernkraftwerke im Kernenergiegesetz aufzuheben. Klar wird es auch dann Jahrzehnte brauchen, bis ein neues Kernkraftwerk mit neuer, sicherer Technologie in der Schweiz gebaut wird. In Anbetracht des Horizonts 2050 für die Dekarbonisierung muss aber heute damit begonnen werden, damit wir in 20 oder 30 Jahren nicht noch vor einer schlimmeren Situation stehen als heute.

Albert Rösti
Albert Rösti
Nationalrat Uetendorf (BE)
 
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