Wir Gegner eines Rahmenvertrages sollten uns gefälligst nicht über eine Sache äussern, deren Inhalt wir noch gar nicht kennen. So werden wir Vertreter der SVP im Parlament und in Politdiskussionen jeweils barsch abgeputzt. Speziell die FDP und deren Präsidentin Petra Gössi erklärt es regelmässig als rundum unmöglich, sich jetzt schon auf eine Sache festzulegen, die ja durch die laufenden Verhandlungen mit der EU noch völlig in der Schwebe sei. Wenn aber der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse das Forschungsinstitut gfs. mit einer Umfrage über den Rahmenvertrag beauftragt, so soll diese plötzlich repräsentativ und wissenschaftlich sein – obwohl die befragten Unternehmen noch gar nicht wissen können, was genau in diesem Vertrag mit der EU steht. Dass sich die Economiesuisse zu dieser Umfrage von der «Alliance Economie-Politique» einspannen liess – einem reinen Werbevehikel des Berner Strippenzieherbüros Furrer Hugi AG – sagt viel über den gegenwärtigen Zustand unseres Schweizer Wirtschaftsdachverbands.
Befragung ins Blaue
Man habe knapp 1000 Personen mit Geschäftsleitungsverantwortung in Unternehmen mit über 20 Angestellten befragt, hiess es bei der Präsentation der Ergebnisse. 80 Prozent von ihnen äusserten sich positiv zu einem Rahmenabkommen. Aber welches denn nun? Eines, das sich auf das bilaterale Vertragspaket I oder weit darüber hinaus erstreckt, wie es die EU verlangt? Oder eines, in dem die Unionsbürgerschaft mitenthalten ist? Oder eines mit mindestens 15 Prozent Mehrwertsteuer, wie es die EU-Binnenmarktregeln vorschreiben? Oder eines inklusive Zwang, für Hunderte von Millionen Franken jährlich auch die arbeitslosen EU-Grenzgänger bezahlen zu müssen?
60 Prozent würden auch dann zustimmen, hiess es weiter, wenn ein solches Abkommen nur um den Preis einer gemeinsamen Streitschlichtung zu haben sei. Offensichtlich wurden die Befragten nicht darauf hingewiesen, dass wir schon bislang eine gemeinsame Streitschlichtung auf Augenhöhe kennen, nämlich im Rahmen des Gemischten Ausschusses. Ein EU-Rahmenabkommen würde aber eine «gemeinsame Streitschlichtung» gar nicht anerkennen – es will vielmehr, dass die EU verbindlich auslegen und entscheiden darf. Der Europäische Gerichtshof weigert sich ja sogar, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) anzuerkennen, weil diese ihre souveräne, letztinstanzliche Entscheidungsbefugnis beeinträchtigen könnte.
Die Umfrage zeige mit 86 Prozent, dass die Unterstützung für den bilateralen Weg in der Wirtschaft gross sei. Soviel hätten wir auch ohne aufwändige Befragung gewusst. Die Verhandlungsposition des Bundesrates werde durch die Wirtschaft unterstützt, vernehmen wir weiter. Dabei ist nach der letzten Bundesratssitzung eine solche Verhandlungspositionen überhaupt nicht mehr erkennbar. Rechtssicherheit gegenüber der EU werde von drei Vierteln der Geschäftsleitungsmitglieder als absolut zentral erachtet wird. Logisch, nur welche Rechtssicherheit? Gewinnen die Schweizer Unternehmen Rechtssicherheit, wenn uns die EU ihre Binnenmarktregeln jederzeit einseitig und nach ihrem Willen aufzwingen kann? Und wenn sie uns im Falle der Weigerung unter Androhung von Vergeltungsmassnahmen die Pistole in den Nacken hält?
Rahmenabkommen erfüllt EU-Begehren
Gewiss, es ist nicht angenehm, wenn die EU gegenüber einem ihrer besten Kunden ihre Folterwerkzeuge zeigt. Brüssel verzögert zum Beispiel die Anerkennung der Börsenäquivalenz. Einziger Grund: Die EU will der Schweiz ein Rahmenabkommen zwecks institutionalisierter Rechtsübernahme überstülpen. Nie würde die Schweiz mit ihren Handelspartnern so umspringen. Aber die Schweiz darf sich auch nie einem Staatenverbund unterwerfen, der so mit seinen Handelspartnern umspringt.
Der einzige Grund für den Abschluss eines Rahmenabkommen ist, dass die EU ein solches verlangt. Die bilateralen Verträge sind weder an eine juristische Grenze gelangt, noch können sie den wirtschaftlichen Entwicklungen nicht mehr gerecht werden. Das Rahmenabkommen ist lediglich auf die Begehrlichkeit von Brüssel zurückzuführen, sich die Schweiz politisch gefügig zu machen. Um ihre Machtpolitik durchzusetzen, übt die EU wirtschaftlichen Druck aus. Zumindest im Falle von Economiesuisse tut sie dies offenbar mit Erfolg. Der Wirtschaftsdachverband will jetzt seinerseits mit völlig undurchdachten, einseitigen Umfragen die Politik unter Druck setzen.
Leider meinen manche kurzsichtigen Manager, es sei mit einigen Brüsseler Beamten bequemer zu verhandeln, als wenn ein souveränes Schweizer Volk direktdemokratisch mitbestimmen darf. Die Economiesuisse vertritt heute lieber diese immer stärker durch Ausländer vertretene Managerkaste, statt die politischen und wirtschaftlichen Gesamtinteressen des Landes. Soviel ist allerdings gewiss: Der Druck des Wirtschaftsverbandes auf Bundesrat und Parlament wird letztlich nicht zu mehr, sondern zu weniger Wohlstand und Lebensqualität führen. Die Schweiz stünde heute garantiert schlechter da, hätten in der Vergangenheit die Funktionäre und Manager der Wirtschaft statt das Volk und Stände das Sagen gehabt.