Bereits im Sommer hat der Bundesrat auf Antrag des Finanzdepartements Gegenmassnahmen beschlossen für den Fall, dass die EU der Schweizer Börse die Gleichwertigkeit aberkennt: Europäische Börsen und Handelsplätze dürften dann nicht mehr Aktien von Schweizer Firmen handeln.
Eben noch hat die Europäische Union lautstark mit dem Säbel gerasselt: Wenn die Schweiz beim Rahmenvertrag nicht bis zum 7. Dezember einlenke – so verlautete die ultimative Drohung aus Brüssel –, werde die EU keine unbefristete Börsenäquivalenz gewähren. Als der Bundesrat den Rahmenvertrag dennoch nicht abnickte, sondern in eine Konsultation schicken will, knickte die EU ihrerseits ein. Plötzlich liess sie jetzt verlauten, die Börsenäquivalenz für die Schweiz werde nach 2018 erneut um ein halbes Jahr verlängert. Wie ist es zu diesem Vorweihnachtswunder gekommen?
Endlich festgeblieben
Erstens ist unsere Landesregierung für einmal standhaft geblieben. Sie hat sich vom Powerplay der EU nicht unter Druck setzen lassen und am eigenen Fahrplan festgehalten. Zweitens hat die EU nachgegeben, weil das Finanzdepartement von SVP-Bundesrat Ueli Maurer schon vor vielen Monaten eine Gegenstrategie ausgearbeitet hat. Diese verfolgt keineswegs das Ziel, der EU unsererseits zu drohen oder gar einen sinnlosen Wirtschaftskrieg anzuzetteln. Aber der Bundesrat hat sich auf eine weitsichtige, wirksame Strategie geeinigt, um unsere Börse vor allfälligen Störmanövern der EU zu schützen und einen möglichst ungestörten Handel mit Schweizer Aktien zu gewährleisten. Denn die Aufkündigung der Börsenäquivalenz würde die europäischen Banken und weitere Wertpapierhändler daran hindern, weiterhin Aktien an Schweizer Börsen zu handeln.
Sachliche Gründe, warum Brüssel die Gleichwertigkeit unserer Schweizer Börseninfrastruktur von Swiss Infrastructure and Exchange (SIX) mit jener der EU nicht anerkennen will, gibt es nicht im Geringsten. Jeder Börsenspezialist wird anerkennen, dass unsere Börse in den technischen Abläufen eher besser funktioniert als jene der EU-Staaten. Auch ist ein Rahmenabkommen mit der EU ganz offensichtlich kein Erfordernis, welches die EU als Voraussetzung zur Äquivalenz voraussetzt. Sonst hätte Brüssel den USA, Kanada, Singapur, Hongkong oder Israel diese Börsenäquivalenz nicht problemlos gewährt. Nein, es geht um ein kleinliches Piesacken mit dem Ziel, Druck aufzubauen, damit unser Land den Kolonialvertrag eines Rahmenabkommens endlich schluckt.
Freisinniges Störfeuer
Diesen Druck der EU hat nun der Bundesrat mit einem «eleganten Schachzug» (Finanz und Wirtschaft) unterlaufen. Sollte Brüssel die Börsenäquivalenz tatsächlich nicht anerkennen, wird dieser Angriff nicht nur ins Leere schiessen, sondern sich sogar gegen den Urheber richten. Mittels Notrecht würde der Bundesrat verfügen, dass Börsen und Handelsplätze der EU keine Wertpapiere von Schweizer Unternehmen handeln dürften. Gemäss einer EU-Bestimmung über die Börse ist eine Anerkennung der Gleichwertigkeit nämlich nur dann notwendig, wenn ein Wertpapierhändler im EU-Raum in der Schweiz Aktien handeln will, die auch in der Europäischen Union gehandelt werden. Wird ein Schweizer Wertpapier aber nicht im EU-Raum gehandelt, ist dieses Erfordernis nicht notwendig. Banken und sonstige Händler aus der EU dürfen die Aktien an einer Schweizer Börse handeln – egal, ob es eine Äquivalenzanerkennung gibt oder nicht. Kurz: Mit dem Verbot an europäischen Börsen Schweizer Aktien zu handeln, würde die Drohung der EU zum reinen Papiertiger. Der Schachzug des Bundesrates hätte sogar die nicht unwillkommene Folge, dass sich der Handel mit Schweizer Wertpapieren praktisch vollständig in die Schweiz verlagern würde.
Ausgerechnet die FDP kritisiert diese kluge bundesrätliche Strategie. In ihrem Pressedienst verurteilte sie schon am Tag des Entscheids den «fragwürdigen Plan B» und sprach von einem «Schuss ins eigene Knie». Ja, die FDP warnt sogar vor «Rechtsunsicherheit» und «wirkungslosem Heimatschutz». Der Freisinn ist leider dermassen auf das EU-Rahmenabkommen fixiert, dass er unfähig scheint, die wahre Rechtsunsicherheit für unsere Unternehmen zu erkennen: Diese liegt nämlich in der einseitigen Rechtsübernahme von durch uns unbeeinflusstem EU-Recht und in der letztgültigen Entscheidung durch fremde Richter des EU-Gerichtshofs.