Editorial

Gratisanwälte für alle Asylbewerber – eine kritische Betrachtung aus der Praxis

Die vom Parlament verabschiedete Asylgesetzrevision sieht eine unentgeltliche, bedingungslose Rechtsvertretung (Gratisanwalt) für alle Asylsuchenden vor mit Vergütung zum Pauschaltarif. Schon heute ist absehbar, dass sich hauptsächlich Hilfswerke um diesen Auftrag reissen werden. Begründet wird diese angebliche Notwendigkeit mit der Verkürzung der Entscheid- und Rechtsmittelfristen. 

Heinz Brand
Heinz Brand
Nationalrat Klosters (GR)

Das Recht auf unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Schweizerischer Bundesverfassung (Art. 29 Abs. 3 BV) garantiert. Im Vordergrund steht dabei jedoch das Recht auf Zugang zu Gerichten und Behörden für Bedürftige. Hingegen war in allen Rechtsgebieten die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsvertreters bisher immer an konkrete Bedingungen geknüpft und Gegenstand einer behördlichen oder gerichtlichen Einzelfallprüfung. So war neben der finanziellen Bedürftigkeit der rechtssuchenden Person auch immer notwendig, dass die Angelegenheit eine gewisse Komplexität aufweist und das Verfahren nicht aussichtslos ist. Die Bedingungen der Komplexität und Nichtaussichtslosigkeit dürften bei einem grossen Teil der Asylverfahren wohl nicht gegeben sein. Im Asylbereich waren unentgeltliche Rechtsvertreter bisher lediglich in Beschwerdeverfahren (Anfechtung eines negativen Asylentscheids), nicht aber dem eigentlichen Asylverfahren oder Vorverfahren Thema. Bisher war bei den Anhörungen gewöhnlich eine Beobachtungsperson eines Schweizer Hilfswerks anwesend, welche die Einhaltung sämtlicher Verfahrensrechte garantierte. Denn selbst wenn dem Asylsuchenden im Asylverfahren gewisse elementare Mitwirkungspflichten obliegen, so hat die Behörde den Sachverhalt immer von Amtes wegen zu ergründen. Erst im Beschwerdeverfahren hat der Betroffene allfällige Einwände zu formulieren und zu begründen, was den Beizug eines unentgeltlichen Rechtsvertreters inhaltlich zu rechtfertigen vermag. Damit wäre sämtlichen rechtsstaatlichen Prinzipien Genüge getan. Diese neu vorgesehene Bedingungslosigkeit der unentgeltlichen Rechtsvertretung für die Gesamtheit des Asylverfahrens wird Asylsuchende gegenüber anderen (einheimischen) Rechtssuchenden in Verwaltungsverfahren ungerechterweise bevorzugen, was klarerweise nicht im Sinne der EMRK und der Schweizerischen Bundesverfassung sein kann.

Zunahme von aussichtslosen Verfahren

Zudem gibt auch die praktische Umsetzung der Vorlage Anlass zu Kritik: So ist unter Praktikern in der Justiz bekannt, dass bei einer flächendeckenden Rechtsverbeiständung mit einer Vielzahl von aussichtslosen Beschwerden zu rechnen ist, was wiederum zu Mehraufwand und längeren Verfahren führt. Damit dürfte das eigentliche Ziel der Effizienzsteigerung in den Asylverfahren wohl mehr als verfehlt werden. Sodann sind als unentgeltliche Rechtsvertreter einerseits Rechtsanwälte vorgesehen, andererseits aber auch Personen mit universitärem juristischem Hochschulabschluss, die sich beruflich mit der Beratung und Vertretung von Asylsuchenden befassen. Dass es sich dabei um eine schweizerische Juristen- oder Anwaltsausbildung handeln soll, ist nicht explizit vorgesehen. Bereits heute fallen einige im Asylbereich tätige ausländische (insbesondere afrikanische) Juristen und Anwälte im Asylbeschwerdeverfahren durch unnötiges und aussichtsloses Prozessieren auf, oftmals auch auf Kosten des Staates.

Problematische Pauschalentschädigung

Auch gilt im Schweizerischen Rechtssystem bezüglich der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung heute das Prinzip der Entschädigung nach Aufwand, wobei Kürzungen von Anwaltshonoraren seitens der Behörde nachvollziehbar zu begründen sind. Auch z.B. von Rechtsschutzversicherungen mandatierte Rechtsanwälte werden stets nach Aufwand entschädigt. Dieser elementare Grundsatz soll die Unabhängigkeit der Rechtsvertreter und damit die Qualität der Rechtsverbeiständung garantieren. Die im neuen Asylgesetz vorgesehenen, den unentgeltlichen Rechtsvertretern vom Aufwand unabhängig auszurichtenden Pauschalentschädigungen dürften in diesem Zusammenhang verfassungs- und standesrechtlich äusserst problematisch sein. Das vorgesehene System der Pauschalvergütung wird als sinnvolle und kostengünstige Lösung angepriesen. Dies ist sehr erstaunlich, enthält die Vorlage doch keinerlei Angaben über die Höhe der Pauschalvergütungen. Der Bund dürfte hier nach eigenem Ermessen traditionellerweise aus dem Vollen schöpfen und sich eher am mutmasslichen Maximal- statt Minimalaufwand des Rechtsvertreters orientieren. Daher ist mit erheblichen Mehrkosten, wenn nicht gar einer Kostenexplosion zu Lasten der steuerzahlenden Bevölkerung zu rechnen.

Hohe Untertauchquote und fehlende Haftmöglichkeiten

Schliesslich ist aus den Ergebnissen der Testbetriebe bereits heute offiziell bekannt, dass die dort rechtlich verbeiständeten Asylsuchenden mit schlechten Chancen auf Asyl noch während des Asylverfahrens überdurchschnittlich oft untertauchen. Dies erweist sich insofern als problematisch, als seit dem 1. Juli 2015 mit der Umsetzung der Dublin-III-Verordnung die Anforderungen an die Anordnung von Ausschaffungshaft für abgewiesene bzw. chancenlose Dublin-Asylsuchende (über einen Schengenstaat in die Schweiz eingereiste Asylsuchende) enorm gestiegen sind. Haft soll nur noch im Ausnahmefall angeordnet werden dürfen. Zudem wurden die Maximalhaftfristen radikal auf sechs Wochen bzw. im Renitenzfall auf drei Monate verkürzt, was für die Ausschaffung oft nicht ausreicht und zur Haftentlassung führt. Schon jetzt beklagen viele kantonale Migrationsämter ein vermehrtes Untertauchen von abgewiesenen Asylsuchenden. Diese können sodann nicht mehr ausser Landes geschafft werden und enden früher oder später in der Kriminalität. Diese Tendenz zu vermehrtem Untertauchen dürfte sich im Falle einer flächendeckenden unentgeltlichen Rechtsverbeiständung noch massiv verschärfen. Wichtig sind daher rasche Asylerfahren, kurze Rechtsmittelfristen und umgehende Ausschaffungen nach negativen Asylentscheiden.

Fazit: Die bedingungslose unentgeltliche Rechtsvertretung für alle Asylsuchende bereits im Vor- und Asylverfahren mit Pauschalvergütung stellt ein absolutes Novum im Schweizerischen Rechtssystem dar. Sie ist nicht nur unnötig und ungerecht, sondern auch verfassungsmässig und standesrechtlich problematisch. Ausserdem verursacht sie erheblichen Mehraufwand, längere Verfahren und hohe Zusatzkosten zu Lasten der steuerzahlenden Bevölkerung. Die Schweiz würde für Asylsuchende noch attraktiver, profitieren würde lediglich die Asylindustrie. Dies sind Gründe genug, das von der SVP ergriffene Referendum gegen die Asylgesetzrevision zu unterstützen.

 

Heinz Brand
Heinz Brand
Nationalrat Klosters (GR)
 
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