Die Mitte-Links-Mehrheit des Nationalrats hat in der Herbstsession meine parlamentarische Initiative «Kaufkraftbereinigte Familienzulagen» versenkt – obwohl die Sozialkommissionen beider Kammern dem Anliegen zugestimmt hatten. Damit geht der ungerechtfertigte Export von Sozialleistungen von mehreren hundert Millionen Franken pro Jahr weiter.
Die Personenfreizügigkeit beschert der Schweiz massiv höhere Sozialkosten. Der grösste Ausgabeposten sind die Familienzulagen. Allein 2019 flossen rund 737 Millionen Franken im Giesskannenprinzip in den EU-Raum. Kostentreiber ist die stetig steigende Zahl von zum Teil kinderreichen Familien von Grenzgängern und Kurzaufenthaltern. Obwohl vorwiegend aus Lohnbeiträgen finanziert, ist nicht nachvollziehbar, weshalb ein Kind eines in Polen, Rumänien oder Tschechien wohnhaften Kurzaufenthalters dieselben Leistungen erhält wie ein in der teuren Schweiz lebendes Kind. Familienzulagen wurden nicht geschaffen, um Familien zu bereichern, sondern um sie zu entlasten.
Ungerechtfertigte Bevorteilung stoppen
Laut dem geltenden Bundesgesetz über die Familienzulagen (Art.4, d, 3) richtet sich die Höhe der Familienzulagen nach der Kaufkraft des Wohnsitzstaates. Internationale Vereinbarungen mit EU- und EFTA-Staaten hebeln Schweizer Recht jedoch aus. Um den ungerechtfertigten Export von Sozialleistungen zu stoppen, forderte ich 2017 in einem Vorstoss, die gesetzlich vorgeschriebenen Minimalbeiträge für Kinder- und Ausbildungszulagen von monatlich 200, respektive 250 Franken, generell um 100 Franken zu kürzen. Zum Ausgleich der Kaufkraftnachteile sollten Arbeitnehmende, die mit ihrer Familie in der Schweiz leben, einen Zuschlag von 100 Franken pro Monat erhalten. Dadurch würde für alle Arbeitnehmenden dieselbe Ausgangslage geschaffen. Die internationalen Vereinbarungen würden nicht verletzt, unsere Sozialkosten reduziert und es könnte mehr Gerechtigkeit gegenüber allen in der Schweiz wohnhaften Familien geschaffen werden.
Verpasste Chance!
Obwohl der Vorstoss 2018 die Vorprüfung der Sozial- und Gesundheitskommission des Nationalrats und 2019 des Ständerats überstand und der Nationalrat im März 2022 der Fristverlängerung zugestimmt hat, verweigerte die Mitte-Links-Mehrheit des Nationalrats in der kürzlich zu Ende gegangenen Herbstsession die Umsetzung. Grund ist unter anderem, dass Österreich betreffend einer ähnlichen Gesetzesänderung im Juni 2022 vom Europäischen Gerichtshof (EuGh) aufgrund einer EU-Vertragsverletzung zurückgepfiffen worden ist. Der Vorwurf einer allfälligen Diskriminierung könnte aber entschärft werden, indem die kaufkraftbereinigte Ausrichtung der Familienzulagen auch den regionalen Preisunterschieden in der Schweiz Rechnung tragen würde. Mit der Abschreibung meiner Initiative im Nationalrat hat Mitte-Links jedoch diese Chance auf mehr Gerechtigkeit für Schweizer Familien mutlos durch die Hintertür entsorgt. Dass der Ständerat dies korrigiert, ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse nicht zu erwarten.