Nach dem Votum für Selbstbestimmung der Briten und dem damit verbundenen Austritt aus der Europäischen Union muss sich die Schweiz auf ihre Stärken besinnen.
Direkte Demokratie und das Recht, im eigenen Land zu bestimmen, sind die tragenden Säulen unseres Landes. Jetzt gilt es auch in der Schweiz die richtigen Entscheide zu treffen – ganz speziell in den Bereichen Forschung, Finanzplatz, Exportwirtschaft und Personenfreizügigkeit.
Es war nicht anders zu erwarten: Unsere Journalisten inklusive die Kommentatoren der staatlichen SRG beurteilten den EU-Austrittsentscheid der Briten wahlweise als „Schock“, als „Abgrund“, ja sogar als „Untergang“. Dies ist nicht weiter erstaunlich, denn es sind dieselben Medien, die den Schweizerinnen und Schweizern seit 25 Jahren einhämmern, es gebe zur EU-Mitgliedschaft oder zumindest zur EU-Anbindung keine Alternative. Das EDA wiederum richtete seinerseits eine «Helpline» für in Grossbritannien lebende Schweizer ein – wie wenn sich eine Naturkatastrophe ereignet hätte. Doch zu den weit realitätsnäheren Indikatoren für die Qualität politischer Entscheide gehören für mich die Reaktionen der Finanzmärkte. Nach dem Schweizer EWR-Nein vom 6. Dezember 1992 – das die führenden Kreise im Vorfeld ziemlich einstimmig zur absoluten Katastrophe hochstilisiert hatten, ähnlich drohte den Briten nun auch die EU-Kommission – verlor unsere Börse am Folgetag zu Beginn etwas, um noch am Abend des 7. Dezember höher zu schliessen als vor dem Abstimmungswochenende. Ähnliches lässt sich vom Brexit sagen: Die internationalen Finanzmärkte standen nach dem britischen Volksentscheid besser da als davor. Der Dow Jones Index eröffnete eine Woche vor dem Brexit-Entscheid bei 17.602,23 und schloss eine Woche danach bei 17.949,37.
Britische und Schweizer Forscher sind Spitze
In Tat und Wahrheit ist der Entscheid der Bevölkerung Grossbritanniens eine grosse Chance für die Schweiz. Zuvor hat der Bundesrat bei der Übertragung der bilateralen Verträge auf das EU-Neumitglied Kroatien inklusive Personenfreizügigkeit enormen Druck auf das Parlament aufgebaut. Im klaren Wissen, dass das Ja des Souveräns zur SVP-Masseneinwanderungsinitiative verbietet, vor deren Umsetzung neue Staatsverträge abzuschliessen, wollte er das Abkommen unter Hinweis auf das gefährdete EU-Forschungsprogramm „Horizon 2020“ dennoch unterzeichnen. Von drei Bundesratsparteien und von den Wirtschaftsverbänden wurde „Horizon 2020“ als so überlebenswichtig beurteilt, dass die anderen Verträge des bilateralen Pakets I offenbar geradezu als unbedeutend erschienen. Dabei stellt der Brexit unser Land gerade im Forschungsbereich vor eine völlig neue Situation: Grossbritannien bildet mit seinen Elite-Institutionen den bei weitem wichtigsten Forschungsplatz Europas. Auf Nummer zwei rangiert die Schweiz, wobei die ETH Zürich punkto Forschungsleistung hinter den Universitäten von Oxford und Cambridge sowie dem Imperial College in London an vierter Stelle der europäischen Hochschulen steht. Da wäre es naheliegend, dass die Schweizer Forschungslandschaft zur Erhaltung ihrer exzellenten Qualität den Wissensaustausch vor allem durch einen Verbund mit den vorzüglichen englischen Universitäten statt mit dem EU-Mittelmass sucht. Auch die USA und Japan liegen übrigens qualitativ weit vor den Hochschulen der EU. Davon abgesehen gehen die EU-Gelder, die in die Schweiz fliessen, zu einem schönen Teil an ausländische Forscher aus dem EU-Raum. Brüssel dürfte sich darum sehr genau überlegen, ob es künftig Schweizer Projekte diskriminieren will.
EU ohne globalen Finanzplatz
Mit dem Brexit gehört der Finanzplatz London künftig nicht mehr zur Europäischen Union. Unter den bedeutendsten Finanzplätzen findet sich laut Global Financial Centres Index unter den ersten dreizehn kein einziger der EU. London bildet den global wichtigsten Finanzplatz überhaupt. Es folgen New York, Hongkong, Singapur und Tokio. Bereits auf Rang sechs folgt Zürich. Luxemburg steht erst an vierzehnter und Frankfurt sogar erst an achtzehnter Stelle. Angesichts der Tatsache, dass künftig auch Grossbritannien nicht mehr EU-Mitglied ist, sollten die Finanzplätze von London einerseits und Zürich/Genf andererseits weit enger zusammenarbeiten. Die City of London, beziehungsweise die Docklands geniessen schon heute privilegierte Sonderrechte und es ist nicht einzusehen, warum der Schweizer Finanzplatz diese Sonderrechte gegenüber der EU kampflos aufgeben soll. Die uns von der EU aufgezwungenen Regulierungsfesseln sind abzustreifen, die Grossbanken müssten in London statt in Brüssel lobbyieren. Eine erfolgreiche Finanzmarktstrategie könnte auf den Vorteilen der politischen Stabilität, dem starken Schweizer Franken und dem ausgezeichneten Know-how aufgebaut werden. Die erfolgreich eingereichte Initiative zum Schutz der finanziellen Privatsphäre erhält eine noch grössere Bedeutung. Die Stempelsteuer auf Wertschriften und die Überregulierungen im Fondgeschäft wären abzuschaffen.
Wachstumsmärkte liegen ausserhalb der EU
Interessant sind die Folgen des Brexit auch hinsichtlich der Schweizer Exportindustrie. Im Jahr bevor die als so überlebenswichtig gelobten bilateralen Verträge I in Kraft traten, betrug unser Exportanteil in die EU noch stolze 64 Prozent. Nach dem Brexit liegt der Anteil der EU-Exporte noch bei 47 Prozent. Dieser rückläufige prozentuale Anteil belegt, dass die Bedeutung der Bilateralen I massiv überschätzt wird. Der Exportanteil der übrigen Welt hat so deutlich zugenommen, dass eine einseitige Ausrichtung auf die EU wenig Sinn macht. Auch gilt es zu beachten, dass die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs weltweit zu den liberalsten, am wenigsten regulierten gehört. Das dortige Wirtschaftswachstum lag 2015 immerhin bei 2,2 Prozent und die Beschäftigungsquote auf einem historischen Höchststand. Grossbritannien verfügt über grosse Energieressourcen wie Kohle, Erdgas und Erdöl. Vor allem aber bleibt das Inselreich ähnlich wie die Schweiz mit einem erheblichen Handelsbilanzdefizit ein äusserst wichtiger Partner der EU. Während Deutschland 2015 innerhalb der EU mit Abstand am meisten exportierte (Handelsbilanzüberschuss 251,9 Milliarden Euro), hat Grossbritannien mit Abstand am meisten importiert (Handelsbilanzdefizit 165,4 Milliarden Euro).
Selbstbestimmung stärken – Zuwanderung beschränken
Die Personenfreizügigkeit und die Fremdbestimmung durch bürokratische EU-Regulierungen überfordert die Briten ebenso wie die Schweizer. Die Briten haben eine lange Tradition der Selbstbestimmung, der Eigenverantwortung und der parlamentarischen Demokratie. Es muss und darf nicht alles staatlich reguliert sein und schon gar nicht durch das demokratisch kaum legitimierte Brüssel. Diese Souveränität mussten sie immer mehr aufgeben Insbesondere gab für den Brexit aber auch die unkontrollierte Zuwanderung den Ausschlag, genau wie bei der hiesigen Masseneinwanderungsinitiative; ja, sie wird zum Prüfstein für das EU-Gesamtprojekt. Genauso wenig wie Grossbritannien kann die Schweiz den unkontrollierten Zustrom an Menschen verkraften. Sollte unser Parlament kein Zuwanderungssystem mit Kontingenten und Inländervorrang oder geeignete Massnahmen mit derselben Wirkung beschliessen, muss der Personenfreizügigkeitsvertrag gekündigt werden. Es handelt sich hier um einen einzigen von über 180 bilateralen Verträgen mit der EU. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die EU die sechs übrigen Verträge der Bilateralen I künden würde, hätte das 1973 in Kraft getretene Freihandelsabkommen noch immer Gültigkeit. Vergessen wir nicht, dass die Briten mit ihrem mutigen Brexit-Entscheid nun ohne bilaterale Verträge mit der EU und mit keinem einzigen Freihandelsabkommen dastehen. Aber sie haben ihre Freiheit zurückerhalten, die Freiheit der Selbstbestimmung des nationalen Rechts und nationaler Regulierungen. Es gilt diese in der Schweiz auch wieder zu erlangen, deshalb ist die Selbstbestimmungs-Initiative der SVP von so grosser Wichtigkeit.