Dass zwischen Vertretern von Abstimmungskomitees in einem Abstimmungskampf hart gerungen wird, ist klar. Man versucht die Schwächen der gegnerischen Argumentation aufzudecken und spitzt dabei…
Dass zwischen Vertretern von Abstimmungskomitees in einem Abstimmungskampf hart gerungen wird, ist klar. Man versucht die Schwächen der gegnerischen Argumentation aufzudecken und spitzt dabei bisweilen zu. Nun sehen sich auch Magistratspersonen immer häufiger als Bannerträger von Abstimmungskampagnen. Dies geschieht derzeit im Abstimmungskampf um die Ausschaffungsinitiative, wo die Befürworter des Gegenvorschlags alles auf die Justizministerin und eine kantonale Justizdirektorin setzen. Der Grat zwischen objektiver Information und Staatspropaganda ist dabei schmal, wie aktuelle Beispiele zeigen.
Der Bundesrat will Urhebern eines Volksbegehrens neu nun offenbar „Noten“ für ihr Initiativprojekt erteilen. Bundesrätin Sommaruga gab letzte Woche in den Medien zu Protokoll, sie habe noch nie eine so „schludrig“ formulierte Initiative gesehen wie die Ausschaffungsinitiative. Solche Aussagen taugen weniger als objektive Einschätzung eines Volksbegehrens, sondern zeigen eher, was einzelne Bundesräte heute offenbar von den Volksrechten halten. Wer sich erfrecht, eine Initiative einzureichen, wird quasi zum „Schnoderi“ abqualifiziert.
Gültigkeit längst geklärt
Die neue Justizministerin lässt sich im Abstimmungskampf zur Ausschaffungsinitiative auch sonst zu Aussagen hinreissen, die in der vorgetragenen Form nicht haltbar sind und aus bundesrätlichem Mund befremden. In der „Arena“ des Schweizer Fernsehens behauptete die Bundesrätin, dass mit der Initiative Personen ausgeschafft würden, selbst wenn ihnen Folter drohe. Würde diese Aussage zutreffen, verstiesse die Initiative gegen zwingendes Völkerrecht und hätte vom Parlament für ungültig erklärt werden müssen. Auch Frau Sommaruga weiss dies. Die Frage der Vereinbarkeit der Initiative mit zwingendem Völkerrecht wurde im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens abschliessend geklärt. Gutachter, Bundesrat und Parlament kamen gestützt auf die geltende Praxis eindeutig zum Schluss, dass die Ausschaffungsinitiative in ihrem Wortlaut mit dem zwingenden Völkerrecht vereinbar ist. Dabei spielen die Aussagen der Initianten, die von Beginn weg immer auf diesen klaren Sachverhalt hingewiesen haben, letztlich keine Rolle. Die Vereinbarkeit mit zwingendem Völkerrecht ergibt sich alleine aus dem Text und der geltenden Praxis. Wieso behauptet Bundesrätin Sommaruga wider besseres Wissen das Gegenteil?
Schwere Verbrechen im Visier
Ebenso unredlich ist die Aussage der Bundesrätin, dass, wer einmal eine Zeile auf einem AHV-Formular falsch ausgefüllt habe, gleich ausgeschafft würde. Gemäss Ausschaffungsinitiative verliert ein krimineller Ausländer sein Aufenthaltsrecht, wenn er „missbräuchlich Leistungen der Sozialversicherungen oder Sozialhilfe bezogen hat“. Solches Verhalten kommt in vielen Fällen einem Betrug gleich: Eine Person betrügt staatliche Instanzen, um ungerechtfertigt finanzielle Leistungen zu erhalten. Nach strafrechtlicher Lehre ist Betrug eine in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht durch arglistige Irreführung bewirkte Vermögensschädigung. Genau darum geht es beim Sozialmissbrauch in der Regel. Sozialmissbrauch ist für unsere Sozialwerke ein grosses Problem und alles andere als ein Kavaliersdelikt. Der von der Bundesrätin erwähnte Fall würde wohl nicht einmal zu einem Verfahren führen, geschweige denn zur Ausschaffung. Auch weiss Frau Sommaruga genau, dass auch hier das Parlament den detaillierten Rahmen setzen wird und festlegt, welche Tatbestände im Bereich des Sozialmissbrauchs zur Ausschaffung führen werden. Eines ist allerdings bereits heute klar. Mit dem Gegenentwurf zur Ausschaffungsinitiative wird nie ein Ausländer wegen Sozialbetrugs ausgeschafft werden. Die schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) musste nämlich letzte Woche zugeben, dass ihr kein Fall bekannt sei, bei dem ein Sozialhilfemissbrauch mit dem gemäss Gegenentwurf notwendigen Strafmass von mindestens 18 Monaten geahndet worden wäre. Kurz: Der Gegenentwurf ist in Sachen Sozialmissbrauch wirkungslos.
Eine weitere Behauptung der Bundesrätin liess in der Arena aufhorchen: In der Initiative stehe, dass ein Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz zur Ausschaffung führen würde. Auch diese Aussage ist in dieser Absolutheit falsch. Richtig ist, dass gemäss Initiative ausgeschafft wird, wer wegen Drogenhandels verurteilt wird. Auch hier wird der Gesetzgeber den genauen Straftatbestand noch zu definieren haben. Klar ist, dass nicht jeder Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz zur Ausschaffung führt. Auch dieser Sachverhalt müsste der Justizministerin eigentlich bekannt sein.
Fazit: Bundesrätin Sommaruga hat in der TV-Arena den Pfad der sachlichen Information gleich mehrfach verlassen, nachdem sie selbst zu „Sachlichkeit“ und „Respekt“ aufgerufen hatte. Sie sollte sich in den noch folgenden Wochen verstärkt an den eigenen Ansprüchen orientieren.