In der Aussenpolitik erteilt die Bundesverfassung dem Bundesrat einen einfachen und klaren Auftrag: „Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt"…
In der Aussenpolitik erteilt die Bundesverfassung dem Bundesrat einen einfachen und klaren Auftrag: „Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt“ (Art. 54 Abs.2), was bereits Art. 2 (Zweck der Eidgenossenschaft) festhält: „Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes“.
Das Handeln des Bundesrates muss somit an den Resultaten gemessen werden, die erzielt werden, um einerseits die Unabhängigkeit der Schweiz und andererseits ihre Wohlfahrt zu stärken, und dies unter Respektierung der Volksrechte, das heisst der effektiven Ausübung der direkten Demokratie. Der amtierende Bundesrat wurde im Dezember 2007 gewählt. Die Frage muss demnach lauten: Ist die Schweiz von heute
Ich könnte mein Referat hier schliessen, denn jeder von uns kann selber feststellen, dass seit Dezember 2007
Wir kennen die Episoden, über die die Medien ausführlich berichteten und die uns beschämen und traurig machen, denn sie zeigen, dass der Bundesrat seinen Auftrag nicht versteht und nicht im Interesse des Schweizer Volkes handelt. Zur Illustration einige Beispiele:
Unabhängigkeit und Wohlfahrt: Es ist kein Zufall, dass die Bundesverfassung in weiser Voraussicht beide Begriffe im gleichen Artikel (54 Absatz 2) verbunden hat. Sie sind in der Tat eng miteinander verknüpft, wie uns die Krise in Erinnerung ruft.
Die Geschichte macht es deutlich: Wenn ein Volk vor der schmerzlichen Wahl steht, entweder den Verlust des Brotes oder der Freiheit zu riskieren, verlieren jene, die lieber auf die Freiheit verzichten, meistens auch das Brot, und das an einen Mächtigeren; jene, die sich für die Freiheit entscheiden, erhalten meistens noch das Brot dazu, weil sie immer noch Meister ihres Schicksals sind.
Mit dem Verzicht auf die Unabhängigkeit der Schweiz wird der Bundesrat das Land in die Armut treiben. Das ist allen klar ausser dem Bundesrat, der handelt, als wären die direkte Demokratie eine populistische Gefahr, unsere Grenzen ein archaisches Relikt, das es schnellstens auszulöschen gilt, und die Unabhängigkeit des Landes ein Hindernis für das Wirtschaftswachstum.
Wie die Freisinnigen im 19. Jahrhundert scheint der Bundesrat besessen von der Idee, die Grenzen verschwinden zu sehen. Er realisiert nicht, dass im 21. Jahrhundert die Völker mit der Verwischung der politischen Grenzen unter dem Druck einer globalisierten Wirtschaft zunehmend das Bedürfnis nach lokaler und nationaler Verwurzelung verspüren. Er realisiert nicht, dass die Völker heute alle davon träumen, wie das Schweizer Volk mit dem Föderalismus und der direkten Demokratie über politische Hebel zu verfügen, die in der Lage sind, sie vor den rohen Winden der Globalisierung zu schützen.
Das Fehlen einer politischen Vision des Bundesrates lähmt die Schweiz. Dieser sieht nicht, dass sich die Welt verändert hat. Mit der amerikanischen Finanzkrise ist 2008 eine 20-jährige Periode zu Ende gegangen, die mit dem Fall der Berliner Mauer und der Konkursanmeldung in Moskau begann. Dazu das Auftauchen einer einzigen Supermacht, welche die Globalisierung der Wirtschaft befürwortet. Die amerikanische Krise, die eine Krise der Globalisierung ist, macht einer andern Welt Platz: einer multipolaren, durch das Aufeinanderprallen der Zivilisationen geteilten Welt.
Der Schweiz bleiben zwei Optionen. Entweder schliesst sie sich der Europäischen Union an, einem der politischen Pole dieser neuen Welt, und löst sich auf, denn die EU kann sich weder mit dem Föderalismus noch mit der direkten Demokratie belasten, die unsere gemeinsame schweizerische Kultur ausmachen. Das ist die Option des Bundesrates: auf unsere Souveränität verzichten und verschwinden.
Oder sie macht, was wir in der Vergangenheit immer zu tun verstanden: sie erfindet einen schweizerischen Weg, welcher der neuen Welt angepasst ist. Das heisst, sich politisch als neutraler und souveräner Staat positionieren in einer multipolaren Welt, in der die Schweiz vier oder fünf rivalisierenden Blöcken Leistungen anbieten kann, die mit ihrem Auftrag übereinstimmen, Leistungen also, die allen etwas bringen und die kein anderer Akteur der internationalen Szene erbringen kann. Wie das schon in anderen Perioden der Geschichte der Fall war. Zum Beispiel während des Kalten Krieges, als die Schweiz von 1945 es verstand, ihre relative Isolation bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges als Wettbewerbsvorteil zu nutzen: die Neutralität in einer zweigeteilten Welt. Wir haben aus dieser Positionierung heraus eine erkennbare und wirksame Aussenpolitik betrieben, nützlich für die Welt und wirtschaftlich vorteilhaft für die Schweiz. Diese Politik hatte Bestand, bis der Mauerfall einer andern Welt Platz machte.
Um die Fortsetzung zu erfinden, bräuchte es einen Bundesrat, der aus Personen mit einer zeitgemässen politischen Vision und einer echten Verbundenheit mit der schweizerischen Geschichte besteht. Im EDA ist davon nichts zu spüren.