Auswirkungen eines EU-Beitritts auf den Wirtschaftsstandort Schweiz

Die Schweiz ist mit der EU seit jeher wirtschaftlich stark vernetzt (teilweise stärker als einzelne EU-Staaten untereinander). Durch die Ausweitung der EU von ursprünglich 6 auf heute 25 Länder hat…

Peter Spuhler
Peter Spuhler
Nationalrat Bussnang (TG)

Die Schweiz ist mit der EU seit jeher wirtschaftlich stark vernetzt (teilweise stärker als einzelne EU-Staaten untereinander). Durch die Ausweitung der EU von ursprünglich 6 auf heute 25 Länder hat sich die wirtschaftliche Verflechtung massiv verstärkt. In der Schweiz wird jeder zweite Franken im Export verdient, jeder dritte Franken im Export mit der EU und direkt hängt jeder dritte Arbeitsplatz mit dem Export zusammen. Der Güteraustausch mit der EU hat sowohl in absoluten Zahlen (um rund das 20-fache) wie auch im Verhältnis zu dem Total aller Importe/Exporte massiv zugenommen. Die Schweiz exportierte im Jahr 2004 für 92 Milliarden Franken Waren und Dienstleistungen (62 Prozent aller Exporte, 1960: 41 Prozent) in die EU, währenddem wir von der EU für 113 Milliarden Franken Waren und Dienstleistungen importierten (81 Prozent aller Importe, 1960: 61 Prozent). Die gegenseitigen Direktinvestitionen haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als verzehnfacht. Im Jahr 2003 kamen rund 56 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen (112 Milliarden Franken) aus EU-Ländern (1985: 52 Prozent aus EU Ländern). Ebenso leben 380’000 Auslandschweizer und -schwei-zerinnen von total 620’000 in EU Ländern. Mit der Volksabstimmung vom 25. September 2005 wurde die Rechtssicherheit mit unserem wichtigsten Handelspartner EU gestärkt. Das Gebot der Nichtdiskriminierung bei der Personenfreizügigkeit wird uns zwingen unsere Sozialversicherungsleistungen zu überprüfen und allenfalls schlanker zu gestalten.

Diese Fakten sprechen klare Worte: Das klare Nein von uns, der SVP, zu einem EU-Beitritt weder heute noch morgen und das damit verbundene klare JA zur staatspolitischen Unabhängigkeit wird durch den pragmatischen bilateralen Weg der wirtschaftspolitischen Öffnung gesichert.

13 Jahre nach der historischen Abstimmung vom 6. Dezember 1992, als es um den EWR-Beitritt ging, den ich klar abgelehnt habe, gilt es an der erfolgreichen Position der Schweiz festzuhalten. Ein Beitritt der Schweiz zur EU hätte enorm schädliche Folgen für unser Selbstverständnis als Staat und unsere Wirtschaft ebenso. Die Schweizer Wirtschaft soll sich nicht einseitig auf die EU als Handelspartner ausrichten, sondern auf die ganze Welt.

Generell muss uns bewusst sein, dass die EU mit ihrem Binnenmarkt und der Nicht-Diskriminierung innerhalb der EU-Grenzen wirtschaftlich keine anderen Vorteile hat, als dass sie die geltenden Regeln des Weltmarkts (in der WTO und durch zahlreiche Verträge und Organisationen verbrieft) vorweggenommen hat. Deshalb reduziert sich der spezifische Vorteil einer EU-Mitgliedschaft weiter.

Man könnte sogar behaupten, dass sich die starke Verrechtlichung in der EU (viele Arbeitsmarkt- und Sozialregeln, normiert auf dem höchsten Stand der Mitgliedsländer) wirtschaftlich negativ auf die Unternehmen und Bürger auswirkt. So legen zum Beispiel die stetig stärker normierte, EU-weit gültige Arbeitszeit, Entsenderichtlinien und Versuche der Steuerharmonisierungen, den Wirtschaftsakteuren enge Fesseln an. Die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Akteuren des Weltmarkts wird geschwächt. Die Schweiz hat sich daher nicht der EU anzupassen, sondern viel mehr dem internationalen Umfeld zu stellen, um international konkurrenzfähig zu sein.

Auswirkungen auf den Werkplatz

  • Gestauchtes Wirtschaftswachstum: Die Schweizer Wirtschaft verzeichnet seit Jahrzehnten das schwächste wirtschaftliche Wachstum aller 33 OECD-Staaten. Wenn die seit 1980 anhaltende Wachstumsschwäche der Schweiz nicht bald durchbrochen werden kann, wird die Schweiz bei gleich bleibender Entwicklung im Jahr 2015 von den Skandinavischen Ländern sowie Österreich bezüglich Wohlstandsniveau überholt. Durch das mangelnde Wirtschaftswachstum ergeben sich grosse Probleme bei der Finanzierung der Budgets auf Stufe Bund, Kantone und Gemeinden. Ebenso leidet die nachhaltige Finanzierung unserer Sozialwerke. Nur durch Wachstum kann dieses Problem gelöst werden und nicht durch Integration in eine supranationale Einheit.
  • Schweiz als Nettozahler: Die Schweiz würde zu den wenig verbleibenden Nettozahlern der EU mit rund 4-6 Milliarden Franken jährlichen Zahlungen gehören. Alleine um diesen Mittelabfluss zu decken, müsste die Mehrwertsteuer bei uns um 2-3 Prozentpunkte erhöht werden. Dies bedeutet, dass das Brutto-Inland-Produkt (BIP) 1-1.5 Prozent wachsen müsste, um nur das heutige Wohlstandsniveau zu halten.
  • Verdoppelung der Mehrwertsteuern: Ebenso muss auf die Konsequenzen hingewiesen werden, wenn bei einem EU-Beitritt der Schweiz die Mehrwertsteuern auf einen Mindestsatz von 15 Prozent erhöht werden müssten. Die damit einhergehende Verdoppelung der Mehrwertsteuererträge des Bundes von heute gut 18 Milliarden Franken würde insbesondere die Kaufkraft der unteren Einkommensschichten schwächen und die Wirtschaft entsprechend bremsen, d.h. den Wohlstand senken. Denn jemand muss das ja bezahlen.
  • Verlust Spielraum Zinspolitik: Die Schweiz hat durch die Nicht-Zugehörigkeit zur EU einen Spielraum bei der Währungs-, Inflations- und Zinspolitik. Die Schweiz wäre das einzige Land, dass bei einem EU-Beitritt seine Zinsen erhöhen müsste (europäisches Niveau mind. 1,5 Prozent höher). Die Zinsbelastung für die öffentlichen und privaten Schuldenlasten würde enorm steigen, was sich zum Beispiel in höheren Wohnungsmieten von durchschnittlich 30 Prozent auswirken würde. Die Attraktivität der eigenen Währungspolitik ist auch durch die Destabilisierung des Euro durch die hohe Verschuldung gegeben.
  • Steuerharmonisierung statt Standortvorteile nutzen: Mit einem EU-Beitritt würde der Druck auf weitere Steuerharmoniserungen innerhalb der Schweiz, aber auch innerhalb der EU beträchtlich zunehmen. Eine Steuerharmonisierung führt auf jeder Ebene zum Schlendrianstaat. Aufgrund des verstärkten Steuerwettbewerb in Folge des globalen Wettbewerbs gilt es für die Staaten ihre fiskalpolitischen Freiräume heute intensiver aus als früher zu nutzen. Für den Werk- und Finanzplatz sind deshalb niedrige Unternehmenssteuern und ein einfach überschaubares Steuersystem von grösster Wichtigkeit. Die Unternehmenssteuerreform II ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, das Ausmass der steuerlichen Entlastungen aufgrund der internationalen Dynamik ist aber bei weitem ungenügend.
  • Verlust Arbeitsflexibilität: Mit einem EU-Beitritt würden die relativ flexiblen Arbeitsregulierungen der Schweiz durch zahlreiche EU-Normen gestutzt, was unweigerlich zu höheren Lohn- und Lohnnebenkosten führen und schlussendlich in einer höheren Arbeitslosigkeit münden würde. Im Durchschnitt liegt die Arbeitslosigkeit in der EU bei rund 10 Prozent.
  • Noch mehr Gesetze: Die Schweiz ist einer enormen Regulationsflut ausgesetzt. Durch einen EU-Beitritt würde diese Tendenz noch weiter steigen. In der EU wird noch stärker jedem Problemchen mit einem Gesetz begegnet. Ebenso würde eine weitere Ebene der Bürokratie logischerweise kaum zu weniger Bürokratie führen. Aber gerade die unbürokratische, effiziente Behandlung und Erledigung von Anfragen etc. wäre für die Wirtschaft enorm wichtig. Da gilt es viel mehr für uns in der Schweiz, die teilweise vorherrschende bürokratische Haltung der Behörden zu lockern.

Auswirkungen auf den Finanzplatz

  • Die Erfolgsfaktoren des Finanzplatzes Schweiz:

– Politische und wirtschaftliche Stabilität
– Stabile Währung
– Offenheit der Märkte
– Regulatorisches und steuerliches Umfeld
– Bankkundengeheimnis
– Infrastruktur
– Know-how

Diese Erfolgsfaktoren gilt es zu stärken. Der Banksektor beschäftigt rund 5.7 Prozent (inklusive Nachfrageeffekte) oder rund 175’000 Beschäftigte. Die Wertschöpfung in Prozent des BIP beträgt 12,9. Ebenso ist der Anteil an vom Finanzsektor generiertem Steueraufkommen bei Bund, Kantonen und Gemeinden rund 11,6 Prozent oder 11.4 Milliarden Franken.

  • Bankkundengeheimnis: Ebenso könnte das für die Kunden wichtige Bankkundengeheimnis durch einen Integrationsschritt in die EU in der heutigen Form nicht gehalten werden. Die schädlichen Folgen für den Finanzplatz einerseits und die restliche Wirtschaft der Schweiz andererseits muss ich hier nicht weiter erläutern.
  • Der Druck auf den Finanzplatz Schweiz ist nicht Ausdruck einer höheren Moral, sondern nichts anderes als knallharter internationaler Konkurrenzkampf, bei dem die wirtschaftlichen Interessen anderer Staaten im Vordergrund stehen. Nur die dümmsten Kälber suchen ihren eigenen Metzger.

  • Schweizer statt EU-Lösung: Bei der Zinsbesteuerung konnte dank der Lösung eines Steuerrückbehaltes zugunsten von EU-Staaten eine konstruktive Lösung gefunden werden. Dies kostet die Schweizer Banken einen dreistelligen Millionenbetrag. Die Schweiz ist das einzige Land, in welchem die Banken Steuern für ein anderes Land einziehen. Damit konnte jedoch der automatische Informationsaustausch mit der EU abgewendet werden. Dank des bilateralen Weges kann sich der Finanzplatz Schweiz optional durch massgeschneiderte Lösungen an europäischen Entwicklungen anschliessen, ohne dabei aber sämtliche Finanzdienstleistungsrichtlinien übernehmen zu müssen.

Auswirkungen auf die Landwirtschaft

Grundsätzlich gilt es an der heutigen Landwirtschaftspolitik festzuhalten. Die Bauern sind eigentliche Gewerbetreibende oder eben KMU. Die Landwirte stehen jedoch seit Jahren vor folgender Problemstellung: Auf der einen Seite bestehen sehr hohe Forderungen des Souveräns bezüglich Umwelt- und Tierschutz. Nebst suboptimalen Randbedingungen (Alpen, Besiedelung etc.) werden durch Regulierungen, die Produktionskosten enorm verteuert. Durch einen Beitritt zur EU müssten noch einmal Anpassungen an andere Bestimmungen vorgenommen werden, was wohl zu weiteren Kostenschüben führen würde. Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, dass sich der Preisdruck auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse durch die neuen EU-Länder noch verstärkt hat. Durch einen EU-Beitritt würde dieser heute schon spürbare Preisdruck schliesslich 1:1 an die Schweizer Landwirte weitergegeben. Deshalb würde ein EU-Beitritt und die damit verbundene Preisgabe einer eigenen Landwirtschaftspolitik wohl der Todesstoss für die Schweizer Landwirtschaft, so wie wir sie bis anhin kannten, bedeuten.

Fazit:

Ein EU-Beitritt hätte für die Schweizer Wirtschaft und damit verbunden für den Wohlstand der Schweiz vor allem Nachteile. Deshalb gilt es, die staatspolitische Souveränität der Schweiz mit einem klaren Nein (heute wie morgen) zu einem Beitritt zur EU zu sichern, indem wir uns mit einem klaren JA für die wirtschaftpolitische Öffnung der Schweiz gegenüber der Welt positionieren.

Peter Spuhler
Peter Spuhler
Nationalrat Bussnang (TG)
 
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