Oberst Peter Forster, Mannenbach-Salenstein (TG)
Wenn wir von der Bedrohung reden, dann ist eines nicht zu übersehen: Am 9. November 1989 ist die Berliner Mauer gefallen und im Jahr 1991 sind die Sowjetunion und der Warschauer-Pakt untergegangen. Anderseits rückt der Terror näher. Die Stichworte
– 11. September 2001 New York und Washington
– 15. November 2003 Istanbul und
– 11. März 2004 Madrid
genügen. Mit anderen Worten: Die Bedrohung hat sich verlagert. Weg von der klassischen militärischen Bedrohung hin zur derzeit wahrscheinlichsten Bedrohung: derjenigen durch den Terror.
Fähigkeit zur Verteidigung erhalten
Das heisst aber nicht, dass wir die klassische Bedrohung ausser Acht lassen dürfen. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt und wir tun gut daran, unsere Fähigkeit zur Verteidigung zu erhalten. Allein schon die Ungewissheit darüber, was in ein paar Jahren sein wird, gebietet es, zur Fähigkeit zur Verteidigung zu stehen – ganz abgesehen davon, dass wir auch politisch darauf angewiesen bleiben, den Verteidigungsauftrag und die Verteidigungsfähigkeit zu bewahren. Sonst werden wir da, wo die Armee noch verankert ist, auf dem Lande z.B., unglaubwürdig.
Meines Erachtens gehören zur Verteidigung aber auch die Armee-Einsätze im Innern. Verteidigung heisst: Erhaltung der Souveränität der Eidgenossenschaft. Dazu zählt jetzt vorrangig der Kampf gegen die aktuelle Bedrohung, welche folgende Charakteristika aufweist:
Sie überschreitet Grenzen. Sie verwischt den Übergang von äusserer zu innerer Sicherheit. Sie ist teilweise asymmetrisch, also unkonventionell, überraschend, unerwartet, gemein, hinterhältig. Und sie vernetzt untrennbar Politik, Gesellschaft, Militär und Wirtschaft. Konkret haben wir es zu tun
– mit Konflikten ausserhalb von Europa (Stichworte Israel / Palästina, Kaukasus usw.)
– mit bewaffneten Konflikten an der Peripherie Europas (Stichwort Balkan)
– mit Naturkatastrophen
– mit technischen Katastrophen
– mit den Auswirkungen der nuklearen Proliferation, d.h. der Verbreitung von Atomwaffen (Stichwort Zerfall der Sowjetunion)
– mit Terror und gewalttätigem Extremismus (Stichwort Al Qaida und islamistischer Fanatismus und Fundamentalismus)
– mit dem Informationskrieg (in technischer und inhaltlich-politischer Hinsicht!)
– mit Störungen der kritischen Infrastruktur (Stichworte Luftverkehr, Stromversorgung usw.) und mit Gewaltanwendung im Luftraum.
Gemeinsam ist den aktuellen Formen der Bedrohung: Sie können jederzeit und überall auftreten. Sie können im Westen jedes Land und jede Institution treffen; wie überhaupt der Terror den Westen als Gesamtheit ins Visier nimmt. Wegen seiner politischen und wirtschaftlichen Vormacht, aber auch wegen unserer Lebensweise, z.B. wegen der Tatsache, dass die Frauen bei uns eine andere Stellung haben als im Islam.
Schutz ist nicht im Alleingang zu bewältigen
Gegenüber diesen Bedrohungen ist das Engagement der Armee notwendig, auch und gerade im subsidiären Einsatz. Dies hat allerdings in geeigneter Form zu erfolgen, mit geeigneten Truppen. Deshalb ist das Wiedererstarken der territorialen Infanterie zu begrüssen. Sie entlastet Formationen, die dafür weniger geeignet sind und andere Aufträge haben. Ein absoluter Schutz ist aber nie möglich, darüber dürfen wir uns keinerlei Illusionen hingeben. Und ebenso müssen wir erkennen, dass Schutz nicht mehr ausschliesslich im Alleingang zu bewerkstelligen ist. Zu glauben, wir könnten der aktuellen Bedrohung ohne ein Mindestmass von Kooperation in der Prävention und Durchsetzung von Frieden begegnen, halte ich für einen Trugschluss.