Die heutige Delegiertenversammlung steht unter dem Titel „Missbräuche bekämpfen, damit dem Mittelstand mehr zum Leben bleibt.“ Die Referenten werden sich dabei in erster Linie darauf konzentrieren, was wir tun müssen, um den Mittelstand, insbesondere den Büetzer und die Gewerbler zu entlasten. Dies nützt aber nur etwas, wenn unsere Bürgerinnen und Bürger weiterhin das letzte Wort haben, was in der Schweiz gilt und was nicht. Die enorme Zusatzbelastung von Familien und KMUs hat insbesondere auch mit der stetig steigenden Regelungsdichte zu tun, die wir heute gar nicht mehr selbst beeinflussen können. Pro Woche werden 140 Seiten an Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Weisungen neu erlassen. Man geht davon aus, dass mehr als die Hälfte davon bereits heute direkt aus europäischem Recht übernommen wird. Vieles davon, insbesondere im technischen Bereich, bei Harmonisierungen oder Konformitätsanerkennungen, mag berechtigt sein. Die Frage ist aber: „Können wir weiterhin selber bestimmen, ob wir etwas wollen oder nicht?
Damit die bewährte Ordnung der direkten Demokratie sichergestellt ist, hat die SVP ihre Selbstbestimmungs-Initiative lanciert. Diese wurde vom Bundesrat und dem Parlament abgelehnt, obwohl die Frage, welches Recht – internationales Recht oder Schweizer Recht – im Konfliktfall vorrangig ist, heute nirgends, auch nicht in der Verfassung, beantwortet wird. Die Abstimmung zur Selbstbestimmungsinitiative wird im November 2018 stattfinden und es wird unsere ganze Kraft in Anspruch nehmen, wenn wir diese Abstimmung gegen die Horrormärchen und Lügen unserer Gegner gewinnen wollen. Entsprechend will ich hier auch zur Hauptsache auf diese Initiative eingehen und Ihnen die nötigen Hintergründe dazu erläutern. Denn Sie sind es, liebe Delegierte, die am Schluss auf der Strasse, am Stammtisch und in den sozialen Medien kämpfen müssen. Ich bin sicher, dass wir die Schweizerinnen und Schweizer überzeugen können, dass die von uns gewählte Verfassung immer über internationalem Recht stehen muss, wie das in allen anderen Ländern auch der Fall ist.
Wir wollen mit der Selbstbestimmungs-Initiative das bis 2012 Unbestrittene in der Verfassung verankern: Wer bestimmt in der Schweiz abschliessend unserer Regeln, Gesetze und Rahmenbedingungen? Ist es unsere eigene Bevölkerung im Rahmen des direktdemokratischen Prozesses, oder ist es internationales Recht, das von einzelnen Richtern in Strassburg oder Brüssel, von der UNO oder OECD teils ad absurdum laufend unkontrolliert weiterentwickelt wird?
Ein Ja zur Selbstbestimmungs-Initiative heisst ein Ja zur direkten Demokratie, ein Ja zur Selbstbestimmung unserer Bevölkerung, ein Ja zur Schweiz, ein Ja zur Souveränität und ein Ja zum erreichten Wohlstand, dank bewährter Selbstbestimmung der Schweiz.
Dabei wollen wir nichts anderes als den Zustand vor Oktober 2012 wiederherstellen. Bis zu diesem Zeitpunkt, als drei von fünf Bundesrichtern in einem skandalösen Urteil beschlossen, dass das internationale Recht der Bundesverfassung vorgehe, galt, dass bei Widerspruch zwischen der Bundesverfassung und internationalem Recht abgewogen und eine verträgliche Lösung gesucht werden konnte. War dies nicht möglich, galt die spätere in Kraft gesetzte Regelung.
Wir wollen hier auch nichts anderes als zum Beispiel das Deutsche Bundesverfassungsgericht für Deutschland festgelegt hat, nämlich dass internationales Recht erst dann gilt, wenn es in nationales Recht – direktdemokratisch – überführt wurde.
Übrigens konnte im Parlament kein einziges Land genannt werden, das internationales Recht generell über nationales Recht stellt.
Noch in den 1980er Jahren verdeutlichten dies die Staatsrechtler Ulrich Häfelin und Walter Haller in ihrem Standardwerk „Bundesstaatsrecht“ in aller Klarheit: „Die Bundesverfassung, einschliesslich die ungeschriebenen Freiheitsrechte, steht in der Normenhierarchie auf einer höheren Stufe als die Staatsverträge. Ihr gebührt der Vorrang gegenüber den Staatsverträgen.“
Und noch 30 Jahre später steht im Bericht des Bundesrats vom 5. März 2010 „Was die Vorrangfrage betrifft, bekennt sich keine der untersuchten Staatrechtsordnungen zu einem gleichsam mechanisch anzuwendenden Primat des Völkerrechts“. Auch der Bundesrat hat also damals festgestellt, dass es in anderen Staaten keinen generellen Vorrang des Völkerrechts gibt. Der durch das Bundesgericht, das Parlament und die Rechtswissenschaft erst in den letzten Jahren eingeführte, allgemeine Vorrang des Völkerrechts gegenüber dem Landesrecht ist darum im internationalen Vergleich absolut einmalig.
Soweit zu den Belegen für die Regelung vor 2012. Wir hatten damals weder einen Unrechtsstaat noch Rechtsunsicherheit.
In der parlamentarischen Debatte wurde aber mit juristischen Exkursen, denen niemand folgen konnte, bewusst Verwirrung gestiftet. Was aber schlimmer ist, es werden bewusst Mythen – um nicht zu sagen Lügen – bewirtschaftet, die so in keiner Weise zutreffen.
Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, dass Menschenrechte und Grundrechte eingeschränkt werden können. Das halten die EMRK und unsere Bundesverfassung gleich. Denn auch im Bereich der Menschen- und der Grundrechte gilt: keine Rechte ohne Pflichten. Das Recht auf Aufenthalt ist verbunden mit der Pflicht, sich an unserer Rechtsordnung zu halten; auch die Religionsfreiheit ist verbunden mit der Pflicht, sich an unsere Rechtsordnung zu halten; das Recht auf finanzielle Unterstützung durch den Staat ist verbunden mit der Pflicht, selber sein Möglichstes zu tun, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können; usw. Zudem stehen jedem Menschen- oder Grundrecht immer auch legitime Interessen anderer Personen oder der Gesellschaft gegenüber. So haben auch Opfer von Gewalttaten Grundrechte und nicht nur Täter.
Mythos 1: Die Selbstbestimmungs-Initiative gefährdet die Menschenrechte. Falsch:
Die Initiative schliesst bewusst das zwingende Völkerrecht aus. Dabei handelt es sich u.a. um das Verbot der Folter, das Verbot des Völkermordes, das Verbot des Angriffskrieges, das Verbot der Sklaverei und das Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in welchem Tod oder Folter drohen.
Alle anderen Menschenrechte, z.B. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit waren lange vor Existenz der europäischen Menschenrechtskonvention Gegenstand unserer Verfassung und gerade Vorbild für die europäische Menschenrechtskonvention. Dass die Selbstbestimmungsinitiative zur Kündigung der EMRK führt, ist deshalb völlig falsch. So sagt die Richterin des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, Helene Keller, dass „Unseres Erachtens das europäische Konventionssystem zum Schutz der Menschenrechte im Ergebnis als Staatsvertrag zu qualifizieren ist, der im Sinne von Art. 190 SBI dem Referendum unterstand“. Das heisst, dass die EMRK von der Selbstbestimmungsinitiative nicht betroffen ist.
Mythos 2: Die Selbstbestimmungs-Initiative gefährdet über 600 internationale Verträge. Falsch:
Der Bundesrat ist immer verpflichtet, beim Abschluss eines Vertrags die Verfassungsmässigkeit zu prüfen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass all diese Verträge verfassungskonform sind.
Die Selbstbestimmungsinitiative will einzig, dass, wenn an der Urne die Verfassung in Kenntnis aller Auswirkungen angepasst wird, der Wille der Bevölkerung auch umgesetzt werden kann.
Wir wollen kriminelle Ausländer ausschaffen, z.B. den Deutschen Schläger von Zürich. Ich fragte unsere Gegner, die mit Menschrechten argumentieren: „Wollen Sie solche Gefährder im Land lassen?“
Wir wollen die Zuwanderung steuern, damit auch in Zukunft, wenn jemand mit jungen 50 Jahren arbeitslos wird, auch wieder eine Stelle findet und nicht durch eine junge günstige ausländische Arbeitskraft ersetzt wird. Ich fragte unsere Gegner, die mit Menschenrechten argumentieren: „Wollen Sie, dass unsere ansässige Bevölkerung im fortgesetzten Berufsleben ihre Stelle verliert?“
Wir wollen die lebenslängliche Verwahrung gefährlicher Straftäter. Ich fragte unsere Gegner, die mit Menschenrechten argumentieren: „Wollen Sie, dass ein Vierfachmörder wie jener von Rupperswil nicht lebenslänglich verwahrt wird?“
Mit der Selbstbestimmungs-Initiative wollen wir, dass diese vom Volk angenommenen Initiativen umgesetzt werden, nicht mehr und nicht weniger.
Das geht unter Einhaltung der EMRK und der vielen Hundert Wirtschaftsverträge, die überhaupt nicht tangiert sind.
Die SVP wird sich mit allen Mitteln für den Erhalt der Selbstbestimmung der Schweiz einsetzen, denn die Freiheit ist ein hohes Gut.