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Das Volk wird an der Nase herumgeführt

Die Kohäsionsmilliarde ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie die Dinge in Bern zurechtgebogen werden und wie das Volk von Bundesrat und der Parlamentsmehrheit an der Nase herumgeführt wird. Diese

Adrian Amstutz
Adrian Amstutz
Nationalrat Sigriswil (BE)

Die Kohäsionsmilliarde ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie die Dinge in Bern zurechtgebogen werden und wie das Volk von Bundesrat und der Parlamentsmehrheit an der Nase herumgeführt wird. Diesem Treiben muss der Riegel geschoben werden.

Aufgrund des wirtschaftlich und sozial tieferen Niveaus der neuen EU-Staaten wird an diese sehr viel Strukturhilfe fliessen. Dazu braucht die EU natürlich Geld, das sie, bzw. die bisherigen Mitgliedstaaten, nicht haben. Deshalb wäre ja die Schweiz als Nettozahlerin auch ein willkommenes EU-Mitglied. Die EU ist aber in der Geldbeschaffung erfinderisch und hat gegenüber der Schweiz schon früh eine Forderung zu Kohäsionszahlungen angemeldet; schliesslich – so die Begründung – profitiere die Schweiz ja von der Osterweiterung.

Als die aussenpolitischen Kommissionen im Frühjahr 2002 zum Verhandlungsmandat des Bundesrates zu den Bilateralen Verträgen II und zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit aus den Bilateralen I konsultiert wurden, waren irgendwelche Zahlungen der Schweiz in den Kohäsionsfonds überhaupt kein Thema. Zwei Jahre später jedoch hat der Bundesrat gleichzeitig mit dem Verhandlungsergebnis der Bilateralen Verträge II die Verpflichtung von einer Milliarde Franken an die EU präsentiert.

Die der EU zugesicherte Milliarde war nie Teil der Verhandlungen um die Bilateralen Abkommen. Denn mit der Schaffung einer klaren Rechtsgrundlage für diese Milliarden-Zahlung wollte man die Abstimmungen über Schengen/Dublin und über die Personenfreizügigkeit wohlweislich nicht belasten. Im Gegenteil: Wer im Abstimmungskampf um Schengen/Dublin die Milliardenzahlung in Zusammenhang mit den Bilateralen II brachte, wurde von Bundesrat und Befürworterseite als Demagoge verunglimpft. Bilaterale Verträge und Milliardenzahlung hätten nichts miteinander zu tun und die „freiwillige“ Zahlung werde in den Budgets des EDA und des EVD/Seco kompensiert, hiess es. Doch jetzt, nachdem Schengen/Dublin und die erweiterte Personenfreizügigkeit vom Volk gutgeheissen worden sind, will man nichts mehr davon wissen.

Und die Schlaumeiereien gehen weiter. So musste die Bevölkerung am vergangenen 27. Februar, also noch vor Abschluss der parlamentarischen Beratungen, zur Kenntnis nehmen, dass Bundesrätin Calmy-Rey in Wien ein „Memorandum of Understanding“ (Vereinbarung) unterzeichnete, welches die allgemeinen Bedingungen des Schweizer Milliardengeschenks an die EU festlegt. Es ist schon befremdend, wenn sich der Bundesrat gegenüber der Schweizer Bevölkerung nicht auf eine budgetneutrale Finanzierung behaften lässt, gegenüber der EU jedoch bereits die Rahmenbedingungen der aus Steuergeldern finanzierten Milliardenzahlung absteckt. Die demokratische Regel, wonach der Bundesrat unterzeichnet, was das Parlament beschliesst, gilt offensichtlich nicht mehr. Es scheint überhaupt einiges nicht mehr zu gelten in Bundesbern.

Der Bundesrat war nicht bereit, während den parlamentarischen Debatten zu den neuesten Geldforderungen der EU Stellung zu nehmen. Man betont jetzt, bei der versprochenen Milliarde handle es sich um eine eigenständige Lösung, die nicht als Beitrag an den Kohäsionsfonds zu verstehen sei. Deshalb wurde der „Beitrag der Schweiz zur wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion der EU“ oder eben „Kohäsionsbeitrag“ offiziell in „Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in der erweiterten EU“ oder einfach in „Solidaritätsbeitrag“ umgetauft. Fest steht, dass es sich für die EU nach wie vor um einen Kohäsionsbeitrag handelt. Deshalb wird uns der Bundesrat wohl, wenn die Milliarden-Vorlage unter Dach ist, eröffnen, die Schweiz habe bei künftigen EU-Erweiterungen noch weitere Millionen wenn nicht Milliarden von Franken zu bezahlen. Der Bundesrat schafft immer schneller immer neue Sachzwänge, die von der EU-unterwürfigen Parlamentsmehrheit abgesegnet werden und das Volk Milliarden kosten.

Aus dem früheren „Stachelschwein“ Schweiz ist eine „Milchkuh“ Schweiz geworden. Wenn Aussenministerin Calmy-Rey in Sachen Europa unterwegs ist, sitzt das Checkbuch locker. Ein paar noble Anlässe, ein medienwirksamer Auftritt, verbunden mit etwas Druck und die Milch fliesst. Das lassen wir nicht mehr zu.

 

Adrian Amstutz
Adrian Amstutz
Nationalrat Sigriswil (BE)
 
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