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Energie

Der Atomausstieg bringt Versorgungssicherheit und ist wirtschaftlich sinnvoll

Nationalrätin Franziska Teuscher, Grüne Partei, Bern

Was wollen die Initiativen?

• Die Initiative „Strom ohne Atom“ will die Schweizer AKW schrittweise stilllegen.
• Die Initiative „MoratoriumPlus“ will den Bewilligungsstopp für neue AKW um 10 Jahre verlängern.

Warum stimme ich ja zu den zwei Initiativen?

Mein Grossvater besass einen VW-Käfer. Wir Enkelkinder liebten es, mit den Grosseltern Ausflüge im Auto zu machen. Mein Grossvater arbeitete vor seiner Pensionierung bei den Bernischen Kraftwerken, der BKW. Und so fuhren wir dann einmal alle zusammen nach Mühleberg, um das AKW zu besichtigen, das in Bau war. Mein Grossvater war stolz, uns dieses neuartige Werk zu zeigen, das sauberen Strom produzieren werde, wie er sich ausdrückte. Und wir Enkelkinder waren alle ganz stolz auf unseren Grossvater, der so viel wusste und wir waren stolz darauf, dass wir so etwas ganz Neues zu sehen bekamen. Mein Grossvater starb vor 27 Jahren. Der VW-Käfer musste einige Jahre später verschrottet werden, weil er nicht mehr fahrtüchtig war und ein Sicherheitsrisiko im Strassenverkehr darstellte. Warum erzähle ich Ihnen dies alles? Das AKW Mühleberg wurde 1972 in Betrieb gesetzt. Gemäss den Beteuerungen und Beschwichtigungen des Bundesrates gilt es als sicher und soll 60 Jahre betrieben werden. Die Technologie des AKW Mühlebergs stammt wie diejenige des VW-Käfers meines Grossvaters aus den 60iger Jahren. Auch wenn man dem VW einen neuen Motor eingebaut hätte, auch wenn er mit Sicherheitsgurten und Airbags ausgestattet worden wäre, die Karosserie, die Sitze, das Getriebe und die Achsenaufhängung hätten immer noch den Sicherheitsvorstellungen der 60iger-Jahre entsprochen. Bei allen Nachrüstungen bleibt ein VW-Käfer eben immer ein VW-Käfer und gehört zur Generation meines Grossvaters. So müsste es eigentlich auch mit dem AKW Mühleberg zu Ende sein. Selbst in Frankreich laufen keine Atomkraftwerke mehr, die so alt sind wie unsere Oldtimer Mühleberg und Beznau. Ich stimme Ja zu den zwei Initiativen, weil ich Angst davor habe, dass meine Heimat radioaktiv verstrahlt wird. Ich bin überzeugt, mein Grossvater würde heute dasselbe tun. Denn er liebte die Schweiz und war stolz ein echter Berner zu sein. Und zu seinem Kanton Bern trug mein Grossvater immer Sorge. Übrigens: mein Grossvater war auch stolzes Mitglied der BGB, der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei.

Warum können Sie als Vertreterin / Vertreter der SVP ja sagen zu den Initiativen?

Das Gewerbe – von der Bau- bis zur Holzwirtschaft – profitiert, wenn wir auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien setzen

Zu den Gewinnerbranchen gehört das Baugewerbe: Das zeigt eine Studie der ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) . Allein die energetische Sanierung von Altliegenschaften mit einer Investitionssumme von 3,5 Mia. Fr. liesse die inländische Wertschöpfung um 52,4 Mia. Fr. ansteigen. Im Baugewerbe könnte so für rund 50’000 Menschen Arbeit geschaffen werden Gleichzeitig würden Energieverbrauch und CO2-Ausstoss um bis zur Hälfte gesenkt. Den Steuerämtern von Bund, Kantonen und Gemeinden würden rund 530 Mio. Fr. mehr Steuern zufliessen, die Sozialwerke könnten mit zusätzlichen Beiträgen von etwa 870 Mio. Fr. rechnen.

Zu den Gewinnerbranchen gehört auch die Holzwirtschaft: Bei verstärkter Nutzung von Energieholz können in strukturschwachen Regionen des Jura, des Mittellandes, der Voralpen, Alpen und Alpensüdseite knapp 2000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Gleichzeitig reduziert sich der Verbrauch von Erdöl um 200’000 t und der CO2-Ausstoss um 650’000 t pro Jahr. Nachdem am 26. Dezember 1999 der Jahrhundertsturm „Lothar“ über die Schweiz fegte und in unseren Wäldern rund 12 Mio. Kubikmeter Holz fällte, fragte sich SVP-Nationalrat Hermann Weyeneth: „Braucht es wirklich alle 10 Jahre einen grossen Sturm, um uns den Wald als Energieträger in Erinnerung zu rufen?“ Er gab seiner Hoffnung Ausdruck „dass wir diese verkehrte Welt endlich entwirren und die einheimischen Energieträger besser nutzen.“ Was der Sturm Lothar allein im Kanton Bern an Bäumen umlegte, entspricht im Energiegehalt dem Vierfachen der jährlichen Produktion des Atomkraftwerkes Mühleberg. Wenn wir Holz als Energieträger verstärkt nutzen, können wir getrost aus der Atomkraft aussteigen, denn Holzenergie ist im Übermass vorhanden. Und wem das zu gewagt erscheint, der kann zumindest mit einem Ja zur Initiative „MoratoriumPlus“ bewirken, dass die Holzenergienutzung in der Schweiz mehr Gewicht in der Energiediskussion bekommt.

Bei KMU werden neue Arbeitsplätze geschaffen, wenn wir auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien setzen

Warum wohl hat der Luzerner Gewerbeverband mit grossem Mehr die Ja-Parole zur Initiative „MoratoriumPlus“ beschlossen? Der Grund ist einfach: Der Aufbruch in die Zukunft mit erneuerbaren Energien schafft Arbeitsplätze. Wenn wir die erneuerbaren Energien gezielt fördern, entstehen Tausende von zusätzlichen Arbeitsplätzen. Bereits heute sind in der Schweiz gut 7000 Menschen in der Solarbranche tätig. Der Wirtschaftszweig wird in schnellem Tempo wachsen, in der Industrie, in kleinen und mittleren Unternehmen sowie im Gewerbe. Das hilft Elektrikern, Spenglern, Dachdeckern, Glasern, Schreinern, Metallbauern zu mehr Umsatz und mehr Einkommen. Und das ist der Grund für den Luzerner Gewerbeverband ja zu „MoratoriumPlus“ zu sagen.

Wer in der Stromversorgung unabhängig sein will, setzt auf einheimische Energien

Mit der Atomenergie sind wir extrem vom Ausland abhängig: Die Atomkraftwerke selber stammen aus den USA. Das Uran für die Atomkraftwerke kommt aus Namibia, Australien, Kanada oder den USA. Das AKW Gösgen setzt sogar Brennstäbe aus Russland ein. Die Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen erfolgt in La Hague/F und Sellafield/GB. Vom Ausland wirklich unabhängig machen uns nur die einheimischen erneuerbaren Energien. Hier haben wir mit unserem grossen Wissen und Können wirklich echte „Schweizer Qualität“ zu bieten! Sei das bei der Nutzung von Sonnen- und Holzenergie, sei dies bei Wasser- und Windkraft oder Biomasse.

Der AKW Strom ist nicht so sauber wie er gerne wäre

Die Atomkraftvertreter preisen den Atomstrom an als CO2-neutral und somit klimaverträglich. Sie verschweigen aber, dass beim Kraftwerkbau, beim Uranabbau und der Aufbereitung zu Brennelementen, bei den Transporten und bei der Atommülllagerung überall CO2 freigesetzt wird. Es ist illusorisch das CO2-Problem mit Atomstrom lösen zu wollen. Die CO2-Zunahme ist ein globales Phänomen. Atomstrom liefert heute weltweit nur 2% aller Nutzenergie. Um die fossilen CO2-Emissionen mit Atomkraft um 10% zu senken, wie das Kyoto-Protokoll dies verlangt, müsste man auf der Welt 2000 neue AKWs bauen. Trotz Ausstieg aus der Atomenergie kann der CO2-Ausstoss bis 2030 um 46% reduziert werden. Das zeigt eine Studie des Bundesamtes für Energie.

Wenn wir das CO2-Problem lösen wollen, müssen wir in erster Linie haushälterischer mit der Energie umgehen. Die Schweiz schwimmt förmlich im Strom. Im Sommer decken wir unseren Strombedarf problemlos mit einheimischer Wasserkraft. Wie die Energiestatistik zeigt, müssen wir auch im Winter einen Teil der Produktion zu Dumpingpreisen ins Ausland verkaufen. Wir können alle unsere AKWs abstellen und müssen trotzdem nicht frieren. Wir müssen den Strom viel effizienter nutzen. Weit mehr als die Hälfte der in der Schweiz verbrauchten Energie verpufft sinnlos ungenutzt als Wärme, sei es wegen schlecht isolierter Häuser, wegen des schlechten Wirkungsgrades von Motoren oder von herkömmlichen Glühlampen. Allein mit konsequentem Ersatz von gewöhnlichen Glühbirnen durch Stromsparbirnen lässt sich das AKW Mühleberg einsparen.

AKWs sind ein Sicherheitsrisiko, das unser Land bedroht

Eine Atomkatastrophe können wir nie absolut ausschliessen. Ein Reaktorunfall würde unser Land ruinieren sowohl von Natur- und Umweltseite wie auch vom Finanziellen her. Das Bundesamt für Zivilschutz (BfZ) hat diese Dimensionen bereits 1995 genauer beziffert: Das BfZ rechnet bei einem Kernschmelzunfall in einem Schweizer AKW mit Schadenskosten von 4’200-4’300 Mia. Fr. Können Sie sich diese Summe vorstellen? Dabei schlagen „geschädigte Lebensgrundlagen“ auf einer Fläche von 20’000 km2 (die Hälfte der Schweiz!) mit 4’000 Mia. Fr. zu Buche, „Sachschäden“ mit 100 Mia. Fr. und „physisch Geschädigte“ (sprich: Tote und radioaktiv verseuchte Menschen) mit 100-200 Mia. Fr. 1 Million Menschen müssten evakuiert werden. Wohin? – vielleicht ins Alpenreduit?

Ein solches Grossrisiko können wir uns nicht leisten. Ich möchte mit meinen Kindern hier leben und nicht heimatlos werden. Und als Biologin setze ich alles daran, unsere Natur und Umwelt langfristig zu erhalten. Sie können das auch Ehrfurcht vor der Schöpfung nennen. Weshalb sonst haben der Schweizerische Katholische Frauenbund und Justizia et Pax, das beratende Gremium der Schweizerischen Bischofskonferenz, die Parole 2xJa zu den Atominitiativen beschlossen?

Warum der Verzicht auf Atomkraft so leicht fällt

Die Atomenergie brauchen wir in Zukunft für unsere Energieversorgung nicht mehr. Die Alternativen liegen auf dem Tisch:
• Soviel Energieeffizienz wie möglich: Minergie für die ganze Wirtschaft; Wärme-kraftkopplung und Wärmepumpen, wo sinnvoll.
• Soviel einheimische erneuerbare Energien wie möglich. Die erneuerbaren Energien können den Schweizer Energieverbrauch mehrfach decken: Biogas, Holz, Geothermie, Solarwärme, Solarstrom.
• Windenergie als saubere „Backup-Strategie“ für den Restbedarf. Windkraft mit Winterspitze der Produktion liefert die ideale Ergänzung zur Wasserkraft mit Sommerspitze.

Kein Sonderfall Schweiz

Setzt die Schweiz nicht mehr auf Atomenergie, ist sie kein Sonderfall. Denn die Mehrheit der westeuropäischen Länder ist aus der Atomenergie ausgestiegen:
• Ohne Atomkraft: Dänemark, Irland, Griechenland, Portugal.
• Ausstieg per Gesetz: Österreich 1978, Schweden 1980, Italien, Holland 1987, Deutschland, Belgien 2002.
• Moratorien: Schweiz 1990-2000, Spanien seit 1994.
• Ausstieg in Sicht: Grossbritannien.
• Noch kein Ausstieg: Frankreich, Finnland, Schweiz.

Zu guter Letzt

Der ökologische Umbau in der Energieproduktion und -versorgung bringt neue Investitionen, schafft Wohlstand, Arbeitsplätze und Sicherheit für alle!

Deshalb meine Empfehlung für den 18. Mai:
• Um unsere Energiepolitik auf Nachhaltigkeit und Auslandunabhängigkeit umzupolen: Ja zu „ Strom ohne Atom“
• Und wem der Mut fehlt für diesen grundlegenden Umbau, setzt auf „MoratoriumPlus“. Mit dem Moratorium haben wir in der Schweiz zwischen 1990 und 2000 gute Erfahrungen gemacht. Damit leiten wir einen sanften Umbau in der Energiepolitik ein.

 
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