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Asylpolitik

Die Geduld der Bevölkerung ist bald am Ende!

Das Asylwesen in den Kantonen steht nicht weit weg von der Implosion!

Pierre-Alain Schnegg
Pierre-Alain Schnegg
Regierungsrat Champoz (BE)

Wenn der Bund nicht rasch brauchbare Antworten auf unsere Fragen liefern kann, dann ist die Geduld vieler Partner – und vor allem die Geduld von grossen Teilen der Bevölkerung – am Ende. Dann befürchte ich, dass es zu Abnahme von Toleranz und sogar zu offener Fremdenfeindlichkeit kommt und dass der Zusammenhalt im Land gefährdet ist.

Es gibt 6 Schlüsselfragen:

  1. Wie will der Bund die Aufnahmekriterien revidieren, damit klarer als heute zwischen Schutzsuchenden, wirklichen Asylbewerbenden und Migranten ohne Aussicht auf einen Bleibestatus unterschieden werden kann?

    Die Art und Weise, wie wir Asylpolitik betreiben, kann so nicht mehr fortgesetzt werden. Wir senden falsche Signale aus und sind daher als Land zu attraktiv.

  1. Wie will der Bund die Rückführung von Personen ohne Bleiberecht verbessern?

    Die humanitäre Tradition der Schweiz steht nicht zur Diskussion. Wer um sein Leben fürchten muss, wird in der Schweiz eine Aufnahme finden. Auch der Familiennachzug soll möglich sein (aber nur für minderjähre Kinder und Ehepartner. Und nur bei finanzieller Selbständigkeit). Eingedämmt werden muss aber der Zustrom von Personen, die keine Chance haben, hier bleiben zu dürfen. Sie belasten das System oftmals über viele Jahre. Auch die Rekurs-Möglichkeiten müssen    verwesentlicht und beschleunigt werden. Es muss verhindert werden, dass faktisch ein „Status quo“ geschaffen wird, wenn ein Verfahren über vier oder fünf Jahre hingezogen wird. Und der „Buhmann“ ist dann die Politik, resp. der Kanton,    wenn die Person die Schweiz dann doch verlassen muss.

  1. Wie können wir die Integration von Personen mit einem B- oder F-Ausweis umsetzen? Personen mit einem Ausweis N oder sogar ganz ohne Ausweis überlasten das Unsere Integrationsanstrengungen verpuffen sehr oft und der Mitteleinsatz ist zu breit. Es braucht schnellere Entscheide, damit klar ist, wer bleiben darf und wer nicht.

  2. Wie können wir die Unterkunftssituation lösen und wie sollen die Kantone dauerhaften Wohnraum schaffen?

Die Kantone sind am Anschlag. Wir sind gezwungen, Kollektivunterkünfte zu eröffnen an Orten, die eigentlich dafür nicht geeignet sind. Wir machen es trotzdem, denn wir haben keine andere Wahl. Einige Kantone haben bereits zum Notrecht gegriffen. Für Personen, die länger bleiben, braucht es Wohnungen, wenn die Menschen einen gewissen Integrationsgrad erreicht haben. Aber der Wohnungsmarkt ist ausgetrocknet.

  1. Wie stark kann man unser Gesundheitswesen, das Schulwesen, das Sozialwesen und das Gemeinwesen belasten?

Wir haben bereits heute nicht genügend Ärztinnen und Ärzte, nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer, aber immer mehr fremdsprachige Kinder. Und wir wissen, dass nur die wenigsten Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen ohne Sozialhilfe auskommen; auch wenn sie schon sehr viele Jahre in der Schweiz sind. (Dass sich viele Abgewiesene auch mit der Nothilfe arrangieren, ist ebenfalls bekannt.) Der Bedarf an Infrastruktur wird ebenfalls zu einer grossen Belastung: Ich denke hier zum Beispiel an den Mehrbedarf an Energie, an den zusätzlichen Bedarf an Schulgebäuden und an die Transportlogistik.

  1. Wie und wohin muss sich der Schutzstatus S entwickeln?

Es besteht die Gefahr, dass wir ein ungerechtes Asylwesen kreieren, wenn der Schutzstatus S nicht mehr gilt. Wir brauchen jetzt die Grundlagen, damit wir wissen,      wie es weitergeht. Den Krieg und die Folgen des Krieges werden wir noch lange    spüren. Und nicht alle Menschen werden zurückgehen.                                          

    Wie lange wird die Bevölkerung diese Belastungen noch akzeptieren?

    Die einheimische Bevölkerung braucht klare Zeichen, dass der Bund die Situation im Griff hat. Ich sehe sonst den Zusammenhalt in unserem Land gefährdet. Der Bund kann SEINE Aufgaben nicht an die Kantone wegdelegieren. So funktioniert unser Staat nicht! Die Rollen sind klar verteilt.

Meine Damen und Herren, ich weiss, dass sich alle Kantone diese 6 Fragen stellen. Diese Fragen müssen vom Bund beantwortet werden!

Meine Ausführungen und Überlegungen habe ich bei jeder Frage gleich mitgegeben, damit es klar ist, dass ich nicht «Panik» mache, sondern dass ich mich an den Realitäten orientiere. Und diese Realitäten erlebe ich als sehr grosse Herausforderung.

Die Asyl-Situation im Kanton Bern
Im Kanton Bern haben wir bis vor zwei Jahren noch 10 Kollektivunterkünfte für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene und 5 Unterkünfte für Unbegleitete Minderjährige betrieben. Heute sind es 30 Kollektivunterkünfte und 14 für Unbegleitete Minderjährige. Also eine Verdreifachung – und das innert nur zwei Jahren.

Im Kanton Bern leben Mitte Juni 7‘730 Personen mit Schutzstatus S und zusätzlich 6‘400 aus dem regulären Asylwesen in der Verantwortung des Kantons. 85 Prozent erhalten Asylsozialhilfe. Von den Personen aus der Ukraine sind 1‘250 erwerbstätig, von den Personen aus den anderen Ländern sind es 1‘280.

Wir bereiten uns auf die Unterbringung von weiteren rund 1‘200 – 1‘500 Personen vor. Laut den Prognosen des SEM wird es in den warmen Monaten im Sommer und Herbst zu einer ständig ansteigenden Migrationswelle kommen.

Wenn wir keine oberirdischen Kollektivunterkünfte mehr finden, werden wir die Zivilschutzanlagen öffnen müssen.

Und ich habe es jetzt mehrmals erlebt: Die Grundstimmung in der Bevölkerung ist sehr labil, wenn es darum geht, Asylanten in nächster Nachbarschaft zu haben.

Die Bevölkerung hat Angst und viele fühlen sich schlechter behandelt als die Migranten.

Die Stimmung kann sehr schnell umschlagen.

Ich habe es bereits am Anfang deutlich gesagt: wir stehen nicht weit weg von einer Implosion des Schweizer Asylwesens.

Das ist nicht schwer zu verstehen.

Betrachten wir den Wohnungsmarkt: Im Kanton Bern haben wir eine Leerwohnungsziffer von rund 1,5 Prozent. Wohnraum ist bereits sehr knapp, das Bauvolumen ist beschränkt und die Preise steigen. Wir erleben im Kanton gerade ein Eins-zu-eins-Beispiel, wie es werden wird, wenn wir den Zustrom nicht eindämmen.

Von den 7‘700 Personen mit Schutzstatus S leben fast drei Viertel bereits in eigenen Wohnungen. Rund 1‘500 Wohnungen wurden gefunden. Das Angebot an freien Wohnungen wird also immer stärker ausgedünnt.

Und noch etwas: Wir stellen nun schon seit Monaten fest, dass die Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden stark zugenommen hat. (Es ist praktisch ein neues Phänomen.) Ich weiss, welchen Problemen und Schwierigkeiten die Menschen in den Herkunftsländern gegenüber stehen. Ich höre jedoch immer wieder, dass Minderjährige von ihren Familien zu uns geschickt werden, um so rasch als möglich Geld nach Hause zu schicken. Die jungen Menschen sind einer grossen Belastung ausgesetzt und es bringt sie in schwierige Situationen, wenn sie nach ihrer Ankunft feststellen, dass man in der Schweiz nicht sofort Geld verdienen kann. Diese unbegleiteten Minderjährigen haben eine lange, nicht freiwillige, schwierige Reise auf sich genommen und sehen, dass die Vorstellungen und Wünsche nicht der Realität entsprechen. Was passiert mit diesen jungen Menschen? Diese Jugendlichen werden doch ausgenützt! Auf Schweizer Boden! Das beschäftigt mich sehr.

Ich wiederhole zum Schluss noch einmal die Hauptanliegen aus Sicht des Kantons Bern:

  • Die Willkommenskultur, die Attraktivität unseres Landes, wirkt zu fest wie ein Magnet. Das wollen wir nicht.
  • Die Möglichkeiten der Familienzusammenführung müssen überarbeitet werden.
  • Der VA-Status (vorläufige Aufnahme) darf nicht zu einem dauernden Bleiberecht umfunktioniert werden.
  • Es braucht eine Zuwanderungsbeschränkung.
  • Wir müssen rasch wissen, wie es mit dem Status S weitergehen soll.
  • Jede Staatsebene hat ihre Aufgaben. Der Bund kann seine Aufgaben nicht

Wir nehmen unsere Aufgaben im Kanton Bern sehr ernst. Wir investieren viel in Integration, Spracherwerb und Einstieg in den Arbeitsmarkt. Wir stellen unser Gesundheitssystem und unsere Schulen zur Verfügung. Das ist richtig. Wenn wir jedoch auch künftig für die berechtigten Menschen einerseits „Food and Shelter“ bieten wollen und, andererseits, eine sichere Insel für an „Leib und Leben bedrohte Menschen“ sein wollen, dann braucht es ein sofortiges Handeln in den vor mir skizzierten Bereichen!

Merci beaucoup !

Pierre-Alain Schnegg
Pierre-Alain Schnegg
Regierungsrat Champoz (BE)
 
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