Nichts könnte den Tatbestand deutlicher hervorheben als die wiederholten Interventionsversuche von EU-Kommissionspräsident Barroso bezüglich der so genannten Kohäsionsmilliarde: Irgend so etwas wie ei
Nichts könnte den Tatbestand deutlicher hervorheben als die wiederholten Interventionsversuche von EU-Kommissionspräsident Barroso bezüglich der so genannten Kohäsionsmilliarde: Irgend so etwas wie eine Rechtsgrundlage für Milliardenzahlungen der Schweiz an die Europäische Union existiert nicht im Entferntesten.
Einmal droht Barroso, dann lockt Barroso. Damit muss er darüber hinwegtäuschen, dass eine vertragliche Abmachung für Kohäsions-Zahlungen der Schweiz völlig fehlt. Die EU-Forderung ist nichts anderes als ein politischer Druckversuch, allenfalls gar eine Erpressung. Bei aller Anerkennung der Resultate der Bilateralen Verträge: Einschüchterungsversuche, politische Druckversuche seitens der EU-Kommission sind zurückzuweisen.
1350 Millionen gefordert
Trotzdem versucht die EU, zwei Forderungen durchzusetzen: Eine Milliarde für die heutigen EU-Ost-Mitglieder und weitere 350 Millionen für den für 2007 vereinbarten EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Beiden Forderungen will der Bundesrat entsprechen. Die Referendumsmöglichkeit besteht nur einmal: Jetzt, zum Osthilfe-Gesetz.
Die SVP hat zu solchen Zahlungen nicht einfach kategorisch Nein gesagt. Hätte der Bundesrat sein ursprüngliches Versprechen eingehalten, die Kohäsions-Zahlungen budgetneutral abzuwickeln, also durch vollumfängliche Kompensation im Aussendepartement und im Volkswirtschaftsdepartement, dann hätte die SVP – wie sie bei der parlamentarischen Beratung des Osthilfegesetzes mehrfach beteuert hat – das Referendum nicht ergriffen.
Auf der Grundlage der Motion Leuthard wurde der Kompensationsbeschluss aber über den Haufen geworfen. Neu verspricht der Bundesrat nur noch, wenigstens 600 Millionen Franken zu kompensieren. Weitere 400 Millionen will er den allgemeinen Bundesmitteln belasten. Und zur 350-Millionen-Nachzahlung, für welche Bundesrätin Calmy-Rey bereits Zahlungsbereitschaft erklärt hat, ist von Kompensation schon gar nicht mehr die Rede. Die allgemeinen Bundesmittel werden tatsächlich um nicht weniger als 750 Millionen Franken erleichtert – spätere Forderungen noch nicht berücksichtigt. Von Budget-Neutralität keine Spur! Der Kohäsions-Zahlung liegt ein finanzpolitischer Wortbruch nunmehr auch des Bundesrates zugrunde.
Leistung und Gegenleistung
Die SVP hat im Rahmen der Parlamentsberatung einen weiteren Vorschlag vorgelegt: Die Zahlung ohne Rechtsgrundlage könne – falls budgetneutral abgewickelt – dann akzeptiert werden, wenn der Bundesrat für die finanzielle Sonderleistung der Schweiz adäquate Gegenleistungen von Seiten der Europäischen Union einhandeln würde. Wir haben dazu drei konkrete Forderungen aufgestellt.
Erstens sollte die EU der Schweiz endlich zugestehen, dass für den Flughafen Zürich-Kloten kein anderes Regime gelten kann als für jeden anderen Interkontinentalflughafen in Europa. Zweitens sollte von der EU die verbindliche Zusage beigebracht werden, dass das Bankkundengeheimnis von Seiten der EU auf Dauer so anerkannt werde, wie es im Abkommen über die Zinsbesteuerung vertraglich vereinbart worden ist. Und drittens habe die EU die kantonale Steuerhoheit, welche in der Schweiz verfassungsmässig abgestützt und damit demokratisch legitimiert ist, formell anzuerkennen. Alle diese Forderungen stehen auf Vereinbarungen, zu denen auch die EU Hand geboten hat. Sie beinhalten nichts grundsätzlich Neues.
Interessen der Schweiz gegen die Interessen Brüssels
Aufschlussreich: Auch EU-Kommissionspräsident Barroso bringt, allerdings in eher erpresserischer Absicht, mit Blick auf die Kohäsions-Milliarde neuerdings die kantonale Steuerhoheit wieder ins Spiel. Während der Bundesrat gegenüber der SVP, als diese ihre drei Forderungen im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz vorbrachte, Ungehaltenheit zeigte, demonstrieren zumindest Bundesrätin Calmy-Rey und Bundesrat Deiss Zerknirschung gegenüber der EU, weil die SVP vom selbstverständlichen demokratischen Recht des Referendums gegen die Kohäsions-Milliarde Gebrauch macht.
Einmal mehr setzt die Landesregierung mit solch duckmäuserisch-unterwürfiger Haltung gegenüber Brüssel elementare Interessen der Schweiz aufs Spiel. Das SVP-Referendum wird damit auch zu einem Testfall. Die SVP zwingt den Bundesrat mit dem Referendum, seine Europa-Tauglichkeit unter Beweis zu stellen. Ist er fähig, unberechtigte, durch keine Rechtsgrundlage legitimierte finanzielle Ansprüche Brüssels zurückzuweisen und damit den Interessen der Schweiz den Vorrang zu geben? Oder lässt er Zahlungen seitens der Schweiz ohne Rechtsgrundlage zu, so als wäre die Schweiz Brüssel gegenüber tributpflichtig?
Man darf gespannt sein, wie der Bundesrat diese Probe bestehen wird.