Die jüngsten Angriffe der EU und einzelner ihrer Mitgliedländer auf die Souveränität der Schweiz sind keine überraschende einmalige Entgleisung der Brüsseler Diplomatie. Vielmehr sind sie die…
Die jüngsten Angriffe der EU und einzelner ihrer Mitgliedländer auf die Souveränität der Schweiz sind keine überraschende einmalige Entgleisung der Brüsseler Diplomatie. Vielmehr sind sie die Fortsetzung einer Reihe von früheren Angriffen und die logische Folge der Schweizer Aussenpolitik der letzten Jahre. In einem grösseren Zusammenhang gesehen, stellt man eine Eskalation fest, die ebenso sehr auf die mutlose Haltung der offiziellen Schweiz wie auf das mangelnde Demokratieverständnis der EU zurückzuführen ist.
Meine folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Zeit, in welcher internationale Verblendung, Unterwürfigkeit und fehlendes Selbstvertrauen zu den prägenden Merkmalen unserer Aussenpolitik geworden sind:
Zwischen 1995 und 2000 läuft eine international orchestrierte Kampagne gegen die Schweiz. Unser angebliches Fehlverhalten während des zweiten Weltkriegs soll Milliardenforderungen rechtfertigen. In den Medien des In- und Auslandes werden historische Fakten massiv verzerrt und die Aktivdienstgeneration übel verunglimpft. Bundesrat Villiger knickt schon 1995 ein. Die Reaktionen der offiziellen Schweiz blieben auch in der Folge uneinheitlich, unüberlegt und unterwürfig.
Am 5. März 1997 verspricht Bundesrat Koller eine Solidaritätsstiftung, dotiert mit 7 Mia. Franken aus dem Verkauf der Goldreserven der Nationalbank. Damit bietet der Bundesrat den Erpressern Tributzahlungen an. Nur dank der SVP wird die Solidaritätsstiftung 2002 vom Volk verworfen. 1998 zahlen die Schweizer Banken 1,25 Mia. US-Dollar an Sammelkläger und jüdische Organisationen.
Januar 1998: Bundesrat Leuenberger und EU-Kommissar Kinnock erzielen bei den Verkehrsverhandlungen einen angeblichen „Durchbruch“. Leuenberger erklärt dazu, dass „die Schweiz verkehrspolitisch zwar einen hohen Preis bezahlen müsse, dass aber europapolitisch von einem grossen Erfolg gesprochen werden könne.“ Im Klartext heisst das: Unser Ziel ist der EU-Beitritt, wir sind zu jeder Konzession bereit. Dieser „Durchbruch“ erweist sich nur als Auftakt für neue Druckversuche.
März 1999: Verhandlungen über das Landverkehrsabkommen Schweiz-EU: Umstritten sind die Transitfahrtenpreise. Die Schweiz fordert anfänglich 600 Franken, lässt sich dann von der EU aber auf 325 Franken drücken. Gleichzeitig wird die 28 Tonnen-Limite auf 40 Tonnen angehoben. Mit anderen Worten: freie Fahrt für den LKW-Transitverkehr durch unser Land. Zusätzlich bestätigt die Schweiz die Verpflichtung zum Bau der Neat.
Im Juli 2001 beginnen die Verhandlungen über die Bilateralen II. Während des Verhandlungsverlaufs drohen die Finanzminister der EU der Schweiz immer wieder mit Sanktionen.
10. Juli 2003: Deutschland setzt einseitig verfügte Massnahmen betreffend die Luftfahrt in Kraft, welche den Flughafen Zürich-Kloten diskriminieren und in der Schweiz Hunderttausende Lärmimmissionen aussetzen.
Im September 2003 beginnt Deutschland, Schweizer Banken zu benachteiligen: Diese dürfen nicht länger von der Schweiz aus Bankkunden in Deutschland anwerben.
Im Frühjahr 2004 verschärft die EU die Kontrollen an der schweizerisch-deutschen Grenze, was Verkehrsstaus und Wartezeiten verursacht. Diese Massnahmen fallen mit der Auseinandersetzung darüber zusammen, ob das bereits ausgehandelte Zinsbesteuerungsabkommen nur – wie von der EU plötzlich verlangt – im Rahmen eines bilateralen Gesamtpaketes unterzeichnet werden könne. Gleichzeitig erklärt der damalige deutsche Finanzministers Eichel, es solle „auf allen Ebenen deutlich gemacht“ werden, dass man gegenüber der Schweiz eine harte Linie vertrete.
Noch während der Verhandlungen über die Bilateralen II wird die Schweiz nicht nur zu Konzessionen bei den Vertragsinhalten gebracht, sondern auch zu massiven Geldversprechungen. Aussenministerin Calmy-Rey verspricht noch während den Verhandlungen Kohäsionsbeiträge für die neuen EU-Länder in der Höhe von einer Milliarde Schweizer Franken. Dies ist der doppelte Betrag dessen, was bei Anwendung EU-interner Kriterien resultiert hätte und damit eine deutliche Demutsgeste.
Oktober 2004: Das Zinsbesteuerungsabkommen wird unterzeichnet. Damit zieht die Schweiz für die EU Steuern ein.
Gleichzeitig wird mit den Bilateralen II die Rettung des Bankkundengeheimnis gefeiert. In Tat und Wahrheit wurde dieses stark aufgeweicht. Erstmals wird beim gegenseitigen Informationsaustausch der Grundsatz der doppelten Strafbarkeit durchbrochen; noch im Frühjahr hatte sich die Schweiz gegen eine derartige Bestimmung gewehrt. In einem Expertengutachten wird der Bundesrat gewarnt, die neuen Vertragsbestimmungen stellten die bisherige Politik der Schweiz gänzlich in Frage.
Die EU schraubt ihre Forderungen für die Bilateralen II immer höher: Sie verlangt, dass die Schweiz bei den neuen Verträgen (so vor allem im Bereich der Regelungen von Schengen/Dublin) automatisch künftiges Recht der Union übernimmt. Ein Staat aber, der sich zur automatischen Übernahme fremder Rechtsentwicklungen verpflichtet, gibt einen wesentlichen Teil seiner Souveränität preis.
Juni 2005: EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner setzt die Schweiz unmittelbar nach der Volksabstimmung zu Schengen/Dublin unter Druck: Ein Schengen-Beitritt der Schweiz sei nur möglich, wenn die Schweiz auch der Erweiterung der Personenfreizügigkeit mit allen 25 EU-Staaten zustimme. Damit ist klar: Das Schweizer Stimmvolk wurde vorgeführt.
10. Juli 2005: Der englische Botschafter in der Schweiz, Simon Mark Feather-stone, droht, die EU würde ein Nein des Schweizervolks zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Osteuropa nicht akzeptieren. Zwei Monate später folgt das Ja zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit.
Im Oktober 2005 spricht sich SP Nationalrätin Leutenegger Oberholzer gegen die Schweizer Steuerpraktiken aus. Internationaler Druck sei der einzige Hebel, erklärt sie. Zitat: „Der Druck auf die Schweiz wird zunehmen und ich werde dabei mithelfen.“ Kurz darauf reist ein Abgesandter der SP mit einem Diskussionspapier über Steuerkonkurrenz nach Brüssel.
9. Juli 2006: In der Diskussion über die Kohäsionsmilliarde droht der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, der Schweiz: Ein Nein „würde sehr schlecht aufgenommen“ und wäre für die Schweiz bei weiteren Verhandlungen äusserst schädlich.
Herbst 2006: Kurz nachdem die Ostmilliarde aufgrund dieser Drohungen vom Volk gutgeheissen wurde, wird eine neue Drohkulisse aufgebaut: Der EU-Generaldirektor für Aussenbeziehungen droht der Schweiz mit der Auflösung des Freihandelsabkommens von 1972 für den Fall, dass die attraktiven Steuerkonditionen einiger Kantone nicht umgehend abgeschafft werden.
Nach dem 13. Februar 2007 beginnt der Steuerstreit zu eskalieren. Die EU-Kommission wirft der Schweiz eine Verletzung des Freihandelsabkommens von 1972 vor und ersucht den Ministerrat um ein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Schweiz. Dies wird ihr erteilt. Immer wieder ist von Sanktionen gegen unser Land die Rede – Druck und Drohungen halten an. Nach den Parlamentswahlen vom 21.Oktober 2007 erhöht die EU den Druck auf die Schweiz noch einmal massiv. EU-Botschafter Reiterer verlangt gebieterisch „Lösungen“.
27. Februar 2008: Der Bundesrat anerkennt – unnötigerweise und ohne jeden zeitlichen oder politischen Druck – den Kosovo. So folgt unsere Regierung einmal mehr demütig der Vorgabe der USA und der meisten EU-Länder. Diese Anerkennung widerspricht der Schweizer Verfassung und wirft auch völkerrechtliche Fragen auf. Damit handeln wir uns einmal mehr völlig unnötige Probleme ein.
Diese stark gekürzte Aufzählung illustriert die Geringschätzung unserer Eigenstaatlichkeit und das ängstliche Anpassertum unseres Bundesrates gegenüber dem Ausland. Die Signale, welche die Schweiz durch stetes Kuschen, Kriechen und Zahlen unablässig in die ganze Welt sendet, sind nur zu leicht zu deuten: Die Schweiz ist reich und schwach. Wenig überraschend, dass dies immer dreistere Forderungen gegen unseren Finanzplatz, unser Bankkundengeheimnis, unser wettbewerbsfähiges Steuersystem sowie gegen unseren Werkplatz mit seinem flexiblen Arbeitsmarkt provoziert. Die Pressionen der EU sind nichts anders als das Resultat unserer aussenpolitischen Willfährigkeit.
Nur eine Aussenpolitik, die sich an unseren eigenen Interessen orientiert, wird uns international wieder Respekt und Achtung einbringen.