Der Entscheid vom vergangenen Sonntag in der Frage der Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der Invalidenversicherung ändert nichts an unseren Forderungen. Auch ein anderer Ausgang der Abstimmung…
Referat von Nationalrat Toni Bortoluzzi, Affoltern am Albis (ZH)
Der Entscheid vom vergangenen Sonntag in der Frage der Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der Invalidenversicherung ändert nichts an unseren Forderungen. Auch ein anderer Ausgang der Abstimmung hätte den grundsätzlichen Auftrag, die offensichtlichen Mängel in diesem wichtigen Sozialwerk zu beseitigen, nicht geändert. Wir waren immer davon überzeugt, dass es einfacher wäre, unter dem Eindruck negativer Rechnungsergebnisse, Korrekturen vorzunehmen.
Kampf gegen die Windmühlen der „Vernunft“
Die Vertreter der SVP haben aber bereits in den 90er-Jahren versucht, Korrekturen bei der Invalidenversicherung anzubringen. Leider ohne Erfolg. Wir kämpften damals gegen Windmühlen, wir wurden auch damals nicht von den anderen bürgerlichen Parteien unterstützt. Die 90er-Jahre waren das Jahrzehnt der so genannten „Koalition der Vernunft“ und des unbegrenzten Staatsausbaus mit unglaublichen Konsequenzen für den Bundeshaushalt und die Sozialwerke – die SVP stand mit ihren Forderungen quasi alleine in der „Sozialwüste“.
Sie können aber dem Protokoll des Nationalrates vom 6. Oktober 1997 entnehmen, dass ich persönlich die Rückweisung des Transfers von 2.2 Milliarden Franken aus der EO in die IV verlangt habe – es handelte sich um eine ungeheure Zweckentfremdung des für die Wehrmänner bestimmten Geldes. Das gleiche hat die SVP – leider ebenfalls ohne Erfolg – im Jahr 2003 getan, als erneut 1.5 Milliarden Franken von der EO in die IV überwiesen wurden.
Mit der Thematisierung des IV-Missbrauchs durch die SVP im Umfeld der nationalen Wahlen 2003 begann es aber in Sachen IV langsam zu tagen. Nach Jahren parlamentarischen Kampfes gegen die Missstände, wurde die Öffentlichkeit auf den Missbrauch in der Invalidenversicherung aufmerksam gemacht.
Verhinderung der Mehrwertsteuererhöhung 2004
Wir haben dann im selben Jahr im Parlament die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.8 Prozent zu Gunsten des AHV-IV-Fonds bekämpft und am 16. Mai 2004 vom Stimmvolk die Unterstützung dafür erhalten. Erstmals waren unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt.
Die Folge unseres Abstimmungssieges war eine 5. Revision der Gesetzgebung, die davor als kaum für möglich angesehen wurde. Erstens weil, wie man nachlesen kann, zuerst die Frage der Mutterschaftsversicherung geklärt werden sollte und zweitens die 5. IV-Revision mit allen vorgesehenen Sparmassnahmen, zum Beispiel dem Aufheben der Viertel- und Zusatzrente, durchzuführen sei.
Auch wenn es der SVP im Rahmen der 5. IV-Revision gelang, die IV-Verfahren zu straffen, die Finanzierung abzutrennen, die Erhöhung der Lohnprozente zu verhindern und die ursprünglich vorgesehen 0.8 Prozent zusätzliche Mehrwertsteuer auf eine Erhöhung von proportional 0.4 Prozent zurückzufahren, ist uns eine Parlamentsmehrheit in wichtigen Punkten nicht gefolgt.
Die Folgen sind bekannt. Heute ist nicht nur die IV sanierungsbedürftig, auch die AHV sitzt auf einem Schuldenberg der IV von heute rund 14 Milliarden Franken. Ausserdem sind die Reserven der Erwerbsersatzordnung aufgebraucht – im nächsten Jahr droht einer Erhöhung von 0.2 bis 0.3 Lohnprozenten. Die seit 1988 über 21 Milliarden Franken, welche zusätzlich in die IV gegeben wurden, sind ebenfalls ohne Wirkung verpufft. Das alles ist die „Frucht“ der so genannten „Koalition der Vernunft“ – das Resultat einer über 15 Jahre praktizierten Koalition von FDP, CVP und SP, welche unserem Land verheerende Folgen beschert hat und uns noch immer äusserst teuer zu stehen kommt.
SVP-Forderung wird bei Befürwortern als Ja-Argument benutzt
Immerhin hat die Schweizer Bevölkerung am vergangen Sonntag die Absicht kund getan, die 6. IV-Revision zu realisieren. Als die SVP diese Forderung am 2. März 2006 erstmals der Öffentlichkeit präsentierte, war der Widerstand riesig. Am 18. Juni 2007, einen Tag nach der Annahme der 5. IV-Revision, präsentierte die SVP dann ein umfassendes Positionspapier unter dem Titel „6. IV-Revision anpacken statt Zwangsabgaben erhöhen“. Unsere Überlegung, eine neue 6. Revision zu verlangen, wurde damals ordentlich zerzaust. Insofern ist es sehr erstaunlich, dass genau diejenigen, welche uns damals mit Gift und Galle besprühten, genau unsere Forderung einer 6. IV-Revision als Argument für die Abstimmung verwendeten. Unsere Berechnungen vom 18. Juni 2007 wurden als unrealistisch bezeichnet. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) sprach von „falschen“ Zahlen. Wir haben damals aufgezeigt, dass es sehr wohl möglich ist, die IV ohne zusätzliche Mittel nach einigen Jahren zu einer ausgeglichenen Rechnung zu führen. Wir haben zum Beispiel für das Jahr 2008 damals ein Defizit von 1.423 Milliarden Franken prognostiziert. Mittlerweile wissen wir, dass die IV 2008 gar noch besser abgeschnitten hat, nämlich mit einem Defizit von 1.362 Milliarden Franken. Die Prognose des BSV lag zum Zeitpunkt der Präsentation unserer Zahlen bei über 1.8 Milliarden Franken, also um 35 Prozent neben der Realität.
Mit der 6. IV-Revision einen Meilenstein setzen
Mit der Präsentation des heutigen Grundlagenpapiers will die SVP einmal mehr einen Meilenstein in der IV-Politik des Bundes setzen. Zwei Tage nach der letzten IV-Abstimmung präsentieren wir Ihnen ein neues Grundlagenpapier, welches parteiintern, aber auch mit direkt betroffenen Sachverständigen erarbeitet wurde. Es stellt eine Verfeinerung des Grundlagenpapiers vom 18. Juni 2007 dar, welches inhaltlich noch volle Gültigkeit hat, und soll die politische Debatte um die 6. IV-Revision prägen. Schon heute – und wir sind noch mitten in der Vernehmlassung – zeigt sich, dass die vom Bundesrat präsentierten Vorschläge nicht ausreichen, um die IV strukturell zu sanieren. Die SVP will aber die IV knapp 50 Jahre nach deren bestehen endlich in ein finanzielles Gleichgewicht bringen. Daher die Hauptforderung in unserem Papier, dass die 6. Revision die Sanierung dieses wichtigen Sozialwerks bewerkstelligen muss. Dass dies kein Ding der Unmöglichkeit ist, werden Ihnen nun meine Kollegen im Detail erläutern.