Gewisse Staaten haben ihre Banken vor dem Konkurs gerettet, indem sie sie verstaatlicht haben. Sie sind damit indirekt Eigentümer von toxischen Aktiven geworden, die nun ihre eigene Bilanz bedrohen…
Gewisse Staaten haben ihre Banken vor dem Konkurs gerettet, indem sie sie verstaatlicht haben. Sie sind damit indirekt Eigentümer von toxischen Aktiven geworden, die nun ihre eigene Bilanz bedrohen. Sie brauchen frisches Geld. Das bedeutet Steuerkrieg.
Wenn die wirtschaftlichen Ziele der verstaatlichten Banken bis anhin privater Natur waren, so sind sie nun zu strategischen Zielen der Eigentümerstaaten geworden. Das bedeutet schlicht Krieg. Es hat sich eine Koalition von Grossmächten gebildet, um die Schwächsten anzugreifen: Der Finanzplatz von Kleinstaaten – wie der Schweiz – soll zerstört werden. Aber auch, um die Hand auf die Kundschaft zu legen: ein Drittel der weltweiten Privatvermögen. Internationale Abkommen werden verletzt und gebrochen, noch bevor deren Tinte trocken war.
Wer in der Schweiz Steuern bezahlt, weiss: die Schweiz ist kein Steuerparadies. Und wo ein entsprechendes Abkommen besteht, leistet unser Land loyal internationale Rechtshilfe. Die Drohungen mit wirtschaftlichen Repressalien gegen die Schweiz vorzugehen – unter dem irreführenden Vorwand, unser Land sein ein „Steuerparadies“ und „kooperiere“ nicht -, müssen als das verstanden werden, was sie sind: ein Angriffskrieg.
Die USA, Grossbritannien, Deutschland und Frankreich, alles Länder die tief in der Krise stecken, haben sich zusammen getan, um ihre öffentlichen Meinungen gegen die kleinen Länder zu mobilisieren. Länder die sich leicht einschüchtern lassen und als Sündenböcke für das eigene Versagen herhalten müssen. Insbesondere die Schweiz, die den Fehler begeht, der Krise stand zu halten als andere Länder.
Der Bundesrat hat einen furchtbaren Fehler begangen. Indem er sich der Willkür beugte, hat er die Schweiz in eine Situation gebracht, in der sie dem willkürlichen Vorgehen anderer weiterhin nachgeben muss.
Jene, die ständig von Moral reden, täuschen sich in der Debatte: Wir werden nicht im Namen der Moral angegriffen. Die Rechtsordnungen der Länder, die uns angreifen, kennen alle Rechtsinstitute, die sich in der Form zwar manchmal vom Bankkundengeheimnis unterscheiden, in der Sache aber alle zum gleichen Ergebnis führen: Schutz der Privatsphäre durch Verdecken der Identität des wirtschaftlich Berechtigten. Diese Institute nennen sich Trusts, Stiftungen, Aktiengesellschaften oder Offshore-Zentren.
Da die menschliche Natur nun einmal ist, was sie ist, gibt es Personen, die versuchen, diese Institute vom legitimen Ziel abzubringen und sie dafür zu benutzen, dem Steuervogt Guthaben oder Einkommen zu entziehen. Es handelt sich um ein universelles Phänomen. Ebenso universell ist die Schizophrenie der Staaten, die einerseits darauf bedacht sind, die Gesamtheit der Steuern einzutreiben, die ihnen geschuldet sind, und anderseits eine florierende Bankenindustrie aufrechtzuerhalten, einschliesslich der Grauzonen der Rechtsordnung. Dabei hoffen sie, dass die Erleichterungen, die sie anbieten, vor allem von den Steuerpflichtigen anderer Staaten und weniger von ihren eigenen Bürgern in Anspruch genommen werden.
So stützt sich die amerikanische Bankenindustrie auf das Gesellschaftsrecht von Delaware und Florida und die Offshore-Zentren Bermudas, Bahamas und Kaimaninseln, die weder eine Rechnungslegung, noch die Identifikation der wirtschaftlichen Eigentümer der im Depot liegenden Aktiven verlangen. Grossbritannien kennt das gleiche System mit den Inseln Man, Guernsey und Jersey, Gibraltar und sogar der City of London.
Auch die Europäische Union lässt sich nicht bitten: Sie hat Monaco, Luxemburg, Malta und Zypern. Und während sich die Schweiz als Musterschüler das weltweit strengste Geldwäschereigesetz gegeben hat, wird das lateinamerikanische Geld in Miami gewaschen und die amerikanische Justiz tappt in der Affäre Madoff im Dunkeln und wird ohne Zweifel weder für die Opfer noch für den Fiskus etwas zurückholen. Grossbritannien reagiert in der Regel nicht einmal auf internationale Rechtshilfegesuche, wenn diese seinen eigenen Interessen entgegenstehen. Und Deutschland verweigert die Zusammenarbeit ebenso, wie es soeben gegenüber Lichtenstein gezeigt hat.
Die Schweiz ist eine loyale Partnerin. Sie arbeitet gemäss den abgeschlossenen Abkommen mit den Ländern zusammen, die um ihre Rechtshilfe ersuchen, und hebt das Bankkundengeheimnis auf, wenn Hinweise auf einen Betrug vorliegen. Unser Land hat es nicht nötig, von denen, die es angreifen, über Moral und Recht belehrt zu werden.
Aber wie die pestkranken Tiere in der Fabel von Lafontaine, die einen Sündenbock suchen, dem sie die Schuld anhängen können, wird nie nach dem Schuldigsten gesucht, der oftmals auch der Mächtigste ist, sondern nach dem Naivsten: dem Esel der Fabel – dem, der bereit ist, sich selbst zu anzuklagen.
Und da dürfen die Feinde der Schweiz auf treue Verbündete im Land selbst zählen: die Linke und das linke Zentrum, die in ihren Reihen zahlreiche sympathische Einhufer zählen, die in den letzten Wochen ein grosses Lamento vollführten und den Blitzableiter ihrer Klagen eifrig gen Himmel streckten, damit der drohende Blitz ihn ja finde.
Die Schweiz will weiterhin zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung unterscheiden! Sie will in der internationalen Rechtshilfe den Grundsatz der doppelten Strafbarkeit beibehalten! Wie in der Fabel heisst es: Schande über sie!
So hat die „classe politique“ das Bankkundengeheimnis geopfert. Es bleibt nichts mehr davon übrig. Welche Lebenserwartung kann ein Geheimnis haben, das nur den Schweizern zugute kommt, die in der Schweiz leben, und nur, wenn sie kein Vermögen besitzen, das im Ausland zu deklarieren ist? Ein Geheimnis, das weder für Schweizer gilt, die im Ausland leben, noch für Schweizer, die in der Schweiz leben, aber beispielsweise amerikanische Titel besitzen? Und auch nicht für Ausländer, sogar wenn sie in der Schweiz wohnen, wenn sie aus irgendeinem Grund möglicherweise einem ausländischen Fiskus Rechenschaft ablegen müssen?
Mit einem solchen Bankkundengeheimnis würde ein Apartheidregime geschaffen. Es wäre in seinem Grundsatz nicht zu rechtfertigen. Und bereits hat die Linke, die das besser als die sogenannt bürgerlichen Parteien erkannt hat, im Nationalrat schlicht die Abschaffung dieses amputierten Geheimnisses verlangt.
Um sich über den Skandal Rechenschaft zu geben, den die Kapitulation des Bundesrats darstellt, muss man die historischen Umstände, unter denen das Bankkundengeheimnis während der Krise der 1930er Jahre eingeführt wurde, mit den Umständen vergleichen, unter denen es nun soeben abgewürgt worden ist.
In Frankreich ist 1932 die von den Sozialisten unterstützte radikale Regierung Henriot an der Macht, die Mühe hat, ihr Austeritätsprogramm durchzubringen. Eine Sonderdebatte in der Nationalversammlung ist Anlass für alle Arten von Angriffen gegen den Kapitalismus und die „Steuerflüchtlinge“, das heisst Personen, die ihr Vermögen im Ausland anlegen. In diesem Kontext werden in Paris zwei Schweizer Bankiers verhaftet. Der Druck, den Frankreich auf unser Land ausübt, ist immens.
Deutschland wird 1933 nationalsozialistisch und fordert seine Steuerpflichtigen unter Todesstrafe auf, ihre Vermögen im Ausland zu deklarieren. Es wird ein Beschlagnahmungsgesetz angenommen, das als Rechtsgrundlage für die Enteignung der deutschen Juden dienen soll.
Die Gestapo wird mit dem Vollzug der Vermögensentziehung im Ausland beauftragt. Offiziere präsentieren sich am Schalter einer Schweizer Bank, nehmen eine Einzahlung auf das Konto eines in Deutschland wohnhaften Bürgers vor und verlassen die Bank mit einer Quittung als Beweis für die Existenz eines Bankkontos in der Schweiz. Der Schutz, den die Nummernkonten bieten, die ermöglichen, die Identität des Kunden vor dem Bankpersonal zu verdecken, wird als ungenügend erachtet. Man führt das Bankkundengeheimnis ein, und zwar im strafrechtlichen Sinn, das 1934 gesetzlich verankert wird: Der Bankier, der redet, wandert ins Gefängnis.
Das Bankkundengeheimnis wurde somit nicht zu Gunsten, sondern zu Lasten der Bankiers eingeführt, auch wenn die ausserordentliche Seriosität, mit der die Schweizer Banken die Vertraulichkeit handhaben, siebzig Jahre später offensichtlich ein Wettbewerbsvorteil für die Schweizer Bankiers geworden ist, denen Kunden aus der ganzen Welt Vertrauen schenken können.
Wenn man sich einen Augenblick lang die äusserst konkreten Gefahren vor Augen hält, denen sich die Schweiz der 1930er Jahre gegenüber sah, als sie sich zwischen einem aggressiven Frankreich und der Bedrohung durch ein totalitäres Deutschland befand, und die mutige Antwort des damaligen Bundesrats mit der Antwort des Bundesrat von 2009 vergleicht, fragt man sich zu Recht, ob es sich um das gleiche Volk handelt.
Vor welcher konkreten Gefahr ist Bundesrat Merz eingeknickt? Vor der Gefahr, die Schweiz möglicherweise auf einer willkürlichen Liste wiederzufinden, die nur ihre Autoren kennzeichnet? Befragt man die Spezialisten, namentlich in Brüssel, so kann niemand sagen, welche konkreten Massnahmen die Staaten, die uns drohen, gegen die Schweiz ergreifen könnten, ohne die internationalen Abkommen zu verletzen, die beispielsweise unter der Ägide der WTO oder der Europäischen Union geschlossen wurden. Jedermann weiss, dass ein Staat, der Opfer eines Verstosses gegen eine Regel des internationalen Rechts durch einen anderen Staat wird, legitimiert ist, Repressalien zu ergreifen. Die Schweiz könnte beispielsweise völlig legitim das Strassentransportabkommen suspendieren und damit die Durchfahrt der Lastwagen der fehlbaren Staaten blockieren. Ich zweifle daran, dass die, die uns drohen, bereit sind, diese Gefahr einzugehen. Die Frage stellt sich ihnen aber gar nicht, hat unsere „classe politique“ doch schon vor dem Kampf kapituliert.
Der Fehltritt des Bundesrates muss korrigiert werden. Diese Aufgabe obliegt dem Schweizervolk, das einer liberalen Konzeption der Gesellschaft stärker verpflichtet ist als seine Eliten. Das besorgter über den Schutz der Privatsphäre ist, als die Banken selbst. Das Volk, zu dessen Schutz das Gesetz von 1934 geschaffen wurde.
Auch wenn schliesslich die Langsamkeit der Schweizer Gerichte in Bezug auf die internationale Rechtshilfe der Gegenseite als Vorwand dient – einer Gegenseite, die zum Teil ihrerseits auf die an sie gestellten Begehren nicht einmal antworten oder sie, wie Deutschland diese Woche gegenüber Lichtenstein, abweist -, so verlangt die SVP doch, dass diese Frage im Rahmen einer Parlamentarischen Untersuchungskommission objektiv geprüft wird. Und sollte es in der Verwaltung oder bei den Gerichten zu unnötigen Verzögerungen oder Nachlässigkeiten gekommen sein, so sind diese zu identifizieren und zu sanktionieren.